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Déjà-vu am Landgericht

Nun läuft der vierte Prozess gegen die „Freie Kameradschaft Dresden“. Ein Angeklagter hat ein Geständnis angekündigt.

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© Benno Löffler

Von Alexander Schneider

Drei Jahre nach wüsten Agitationen, nach Krawallen, Übergriffen auf Polizisten, nach Angriffen auf Asylbewerber und politisch Andersdenkende hat am Donnerstag der inzwischen vierte Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Helfer der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) begonnen. Vier Männer müssen sich wegen Mitgliedschaft in beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vor einer Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden verantworten – sowie wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen und dergleichen mehr. René H. (32), ein Wachmann mit eigener Sicherheitsfirma, sitzt seit Dezember 2017 in Untersuchungshaft. Seine drei Mitangeklagten Christian L. (29), André M. (31) und René V. (34) sind alle auf freiem Fuß.

Der Prozess gegen die Dresdner sollte schon im Oktober beginnen, wurde jedoch auf den gestrigen Donnerstag verschoben, weil André M. überraschend erkrankt war. Es wird wohl ein anstrengender Prozess werden. Bis Ende Juni nächsten Jahres hat die Kammer mit den Prozessbeteiligten mehr als 50 Sitzungstage eingeplant.

Kurz nach Verlesung der Anklage folgte die nächste Überraschung. Der Vorsitzende Richter Thomas Mrodzinsky berichtete von einer geplanten Verfahrensvereinbarung im Vorfeld der Hauptverhandlung. M.s Verteidiger hoffen, dass das Verfahren gegen ihren Mandanten abgetrennt werden könnte, er sei zu einem Geständnis bereit. Die Staatsschutzkammer stellt M. eine Bewährungsstrafe in Aussicht, wenn dieser sich auch umfassend zu Vorwürfen und Mittätern äußert. Eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe, die also nicht mehr als zwei Jahre betragen kann, sei aus Sicht des Gerichts jedoch nur möglich, weil M.s Tatbeitrag am geringsten sei, so Mrodzinsky. Im Umkehrschluss lässt sich aus dieser Äußerung schließen, dass die Mitangeklagten mit deutlich höheren Strafen und Gefängnis zu rechnen haben, sollte die Kammer von ihrer Schuld überzeugt sein.

Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen erinnert stark an die drei anderen FKD-Prozesse. Beobachter sprachen von einem „Déjà-vu“, als sie die Vorwürfe hörten. So sollen sich die Angeklagten im August 2015 an den Ausschreitungen in Heidenau und an Angriffen auf Dresdner Asylunterkünfte am selben Wochenende beteiligt haben.

Gemeinsam mit den Rechtsterroristen der Gruppe Freital sollen sie im Oktober 2015 den Angriff auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Übigau vorbereitet und durchgeführt haben. M., so heißt es in der Anklage, habe sich auf dem Weg zu dem Mangelwirtschaft genannten Haus, „zurückfallen lassen“ und sei „heimlich geflüchtet“. Das könnte seinen geringeren Tatbeitrag rechtfertigen.

Darüber hinaus sollen die Angeklagten auch an den Krawallen in dem alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz teilgenommen haben. Weit über 200 Rechtsextreme und Hooligans haben dort am 11. Januar 2016 mehr als 113 000 Euro Schaden verursacht. Dort wurden etwa zahlreiche Autos demoliert und Läden verwüstet. Nach den Ermittlungen sollen die Angeklagten Ende Juli 2015 an der Gründung der FKD beteiligt gewesen sein. Es sei eine Art Bürgerwehr geplant gewesen, deren Zweck sich nicht allein auf die Teilnahme bei Pegida und anderen Demos beschränke. Auch mit Straftaten sollten Andersdenkende und Ausländer bekämpft und in Angst und Schrecken versetzt werden. Asylbewerber sollten so zur Ausreise veranlasst werden. Die FKD habe als eigenständige, rechtsextreme Gruppe wahrgenommen werden wollen, etwa auch mit eigenem Logo – einem abgeänderten Dresdner Stadtwappen – und eigener Kleidung, wie schwarz-weiß-rote Strickmützen und T-Shirts mit der Aufschrift „Dresden macht sich grade für Deutschland“.

Angesichts dieses drohenden Mammut-Prozesses hat das Gericht allen Angeklagten zwei Verteidiger beigeordnet. Die beiden Verteidiger von René H. kritisierten zum Prozessauftakt, der Staat komme seiner Fürsorgepflicht nicht nach. Ihr Mandant habe sich vor Monaten in der Justizvollzugsanstalt Waldheim verletzt, doch er sei bislang nicht behandelt worden. H.s Kreuzbandriss müsse dringen operiert werden. Das Oberlandesgericht sei bei der jüngsten Haftprüfung auf diese Verletzung nicht eingegangen. Der Prozess wird am 26. November fortgesetzt.

Seit dem Sommer 2017 wurden fünf Mitglieder der FKD am Landgericht Dresden in zwei Verfahren verurteilt. Im September 2017 begann ein drittes Verfahren gegen sechs Angeklagte, bei dem es erst vergangene Woche eskalierte. Da wurde bekannt, dass eine Schöffin mit dem Hauptangeklagten eine Affäre gehabt haben soll. Am heutigen Freitag entscheidet sich, wie die Justiz die Befangenheitsanträge gegen insgesamt vier Richter und Schöffen bewertet – und ob das Verfahren überhaupt fortgesetzt werden kann.