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Der Bahnhof der fliegenden Pakete

Der Begriff „Postwurfsendung“ bekam im Sommer 1958 in Ebersbach eine neue Bedeutung.

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© Repro: SZ

Von Bernd Dressler

Es war an einem Sommerabend Anfang August 1958, als ein Zug aus Dresden im Ebersbacher Bahnhof einfuhr. Wie damals üblich, führte er auch einen Bahnpostwagen mit, der entladen werden musste. In Ebersbach waren es vor allem Pakete für einen Betrieb der Stadt, überdurchschnittlich viele Pakete.

Da das „Bähnle“ Verspätung hatte, sah sich die Zugbesatzung genötigt, die Haltezeiten auf den Bahnhöfen zu verkürzen. Damit verstieß sie zwar gegen eine Dienstvorschrift der Deutschen Reichsbahn, die ein solches Vorgehen zuungunsten der Deutschen Post verbot. Aber sollte es wegen der Ebersbacher Pakete noch mehr Verspätung bis Zittau geben?

Als die Aufsicht in Ebersbach die Kelle zur Abfahrt des P 829 hob, war der Bahnpostbegleiter noch längst nicht fertig mit Ausladen. Der junge Mann wollte möglichst noch alle Stücke dieser „Massensendung in Postmietbehältern“ (Originalton Hauptpostamt Dresden) dem Empfänger pünktlich zukommen lassen. Und so warf er die Pakete, als der Zug schon fuhr, noch kreuz und quer auf den Bahnsteig.

Diese eigenartige Dienstbeflissenheit musste der Bahnpostmitarbeiter mit einer strengen Rüge büßen. „In unserem nächsten Dienstunterricht werden wir unsere Kollegen erneut zu ordnungsgemäßer Arbeitsweise anhalten“, schrieb das Hauptpostamt Dresden A 1 an die Sächsische Zeitung, die den Vorfall öffentlich gemacht hatte. Zur Ehre der Bahnpost muss aber gesagt werden, dass sie nicht nur mit dem Finger auf den Mitarbeiter zeigte, sondern sich auch Gedanken machte, wie so eine „Postwurfsendung“ künftig vermieden werden könnte. Man wolle versuchen, eine längere Haltezeit für diesen Zug in Ebersbach zu erreichen. Außerdem dürfe die Mechanisierung des Ladungsaustausches bei der Deutschen Post nicht wie bisher auf die Strecke Dresden–Löbau–Görlitz beschränkt bleiben.