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„Das kleine Riesenrad zieht immer“

Der Dittersbacher Jahrmarkt findet nun zum 350. Mal statt. Was aber macht noch immer den Reiz dieses Festes aus?

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© Steffen Unger

Von Thomas Möckel

Dittersbach. Es hat gerade ein wenig getröpfelt, Bernd Schleinitz wischt mit einem Tuch die hölzernen Sitzbänke in den Gondeln trocken, bis der Lack wieder glänzt. Über dem 73-Jährigen erhebt sich ein kleines Riesenrad, fünf Gondeln, zwei Motoren, von oben hat man einen guten Überblick übers Festgelände. Das Gerät ist Baujahr 1994, es ist himmelblau, rot und weiß getüncht, mit seinen goldenen Figuren und Blumenranken wirkt es aber fast wie ein Relikt aus Kinderzeiten. „Das war auch Sinn der Sache“, sagt Schleinitz, „dass es nostalgisch aussieht.“

Tradition: Jacky Walz ist seit Jahren mit seiner Schießbude in Dittersbach.
Tradition: Jacky Walz ist seit Jahren mit seiner Schießbude in Dittersbach. © Steffen Unger
Modernes: Lena Schubert wagt Neues mit ihrer Burger-Braterei.
Modernes: Lena Schubert wagt Neues mit ihrer Burger-Braterei. © Steffen Unger

Für fünf Tage hat der Schausteller aus Wurzen das Riesenrad nun auf dem Dittersbacher Jahrmarkt, es ist diesmal der 350., es gibt wenige Volksfeste mit einer derart langen Tradition. Und jedes Jahr ist der Jahrmarkt dicht bevölkert. Was aber mach den Reiz der Sause aus, an der sich über all die Jahre nur wenig verändert hat?

Für Bernd Schleinitz ist es in erster Linie der Mix aus Verkaufsständen und Rummel. Der Schausteller kennt das noch von früher, 1971 war er schon in Dittersbach, damals noch mit „Klimbim“, dem drehbaren Haus, seit zwei Jahren nun mit seinem Riesenrad. Die Händlermeile, sagt er, zieht sehr viele Menschen hierher, die dann auch auf den Rummel gehen. „Und immer, wo viele Besucher sind, bekommen wir auch etwas ab, davon leben wir ja“, sagt Schleinitz. Gewiss sei das Geschäft nach der Wende schwieriger geworden, weil es viele neue Angebote gab. Aber inzwischen suchen die Gäste wieder das Traditionelle. Und deswegen sei sein Fahrgeschäft ein echter Hingucker. „Das kleine Riesenrad“, sagt Schleinitz, „zieht immer.“ Dann schaltet er die vielen Lämpchen ein, die ersten Kinder warten schon.

Gleich nebenan hat sich auch Jacky Walz der Tradition verpflichtet. Der Spross einer Schaustellerfamilie, die schon seit 1907 über die Märkte zieht, betreibt seit 1989 eine Schießbude, in Dittersbach ist er schon seit vielen Jahren regelmäßig dabei. Viele Leute, sagt er, kommen gerade deswegen, weil Schießbuden ein wenig nostalgisch sind, und weil es viele noch von früher kennen. Oft zeigen Väter ihren Söhnen, wie sie in ihrer eigenen Jugend schon mit Luftdruckgewehren und kleinen Bleikügelchen auf Plastikröhrchen schossen. „Dieses Altbekannte ist für viele wichtig“, sagt Walz. Mittlerweile kommen aber nicht nur Väter, sondern auch die Jugend zieht es gern einmal an die Schießbude, weil sie wissen, dass es hier nicht nur Plüschtiere und Blümchen zu gewinnen gibt, sondern auch mal ein Fläschchen Bier. Natürlich, sagt Walz, sei auch für ihn das Geschäft härter geworden, es gebe viel Konkurrenz für die wenigen guten Märkte im Osten. Um sein Gewerbe macht er sich allerdings keine Sorgen. „Schießbuden“, sagt er, „gibt es sicher auch noch in 100 Jahren.“

Hinter der Schießbude hat Lena Schubert aus Dresden Stellung bezogen, sie wagt ein wenig Neues, ihr Domizil ist der „Rock’n’Rollin Food on Tour“-Bus, bei ihr gibt es Hamburger in allen erdenklichen Formen und Pommes frites. Das Auto ist verziert im Stile der 1950er-Jahre. Sie ist schon seit vielen Jahren auf dem Markt, früher mit einem herkömmlichen Imbiss, nun das erste Mal mit ihrer mobilen Burger-Küche. „ Ich hatte einfach Lust auf etwas Neues“, sagt sie, „und der Burger-Boom läuft gerade gut.“ Der Dittersbacher Jahrmarkt zieht aus ihrer Sicht so viele Gäste an, weil er auf Tradition und Bewährtes setzt, weil Markt und Rummel gut miteinander funktionieren. Aber etwas Modernes, sagt sie, könne auch nicht schaden, etwas jenseits von Bratwurst und Gulaschsuppe. Anfangs, erzählt sie, seien die Reaktionen auf ihr Angebot noch verhalten gewesen. „Aber man muss die Leute einfach anfüttern“, sagt sie. Und wer einmal einen Burger an ihrem Imbiss probiert habe, der komme nachher häufiger wieder.