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Der Einzelkämpfer

Als einziger FDP-Politiker hat Lothar Brandau im Freitaler Stadtrat eine Sonderrolle. Diese findet er gar nicht so schlecht.

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© Andreas Weihs

Von Tobias Winzer

Freital. Eine Debatte im Freitaler Stadtrat läuft spitz formuliert so ab: Partei A möchte irgendetwas durchsetzen. Partei B möchte das nicht und hält dagegen. Partei C schlägt sich auf die Seite von Partei A und bekräftigt das Gesagte. Partei D hält dagegen. Und so geht es immer munter weiter. Meistens ist dann der Moment von Lothar Brandau gekommen. Im präsidialen Ton ordnet er das Gesagte ein und spricht auch manchmal eine Wahrheit aus, die sich niemand traute auszusprechen. Ende der Debatte. Wer die Machtverhältnisse im Stadtrat nicht kennt, könnte glauben, dass der 66-Jährige einiges zu sagen hat. Dabei ist er als einziger verbliebener FDP-Vertreter eigentlich ein machtloser Einzelkämpfer.

„Ich finde meine Rolle ganz bequem“, sagt Brandau und lächelt. „Ich muss nicht agieren um der Aktion willen. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Ich bin völlig frei.“ Das sei eine sehr komfortable Situation. „So kann man am besten eine vernünftige Position vertreten.“

Beispiel: Als die Stadt Räume für ihren Server suchte und ein teurer Umzug in das Verwaltungsgebäude in der Hüttenstraße im Gespräch war, brachte er als Erster Räume bei der Stadttochter Freitaler Strom und Gas (FSG) ins Spiel. Zunächst teilte die Stadt mit, dass die Räume zwar untersucht worden, aber nicht hochwassersicher sind. Diese Einschätzung hat sich jetzt offensichtlich geändert. Der Umzug ist mittlerweile vollzogen und die Stadt spart mehrere zehntausend Euro.

Brandau versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Und die Not ist bei der Freitaler FDP groß. Bei der Kommunalwahl 2014 erhielten die Liberalen gerade einmal noch vier Prozent der Stimmen – ein Minus von 4,5 Prozentpunkten gegenüber der Wahl 2009. Im Stadtrat verlor die FDP damit ihren Fraktionsstatus. Ralf Mehlhose und Christian Epperlein verließen das Gremium. Übrig blieb Lothar Brandau. Er sagt, dass das schlechte Abschneiden vor zwei Jahren zum großen Teil mit der FDP-Bundespolitik zu erklären sei. „Da kann man dann kommunal nicht viel dagegen machen.“

Gut aufgestellt

Die Freitaler FDP sei aber mit dem neuen Vorsitzenden Thomas Klyscz gut aufgestellt. „Wir werden uns weiter für Freital einsetzen und hoffen, dass das der Wähler auch erkennt.“ Die nächste Stadtratswahl steht 2019 an. Als letztes verbliebenes FDP-Gesicht in der politischen Öffentlichkeit spielt Brandau dabei eine nicht ganz unbedeutende Rolle. Der ausgebildete Bauingenieur kam 1990 kurz nach der Wiedervereinigung aus Hessen nach Freital. Ein Studienfreund hatte ihn gefragt, ob er die Freitaler Geschäftsstelle des Ingenieurbüros Dr. Born – Dr. Ermel aufbauen wolle. An einem grauen Novembertag kam Brandau das erste Mal in die Stadt. „Die Asche regnete herunter“, sagt er. Brandau blieb trotzdem und leitete das Büro vier Jahre lang. Danach machte er sich selbstständig und ist heute noch hin und wieder als Berater tätig.

Zur FDP kam er erst 2008. „Ich wollte mich gesellschaftspolitisch engagieren.“ Die CDU, die SPD und die FDP kamen für ihn infrage. Er entschied sich für die Liberalen und wurde 2008 gleich zum Oberbürgermeisterkandidaten in Freital. 6,9 Prozent der Stimmen holte er damals. Seit 2009 ist Brandau für die FDP Mitglied des Stadtrates und wollte dies auch nach der Wahlschlappe 2014 bleiben. Es habe mehrere Angebote von anderen Fraktionen gegeben. Diese habe er aber abgelehnt.

Politik im Sinne der Liberalen bedeutet für ihn, die Eigenverantwortung zu stärken. „Leben und leben lassen“, ist Brandaus Credo. Dabei müsse aber die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben. Ein großer sozialer Bereich für Menschen in Notlagen sei wichtig. Und er wolle sich für nachhaltige Projekte für künftige Generationen stark machen. Dazu gehöre auch, keine Schulden aufzunehmen.

Derzeit setzt sich Brandau für die Sanierung der Lederfabrik zum Zentrum für die Kreativwirtschaft ein. „Freital braucht die Gewerbeflächen“, sagt er. „Bei den Fördermöglichkeiten gibt es keinen Grund, das abzulehnen.“ Auch den Bau eines neuen Zentrums am Sächsischen Wolf befürwortet der Burgker, fordert aber zugleich, dass sich Verwaltung und Stadtrat zuvor grundsätzlich Gedanken machen, wohin Freital überhaupt steuern soll. Die Wiederbelebung der Ballsäle Coßmannsdorf als Veranstaltungsort sieht Brandau kritisch und hält es für unwahrscheinlich, dass sich das Haus wirtschaftlich betreiben lässt. Die Option, dass das Gebäude am Ende doch zum Wohnhaus umgebaut wird, will er unbedingt offenhalten.

Generell wünscht sich Brandau in Freital „eine wesentlich offensivere Vorgehensweise“. Die finanziellen Möglichkeiten seien da, wenn nur bei den Ausgaben etwas gekürzt werde. Die Fördertöpfe seien noch voll. Der FDP-Stadtrat hat ausgemacht, dass es den Freitalern an Selbstwertgefühl fehle. „Der Freitaler ist sich nichts wert als Freitaler. Das sollten wir ändern.“ Brandau schlägt vor, das Image der Stadt mit großen Veranstaltungen, wie dem Tag der Sachsen oder der Landesgartenschau, zu verbessern. Auf dem Schloss Burgk könnte jedes Jahr ein Musiksommer mit mehreren Konzerten stattfinden, sagt er. Außerdem müssten große Bauprojekte in Freital angeschoben werden. „Dann wäre schon viel für Freital geschafft.“