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Den Krebs besiegt

Alexandra Richter kämpfte dank einer Stammzellenspende erfolgreich gegen die Leukämie. Es war kein leichter Weg.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Glotz nicht so blöd, ich würde jetzt auch lieber am Strand liegen. Das sollte auf ihrem Grabstein stehen, wünschte sich Alexandra Richter. Dazu ist es aber zum Glück nicht gekommen. Im Jahr 2010 änderte sich das Leben der heute 30-Jährigen komplett. Im Juni bekam sie die Diagnose Leukämie. Sie haben noch vier Wochen, sagten die Ärzte damals. Die junge Frau kämpfte, überstand die Chemotherapie und fasste neuen Mut. Gerade als sie mit der Wiedereingliederung fertig war und wieder als Friseurmeisterin ihren Kunden die Haare schnitt, kam der Krebs zurück. Diesmal sahen die Ärzte nur einen Weg, das Leben der Patientin zu retten. Eine Stammzellenspende. Über den Verein für Knochenmark- und Stammzellspenden fand sich innerhalb von drei Wochen ein Spender.

In zwölf sogenannten HLA-Merkmalen, das heißt in den Eiweißbausteinen des Knochenmarks, müssen Spender und der Kranke übereinstimmen. Um den genetischen Zwilling zu finden, reicht ein kleiner Abstrich in der Mundhöhle. Passen die Werte zusammen, geht es los. Ein großes Blutbild des Freiwilligen und eine ausführliche Untersuchung werden gemacht, erklärt Maria Freystein von dem Verein, der auf der Fetscherstraße sein Büro hat. Fünf Tage spritzt sich der Spender ein Wachstumshormon, danach wird ihm Blut entnommen. Aus diesem werden die Stammzellen herausgefiltert, der Rest dem Freiwilligen wieder in die Venen zurückgeführt.

Spenden kann grundsätzlich jeder Gesunde zwischen 18 und 55 Jahren. Regelmäßig lädt der Verein zu Typisierungsaktionen ein, zuletzt für die zehnjährige Luise. Das Mädchen ist zum zweiten Mal in ihrem Leben an Leukämie erkrankt und braucht nun dringend eine Stammzellen- und Knochenmarkspende. Dem ersten Aufruf folgten über 300 Freiwillige in die 25. Grundschule, nun soll es bald eine zweite Aktion geben. Die Familie hofft auf schnelle Hilfe für ihre kleine Tochter.

Die Stammzellenspende rettete auch Alexandra Richter das Leben. Doch die Zeit direkt vor und nach der Transplantation war hart. In der Uniklinik bekam sie eine Vorbereitungs-Chemo. Dabei wurde das eigene Knochenmark komplett zerstört, um den Körper auf die neuen, gesunden Stammzellen vorzubereiten. Diese müssen zunächst anwachsen und so schnell wie möglich die Blutbildung übernehmen. „Das Blut, das in meinen Adern fließt, ist nicht meines, das fühlt sich schon manchmal seltsam an“, erzählt die Friseurmeisterin. Nun steht auch eine andere Blutgruppe in ihrem Ausweis: 0 statt A.

Während der Chemotherapie blickte sie oft stundenlang sehnsüchtig nach draußen. Zum Lesen oder Fernsehen war sie zu erschöpft. Alexandra, die Kämpferin, war manchmal neidisch auf die Menschen, die in der Sonne saßen und Eis aßen, erzählt sie heute. Sie selbst durfte ihr Krankenzimmer nicht verlassen. Zu gefährlich war es, sich mit Viren und Keimen anzustecken. „Mein Immunsystem war quasi nicht existent“, erzählt die gebürtige Chemnitzerin. Beim Sprechen mit Besuchern trug sie einen Mundschutz, das Desinfektionsmittel ist bis heute ihr treuer Begleiter. Auch in der Zeit, als sie wieder zu Hause war. Kaufte sie eine Packung Schinken, schnitt sie ihn auf, schüttelte den Inhalt auf einen Teller, wusch sich die Hände, und erst danach legte sie ihn sich auf das Brot. „Ich war eisern mit der Hygiene, dafür blieb mir eine Lungenentzündung erspart, die viele Leukämie-Patienten das Leben kostet“, sagt Alexandra Richter.

Heute hat sie zwei Wünsche: Geht sorgsam mit eurem Körper um und achtet auf seine Signale. Und lasst euch typisieren. Sie selbst ist froh, dass sie auf die Warnsignale gehört hat. Sie fühlte sich vor der Diagnose immer schlapp, schlief schlecht, wachte wieder und wieder völlig verschwitzt auf. Unzählige blaue Flecken verbreiteten sich an ihrem Körper, auch an Stellen, wo sie sich gar nicht gestoßen hatte.

Alexandra Richter, die heute als Ehrenamtliche für den Verein für Knochenmark- und Stammzellenspenden arbeitet, kämpft um mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit. „Ohne meinen Spender würde ich in diesem Sommer nicht am Strand, sondern irgendwo unter der Erde liegen.“