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„Das zweite Rennen war die Hölle“

Bei der Drachenboot-WM holte Kristin Broszio mit der Nationalmannschaft dreimal Gold. In Riesa wurde sie dafür gebührend empfangen.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Stefan Lehmann

Riesa/Priestewitz. Kristin Broszio ist Sportlerin mit Leib und Seele. Doch die Rennen in Atlanta haben auch die geübte Drachenboot-Fahrerin an ihre Grenzen gebracht, erzählt sie. Bei Temperaturen um die 40 Grad trat sie mit der deutschen Nationalmannschaft in der Stadt in den Vereinigten Staaten zur Weltmeisterschaft an. „In den ersten Trainings haben wir kaum Luft gekriegt, so heiß war es. Die Zeiten am ersten Tag gingen gar nicht.“

Umso größer war die Überraschung darüber, dass die Priestewitzerin und ihre Kameradinnen am Ende sogar mit drei Goldmedaillen zurückgekehrt sind. „Das 500-Meter-Rennen haben wir mit zwei Bootslängen Vorsprung gewonnen, da war ich geflasht.“ Die eigentliche Herausforderung sei aber die zweite Medaille gewesen. „Das zweite Rennen war die Hölle“, erinnert sich Kristin Broszio. Auf der Langstrecke über 2 000 Meter versuchte die deutsche Mannschaft lange Zeit, an den konkurrierenden Ungarn vorbeizukommen, doch das wollte einfach nicht gelingen. Schließlich ging der Steuermann volles Risiko: Mit voller Kraft fuhr die Frauenmannschaft einen weiten Bogen um das ungarische Boot, zog vorbei – und gewann. „Ich habe noch nie in meinem Leben so fest geschlafen, wie nach diesem Rennen“, sagt Kristin Broszio und lacht. Zurück in Deutschland gab es einen gebührenden Empfang durch ihre Vereinskollegen vom SC Riesa. Die hatten im Livestream mitgefiebert und standen dann am Kanuheim Spalier für die frisch gebackene Weltmeisterin.

Dass sie einmal mit Deutschland Medaillen sammeln würde, war vor 16 Jahren noch nicht absehbar. Damals kam die gebürtige Priestewitzerin über einen Spaßwettbewerb zum Drachenbootfahren. „Ich war damals Studentin an der BA in Riesa, mein Praxispartner war die Magnet“, erzählt sie. Der Riesaer Hotel- und Gastronomiebetreiber suchte noch Fahrer für ein Spaß-Turnier des SC. Also setzte sich Kristin Broszio mit ins Boot. „Das war noch einmal eine ganz andere Belastung als bei den Sportarten, die ich bisher gemacht hatte.“ Gut 16 Jahre ist das mittlerweile her. Beim Mitpaddeln im Spaßboot blieb es nicht. Über verschiedene Teams landete Kristin Broszio beim SC Riesa. Bis zu dreimal in der Woche geht es nach der Arbeit im Büro zum Training aufs Wasser, an den anderen Tagen stehen Fitness- und Einzelübungen auf dem Programm. Zehn Stunden pro Woche Sport treibe sie mindestens, erzählt Kristin Broszio. Auch eine Krebserkrankung warf die 38-Jährige nicht aus der Bahn. Für Wettbewerbe fährt die Sportlerin teils mehrere hundert Kilometer, erst kürzlich war sie zur Deutschen Meisterschaft in Essen, trat dort für einen Wuppertaler Verein ein. Die Reisekosten muss sie selbst tragen, einen Sponsor hat sie nicht.

Der Lohn für ihren Ehrgeiz kam schließlich im vergangenen Jahr, als die Nationalmannschaft anklopfte und Kristin Broszio zum Auswahlverfahren einlud. Das war extrem hart, erinnert sie sich. „Beim Bankziehen mussten wir unser eigenes Gewicht wegziehen können.“ Noch anspruchsvoller seien allerdings die Athletik-Tests gewesen. Letztendlich setzte sie sich gegen eine Reihe von deutlich jüngeren Kandidatinnen durch. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so leistungsfähig bin in meinem Alter.“ Nun hofft sie, dass das auch so bleibt. Denn im kommenden Jahr will sie erneut mit der Nationalmannschaft mitreisen. Diesmal Richtung Osten, nach Moskau – zur Europameisterschaft.