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„Das war wirklich eine heiße Zeit“

Die Wohnungsgesellschaft Freital wird 25. Geschäftsführer Michael Heinzig blickt zurück auf Höhen und Tiefen.

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© Tilo Harder

Von Tilo Harder und Annett Heyse

Freital. Die Wohnungsgesellschaft Freital, größter Vermieter in der Stadt, feiert am Freitag ihr 25-jähriges Bestehen. Rund 3 500 Wohnungen besitzt die WGF – im Altbau, Plattenbau, Neubau. Der heutige Geschäftsführer Michael Heinzig ist seit der Gründung mit dabei. Wer könnte die Entwicklung der Freitaler Wohnungsgesellschaft also besser zusammenfassen?

Herr Heinzig, wie sehen Sie den Werdegang von der Gründung bis zum jetzigen Jubiläum?

Ich würde die Zeit in drei Etappen einteilen: die 1990er Jahre, von der Jahrtausendwende bis ca. 2012 und von da bis heute. Der Zufall will es, dass sich diese Zeiträume in etwa mit unseren drei Firmensitzen decken. Es begann am Platz der Jugend in einem alten Rittergut, das in einem sehr schlechten Zustand war. Im Jahre 2002 bezogen wir als erster Büromieter das Objekt Hüttenstraße 14. Und seit 2012 haben wir unseren Sitz im einstigen Döhlener Rathaus, in dem 1921 die Gründung unserer Stadt Freital vollzogen wurde.

Freitals größter Vermieter in Fakten und Zahlen

Geschichte: Kurz nach Kriegsende wurde zunächst ein Kommunales Wirtschaftsunternehmen, kurz KWU, gegründet. 1958 wurde daraus die Kommunale Wohnungsverwaltung KWV. 1971 entstand an ihrer Stelle ein volkseigener Betrieb, der VEB Gebäudewirtschaft Freital. Das Unternehmen profitierte vom Wohnungsbauprogramm der DDR: Ende der Achtzigerjahre verfügte es über 1600 Gebäude mit fast 11000 Wohnungen und 2700 Gewerbeeinheiten. 1990 wurde aus dem VEB zunächst die kommunale Wohnungsverwaltung Freital. Anfang 1991 übernahm die Privatisierungs-, Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft den Bestand. Die Firma endete unrühmlich, 1993 wurde deshalb die Wohnungsgesellschaft Freital, kurz WGF, gegründet.

Bestand: Von den zunächst 6500 Wohnungen, die die WGF 1993 übereignet bekam, gehören ihr heute noch 3500. Im Rahmen das Stadtumbaus Ost wurden etwa 1000 Wohnungen abgerissen, um den Leerstand auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß zu senken.

Lage: Die WGF ist in ganz vielen Freitaler Stadtteilen präsent. Zu ihren Kerngebieten gehören die Plattenbaugebiete in Zauckerode (1000 Wohnungen) und Deuben-Süd (800 Wohnungen) sowie an der Schachtstraße in Döhlen (420 Wohnungen).

Mitarbeiter: Für die WGF arbeiten derzeit 31 Angestellte und neun Hausmeister sowie ein Auszubildender. Der Unternehmenssitz befindet sich seit einigen Jahren im Gründungsrathaus der Stadt Freital an der Lutherstraße.

Neubauten: Anstelle eines einstigen Dreiseithofes, der nicht mehr zu sanieren war, setzte die WGF ihr erstes eigenes Neubauprojekt. 2015/16 entstanden auf der Oststraße in Deuben zwei Mehrfamilienhäuser mit jeweils zehn Wohnungen. Die WGF investierte 3,4 Millionen Euro.

Projekte: Seit 2017 ist die WGF Eigentümer des Freitaler City Centers und kaufte neben den Gewerbeeinheiten erstmals Wohnungen zum Bestand hinzu. Das Gebäude an der Grenze von Döhlen und Deuben in zentraler Lage soll für 1,9 Millionen Euro saniert werden, die Bauarbeiten haben bereits begonnen. Es geht um eine Umgestaltung der Fassade und den Umbau der Ladeneinheiten im Erdgeschoss.

Herzenssache: Um die Ballsäle Coßmannsdorf als eines der letzten großen Veranstaltungshäuser der Stadt zu erhalten, kaufte die Wohnungsgesellschaft die Immobilie. Für eine Sanierung des Hauses werden etwa zwei Millionen Euro gebraucht. Die WGF sucht nun gemeinsam mit der Stadt und dem Betreiberverein nach Fördermitteln. (SZ)

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Wie begann alles für Sie vor 25 Jahren?

