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Das Rittergut Ulbersdorf und seine Besitzer

Das Schloss in Ulbersdorf soll wieder belebt werden. Doch wie haben eigentlich die früheren Bewohner dort gelebt?

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© Dirk Zschiedrich

Von Manfred Schober

Ulbersdorf. Dass das königliche Hoftheater in Dresden und seine Kapelle in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den angesehensten Kunstinstitutionen der sächsischen Residenzstadt und Deutschlands gehörten, war ein Verdienst von dessen langjährigem Generaldirektor Adolf von Lüttichau und seiner kunstsinnigen Ehefrau Ida. Sie haben es verstanden, bedeutende Künstler ihrer Zeit wie den Dichter Karl Gutzkow und den Komponisten Richard Wagner nach Dresden zu holen.

An Ida von Lüttichau erinnert eine Tafel über dem Eingang.
An Ida von Lüttichau erinnert eine Tafel über dem Eingang. © Dirk Zschiedrich

Das Leben Adolf von Lüttichaus war eng mit Ulbersdorf verbunden. Einer seiner Vorfahren, Siegfried von Lüttichau, war 1659 durch den Erwerb des Rittergutes Ober-Ulbersdorf am Rande der Sächsischen Schweiz sesshaft geworden. Sein Sohn, der Landkammerrat und spätere Amtshauptmann der Ämter Hohnstein und Lohmen, Hannibal von Lüttichau, vergrößerte seinen Besitz später durch den Ankauf des Rittergutes Nieder-Ulbersdorf (von dem Hof steht nur noch eine Scheune), des Rittergutes Prossen und des Erbgerichtes Krumhermsdorf. Als Patronatsherr der Kirche zu Ulbersdorf ließ er diese durch die Stiftung eines neuen Altars und den Anbau einer Patronatsloge verschönern. Unter der Loge ließ er für sich und seine Familie ein Erbbegräbnis anlegen. Dessen Eingang verschloss eine mit dem Lüttichauschen Familienwappen versehene Sandsteinplatte.

Ulbersdorf war lange Zeit der Hauptwohnsitz der Familie. Nachdem die Familie nach 1841 in Dresden ein Palais erworben hatte, kam sie nur noch in den Sommermonaten nach Ulbersdorf. Da sich Ida von Lüttichau wegen der reizvollen landschaftlichen Umgebung besonders gerne hier aufhielt, ließ ihr Mann 1820 das bis dahin bescheidene Gutshaus wohnlicher und durch eine Neugestaltung der Fassade und des Dachstuhls repräsentativer gestalten. Der Turm wurde jedoch erst am Ende des 19. Jahrhunderts hinzugefügt. Das Herrenhaus umgaben Parkanlagen. Eine Lindenallee führte vom Park aus zum Hutberg.

Adolf von Lüttichau hatte in seiner Jugend eine standesgemäße Erziehung und Bildung genossen. 1809 wurde er als Jagdpage am sächsischen Königshof angestellt. Als solcher folgte er nach den napoleonischen Kriegen seinen königlichen Herren in die Gefangenschaft nach Preußen. In einem in Friedrichsfelde am 18. Dezember 1814 an seine Mutter geschriebenen Briefe berichtete er von der verzweifelten Stimmung, in der sich der König und der Hofstaat damals befanden. Beim Wiener Kongress erwog man Pläne, nicht nur einen großen Teil Sachsens an Preußen abzugeben, sondern auch das Königreich wegen seiner Bündnistreue zu Napoleon ganz aufzulösen. Doch dazu kam es dann doch nicht. Im Juni 1815 konnte der König mit seinem Hofstaat wieder in Dresden einziehen. Der König belohnte die treuen Dienste seines Jagdpagen, indem er ihn 1816 zum Oberforstmeister im Forstbezirk Dresden und zum Kammerherren ernannte. 1824 berief er ihn zum Generaldirektor des Hoftheaters und der musikalischen Kapelle. Dieses Amt bekleidete er bis zum Jahre 1862.

