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Der Aufstand

Dokumente aus dem Jahr 1986 bestätigen erst eine Massenflucht und später einen Aufruhr gegen die Erzieher des Röderhofs.

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Von Jörg Richter

Ebersbach. Immer weitere Einzelheiten aus der Zeit des Jugendwerkhofs Rödern kommen ans Tageslicht. Ehemalige Insassinnen haben der SZ mehrere Dokumente übermittelt, aus denen hervorgeht, dass es am 29. Mai 1986 zu einem Aufstand gekommen ist. Der damalige Heimleiter Gerhard Kugler informierte in einem Schreiben an den Rat des Bezirkes Dresden, dass es in seiner Einrichtung am besagten Tag zu Unruhen gekommen ist. Ausgangspunkt waren die beiden Lehrlinge G. und T. (Namen der SZ bekannt), die im Arrest randalierten. „Durch ihren Lärm wurden die anderen Lehrlinge aufmerksam und solidarisierten sich mit ihnen“, schrieb Kugler. „Die Erzieher und der herbeigeholte ABV wurden beschimpft und zum Teil bedroht.“ Am darauffolgenden Tag verweigerten die Insassinnen die Arbeit. G. und T. wurden von der Kriminalpolizei verhaftet und kamen in Untersuchungshaft nach Dresden. Kugler erstattete beim Volkspolizei-Kreisamt Großenhain Anzeige gegen die beiden 16-jährigen Mädchen wegen Rowdytum und staatsfeindlicher Hetze. In der Begründung heißt es: „Außerdem äußerten sie: ,Euch müsste man alle mit dem Messer erstechen.‘“ Ob damit die mutmaßliche Messerattacke gegen Kugler und eine Erzieherin gemeint ist, die jetzt bekannt wurde, geht aus dem Schreiben nicht hervor.

Dem Aufstand vom 29. Mai 1986 war eine Massenflucht im Januar des gleichen Jahres vorausgegangen. In allen vier Gruppen des Jugendwerkhofs Rödern waren insgesamt 32 Mädchen ausgerissen. Kugler schrieb an die Polizei: „Die gegenwärtige Situation in unserer Einrichtung ist stark instabil.“ Das resultiere zum einen aus der ungünstigen Zusammensetzung des Pädagogenkollektivs wegen Erzieherausfalls. Zum anderen sei jede Fünfte der 60 Jugendlichen aus Berlin und Potsdam, was Kugler als offensichtlich schwierig ansah.