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Der bierige Landkreis

Sachsen ist Bierland. Und der Kreis Bautzen ist dafür ein wichtiger Mosaikstein.

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© HY-photo Gernot Menzel

Von Jens Fritzsche

Wittichenau. Solche Probleme wie in diesem Sommer hätte Stefan Glaab sicher gern öfter. „Dass wir mitunter nicht genug Leergut hatten, um die Biernachfrage stillen zu können, war schon ungewöhnlich“, blickt der Geschäftsführer der Wittichenauer Stadtbrauerei zurück. „Ein Superjahr für Brauereien“, schwärmt er. „Auch, wenn wir wirklich hart an der Kapazitätsgrenze gearbeitet haben, es hat richtig Spaß gemacht!“

© Mario Lars

Seit über 30 Jahren ist Stefan Glaab nun schon im Brauereigeschäft, aber dieser Sommer war ein besonderer. Wie das Bierbrauen im Landkreis Bautzen überhaupt etwas Besonderes ist. „Sachsen ist ein Bierland; und die Leute hier in der Region setzen zudem sehr bodenständig auf regionale Brauereien“, sagt der Wittichenauer. Und klingt zufrieden. Auch, wenn natürlich für mittelständische Brauereien wie das Wittichenauer Familienunternehmen längst nicht nur die sprichwörtliche Sonne scheint. „Der Wettbewerb mit den Branchengrößen ist schon schwierig, auch das Problem der zunehmend wegbrechenden klassischen Getränkehändler“, sagt er.

Den Preiskampf mit den Großen in den Supermarktketten kann und will er nicht machen, „also setzen wir hier zum Beispiel stark auf Direktvermarktung“. Rund 40 Prozent des Wittichenauer Bieres gehen über den eigenen Getränkemarkt an die Kunden. Und diese Kundschaft ist sehr treu, sagt Stefan Glaab.

Sieben Brauereien im Landkreis

Dass es im Landkreis offenbar viele solcher treuen Kundenkreise gibt, zeigt auch die Vielfalt der hier ansässigen Brauereien. Immerhin acht Stück sind hier zu Hause; eine durchaus beachtliche Zahl. Zudem kann der Landkreis mit einer Besonderheit aufwarten: Von einer der kleinsten professionellen Brauereien des Landes, auf dem Missionshof Lieske bei Kamenz, bis hin zum Branchenprimus Radeberger Exportbierbrauerei hat er eine spannende Mischung zu bieten. Und mittendrin dann Brauereien wie die Wittichenauer oder auch Böhmisch Brauhaus in Großröhrdorf. Mit Frenzel-Bräu und dem Bautzener Brauhaus gibt es in der Kreisstadt zudem gleich zwei Anbieter von Bierspezialitäten. Und mit dem Bierbrauhaus in Obergurig und der Hausbrauerei Rösner in Sohland punktet auch das Oberland in Sachen Bier.

Überhaupt ist Sachsen ein besonderes Bierland. Denn mit Durchschnitt gibt man sich hier nicht zufrieden. Bei der Qualität nicht, aber auch nicht bei der Menge: Während deutschlandweit pro Kopf und Jahr rund 106 Liter Bier getrunken werden, sind es in Sachsen immerhin 135 Liter. Und auch bei der Bierherstellung gibt es überdurchschnittliche Zahlen zu vermelden: Pro Kopf werden in den insgesamt 69 Braustätten im Freistaat nämlich 200 Hektoliter jährlich mehr gebraut, als in jedem anderen Bundesland. Laut sächsischem Brauerbund köcheln jährlich rund acht Millionen Hektoliter Bier in sächsischen Braukesseln.

Vorbild Bierregion Franken

Die Brauer im Landkreis Bautzen steuern eine beachtliche Menge dazu bei. Denn mit Radeberger ist hier eine der größten Brauereien des Landes zu finden. Auch, wenn die Menge des Pilsner-Ausstoßes in der Bierstadt zu den gut gehüteten Geschäftsgeheimnissen gehört, dürften es wohl um die zwei Millionen Hektoliter sein – jedenfalls spricht der Sächsische Brauerbund von solchen Produktionszahlen, wenn die Rede von den sächsischen Großbrauereien ist.

Wobei Wittichenauer-Chef Stefan Glaab für Sachsen durchaus noch ein wenig Luft nach oben sieht. „Als ich angefangen habe, das war 1986, lag der jährliche Bierkonsum hier noch bei 186 Litern pro Kopf“, sagt er. Und schwärmt von Bierregionen wie Franken, „wo man im Sommer auch mitten in der Woche Plätze im Biergarten vorbestellen muss.“ Vielleicht hilft ja der Tourismus.

Denn dass Bier ein touristischer Türöffner sein kann, davon ist jedenfalls Olaf Franke überzeugt. Der Chef der in Bautzen ansässigen Marketinggesellschaft Oberlausitz. „Neugier geht durch den Magen“, sagt er – und dass kulinarische Spezialitäten Touristen locken, dafür gibt es reichlich Beispiele. Weinreisen nach Frankreich, Whisky-Touren in Irland und Schottland, Käse in Holland.

20 000 Besucher bei Radeberger

Die Tourismuswirtschaft macht damit Millionenumsätze. Warum also nicht auch das Bier als stabiles Standbein für den Tourismus im Kreis Bautzen? Die Radeberger Brauerei zum Beispiel lockt jedes Jahr nicht „nur“ rund 20 000 Besucher zu Rundgängen an, sondern hat jetzt gemeinsam mit zwei Brauereien der Radeberger Gruppe – mit Freiberger und Ur-Krostitzer – eine Bierreise nach Sachsen aufgelegt.

„Das Ganze soll ein Anfang sein“, erklärte die Radeberger Brauereisprecherin Jana Kreuziger zur Premiere. Die Idee solle sich unbedingt weiter entwickeln. Dass das einheimische Tourismusgewerbe davon profitieren kann, darauf verweist Radebergs Wirtschaftsreferent Marco Wagner: „Wir haben knapp 300 Betten für Touristen und über 35 000 Übernachtungen pro Jahr, Tendenz steigend.“ Neben den Brauereirundgängen lockt zum Beispiel das Biertheater. Auch so eine bierige Besonderheit im Landkreis Bautzen.