Als Kammerherr erhielt Adolf von Lüttichau 1836 von König Anton den Auftrag, dem bayrischen König einen Besuch abzustatten. Hier besichtigte er die am 7. Dezember 1835 eröffnete Ludwigs-Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Er notierte zahlreiche Einzelheiten. Es ist anzunehmen, dass Lüttichau seinem Dienstherren über den Besuch in Fürth ausführlich berichten musste. Denn auch in Sachsen beschäftigte man sich zu dieser Zeit mit den Vorbereitungen für den Bau einer Eisenbahnlinie von Dresden nach Leipzig, die 1839 in Betrieb genommen wurde.

Seit 1818 war Lüttichau mit Ida von Knobelsdorff verheiratet. Seine Frau hatte in ihrer Jugend eine für adlige Fräuleins ungewöhnlich sorgfältige Ausbildung in verschiedenen Sprachen, der Literatur, Malerei und Musik genossen. Sie hatte auch die philosophischen Werke von Kant und Fichte studiert. Nach der Berufung ihres Mannes zum Chef des Hoftheaters und der musikalischen Kapelle setzte sie sich für viele Künstler ein, wenn es um die Aufführung ihrer Werke in Dresden oder um eine Anstellung am Hoftheater ging. Durch ihre Fürsprache wurde beispielsweise Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ uraufgeführt und dieser zum Musikdirektor bestellt. Sie war nach dem Urteil von Klaus Güntzel, einem ausgezeichneten Kenner des kulturellen Lebens in Dresden zur Zeit der Romantik, für die Künste „eine sensible Schrittmacherin und Schutzpatronin von hohen Gnaden“.

Idas von Lüttichau gehörte zu dem Teilnehmerkreis, der sich in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts gewöhnlich sonnabends, gegen 6 Uhr abends, bei dem Dichter Ludwig Tieck, in dessen Wohnung am Altmarkt in Dresden zu Leseabenden traf. Gelesen wurden Dramen und Novellen bedeutender Autoren der Vergangenheit und Gegenwart. Eine enge Freundschaft verband Ida von Lüttichau mit dem Arzt, Maler und Naturphilosophen Carl Gustav Carus. Durch „Wechselrede, Verständnis und innige Teilnahme und Anerkennung“, so Carus, förderte sie wesentlich das Entstehen seiner Schriften. Sie selbst scheute sich, ihre Gedanken zu veröffentlichen und verfügte, dass nach ihrem Tode (sie starb 1856 in Dresden ) ihre gesamter schriftlicher Nachlass vernichtet werden soll. Zu den Gästen, die die Lüttichaus auf dem Rittergut besuchten, gehörten zuweilen Mitglieder des sächsischen Königshauses, wie Tochter Auguste von König Friedrich August I. Im August 1861 besuchte die verwitwete Königin Marie mit der bereits erwähnten Prinzessin Auguste zusammen mit der Großherzogin von Toskana Ulbersdorf. Bei dieser Gelegenheit besichtigen die Gäste zusammen mit dem inzwischen zum Geheimen Rat ernannten Rittergutsherrn, die im Aufbau befindliche „künstliche Ruine“ auf dem sogenannten Goßdorfer Raubschloss. Wie einem im Archiv des Rittergutes erhalten gebliebenen Briefe des Rittergutsförsters Baldeweck zu entnehmen ist, hatte Lüttichau zuvor den Schwarzberg von einem Bauern erworben und unter teilweiser Verwendung der noch vorhandenen mittelalterlichen Mauerreste als „ Ruine“ durch den Ulbersdorfer Maurermeister Maschke wieder aufbauen lassen.

Nach dem Tode des Wolf Adolf August von Lüttichau im Jahre 1863 wechselten die Besitzer des Rittergutes in den nächsten Jahren verhältnismäßig oft. Auf seinen bereits 1889 verstorbenen Sohn Karl folgten 1890 Dietrich Curt v. Carlowitz und 1893 die Familie von Gontard. 1931 erwarb Richard Förster den Besitz. Förster war der Sohn eines erzgebirgischen Bauern. Am 8. Oktober 1945 wurde das Rittergut von der sowjetischen Kommandantur zur weiteren Bewirtschaftung der Stadt Sebnitz übergeben. Die Übereignung wurde später jedoch wieder rückgängig gemacht, da das Gut gemäß dem Gesetz über die Bodenreform zur Aufteilung vorgesehen war. Diese erfolgte am 21. Oktober 1945. Am darauf folgenden Tag wurden Förster und seine Frau verhaftet und in ein Lager auf der Insel Rügen gebracht. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.