Am 3. Juni 1993 habe ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben. Die WGF wurde am 22. Juni gegründet. Am 1. Juli war dann mein erster Arbeitstag. Als EDV-Organisator hatte ich die technischen Voraussetzungen zu schaffen, dass zum Beispiel die Bearbeitung der Anträge von damals 3 000 Wohnungssuchenden und die gesetzlichen Mieterhöhungen auf ein einigermaßen kostendeckendes Niveau reibungslos vonstattengingen.

Sie wurden 1994 zusätzlich Leiter der Betriebskostenabrechnung. So etwas kannten die Mieter aus DDR-Zeiten ja gar nicht. Was gab es da für Probleme?

Für uns war es doppelt schwer. Es war die erste Abrechnung überhaupt nach gemessenen Verbrauchswerten. Zudem mussten wir diese mit neuer EDV-Technik bewältigen. Am 1. Dezember hatten wir es geschafft und rund 11 000 Abrechnungen verschickt. Aber auch für die Mieter war alles neu und deshalb zum Teil schwer nachvollziehbar. Es gab so viele Einsprüche, dass bei uns alle Treppen und Flure voller Leute waren. Das war wirklich eine heiße Zeit.

Was prägte Ihre Arbeit in den 1990er Jahren am meisten?

Besonders die umfassenden Sanierungen. Dazu gehörten der Austausch der Öfen gegen moderne Heizung, die Erneuerung von Fenstern und der Einbau moderner Bäder.

Wie begann dann der zweite Abschnitt?

Die Voraussetzungen waren denkbar schlecht. Mit 29 Prozent hatten wir den höchsten Leerstand und mit 56 Millionen Euro den höchsten Schuldenstand unserer Geschichte. Doch der wahre Tiefschlag war die Flut 2002, die uns rund zehn Millionen Euro Schaden am Bestand bescherte.

Sie wurden durch die Flut in die Geschäftsleitung „gespült“? Wie kam das?

Sie spielen auf eine Episode an, die zumindest im zeitlichen Zusammenhang steht. An einem der dramatischen Flut-Tage kam über Lautsprecher die Meldung, die Staumauer der Talsperre Malter sei gebrochen. Während alle fluchtartig das Tal verließen, habe ich noch schnell die zwei Server der WGF ausgebaut und mir unter die Arme geklemmt, um die Daten zu retten. So bin ich auf sicherer Höhe der Leisnitz Herrn Rumberg, den Geschäftsführer, auf seiner Kontrollfahrt begegnet. Vielleicht war dieses Verantwortungsbewusstsein neben meiner fachlichen Arbeit der Anstoß, dass ich bald darauf als Prokurist berufen wurde.

Und was war die Hauptaufgabe in der folgenden Etappe?

Konsolidierung. Wir mussten dafür etwa ein Viertel des Bestandes abreißen, um den Leerstand auf rund sechs Prozent zu senken. Dazu nutzten wir die Abrissförderung aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“. Für die Sanierung unseres Kernbestandes nutzten wir die Aufwertungsförderung in den Stadtumbaugebieten und sozialen Stadtgebieten. Dann mussten wir unser Personal etwa auf die Hälfte reduzieren, um Kosten zu senken. Und wir mussten Schulden abbauen, um Zinsen zu sparen. Es war eine harte und schwere Zeit mit zum Teil schmerzhaften Einschnitten. Aber wir haben alle gesteckten Ziele erreicht, weil wir einfach unsere Hausaufgaben gemacht haben.

Und dann folgte mit dem Einzug in Freitals Gründungsrathaus der dritte Abschnitt…

Nicht nur weil wir ein so geschichtsträchtiges Gebäude erhalten und als Firmensitz beziehen konnten, begann die „innovativste“ der drei Etappen. Denn sie ist der Übergang von der Verwaltung des Bestandes zur Gestaltung des Bestandes. Das zeigt sich auch daran, dass wir unseren Bestand erstmals in der Geschichte der WGF erweitert haben. Unser erster Neubau entstand 2016 an der Oststraße. 2017 kauften wir die Ballsäle Coßmannsdorf und das City-Center dazu. Es folgte die Dresdner Straße 288, eine alte Villa, die wir nun zum Ärztehaus umbauen. Wir bestreiten alle Investitionen aus Eigenmitteln, wie wir das seit 2000 erfolgreich tun. Nur so konnten wir unseren Schuldenberg abtragen und sind fit für derartige Projekte. Die Basis dafür wurde in all den Jahren vorher geschaffen, das möchte ich betonen.