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Das große Aufräumen

Eine Gewitterfront mit einer Superzelle hat große Schäden hinterlassen. Feuerwehren, Technisches Hilfswerk und freiwillige Helfer waren bis zum Sonntag im Dauereinsatz.

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© Dietmar Thomas

Von Heike Heisig, Elke Görlitz, Jens Hoyer, Eric Mittmann, Dietmar Thomas und Verena Toth

Döbeln. Das Döbelner Stadtbad muss am Sonntagfrüh geschlossen bleiben. Schwimmmeisterin Silvia Schlegel, Mitarbeiter und freiwillige Helfer arbeiten mit Hochdruck an der Beseitigung der Unwetterschäden. Verstopfte Wassereinläufe im Außengelände des Stadtbades hatten zu einem Rückstau geführt. Das Wasser stand im Saunagarten etwa 20 Zentimeter hoch, so Schwimmmeisterin Schlegel, es drückte in die Sauna und in Technikräume. Kurzzeitig fiel der Strom aus. Noch in der Nacht begannen die Mitarbeiter mit dem Aufräumen, das sie am Sonntag fortsetzten, damit das Bad am Montag wieder geöffnet werden kann. Bürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU) und Stadtwerke-Mitarbeiter waren ebenso vor Ort und halfen.

Nachwuchsfeuerwehrmann Ben-Lukas Schischke zeigt, wie hoch das Wasser in der Fahrzeughalle des FFw-Depots Waldheim gestanden hat. Zwei Fahrzeuge mussten in die Werkstatt.
Nachwuchsfeuerwehrmann Ben-Lukas Schischke zeigt, wie hoch das Wasser in der Fahrzeughalle des FFw-Depots Waldheim gestanden hat. Zwei Fahrzeuge mussten in die Werkstatt. © Verena Toth
Aufräumen in Pulsitz: Schrebitzer Feuerwehrleute spülen den Schlamm von der Straße, den der heftige Regenguss von den Feldern gespült hat.
Aufräumen in Pulsitz: Schrebitzer Feuerwehrleute spülen den Schlamm von der Straße, den der heftige Regenguss von den Feldern gespült hat. © Dietmar Thomas
Bis in die Nacht mühen sich die Kameraden wie hier die Limmritzer auf der Mastener Straße in Döbeln, um diese frei vom Dreck zu bekommen.
Bis in die Nacht mühen sich die Kameraden wie hier die Limmritzer auf der Mastener Straße in Döbeln, um diese frei vom Dreck zu bekommen. © André Braun

Schlimmer erwischt hat es wiederum den Bereich Dresdener-, St.-Georgen-, Wappenhensch- und Oschatzer Straße. Helfer schippen am Sonntag den Keller des Hauses Dresdener Straße 7 frei, das Sven Weißflog gehört. „Das provisorische Regenrückhaltebecken im Pommlitzgrund hätte womöglich die Wassermassen zurückhalten können. Doch eine große Folie hatte sich am Ablauf verhangen“, ärgert er sich. Die Stadt Döbeln hatte infolge mehrerer Überschwemmungen durch das plötzliche Anschwellen des Amselgrundbaches das Provisorium errichten lassen, um die Stadt vor Überflutung zu schützen. Dennoch wurde der Bereich wieder geflutet. Auch der Fahrrad-Salon von Frank Kehl stand abermals unter Wasser. 25 Freunde helfen ihm am Sonntag dort beim Aufräumen.

26,5 Liter Wasser in 21 Minuten

Laut Reporterangaben soll sich eine sogenannte Superzelle mit Hagel und Starkregen über Döbeln entladen haben. Florian Engelmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD) will das nicht ausschließen. „Es ist durchaus möglich, dass sich innerhalb der Gewitterfront, die von Riesa und Oschatz Richtung Döbeln gezogen ist, eine Superzelle bildete“, sagt er dem DA am Sonntag. In Döbeln sind mehr als 52 Liter Wasser pro Stunde von Privatpersonen gemessen worden. Die nächstgelegene Messstation des DWD in Oschatz zeigte laut Florian Engelmann 28 Liter pro Stunde. „Davon sind binnen 21 Minuten 26,5 Liter Niederschlag inklusive Hagel gefallen“, erklärt er.

Ab 19.58 Uhr bis Sonntag 6 Uhr waren 70 Einsatzkräfte der Döbelner Feuerwehr an 88 Einsatzstellen. Unterstützt wurden sie von zehn Helfern des THW Döbeln. Ihr dramatischster Einsatz: die Rettung von Kindern aus einer Laube. „Die vier Zwei- bis Vierjährigen befanden sich in einer Laube in der Gartengruppe Oschatzer Straße, als das Unwetter über Döbeln tobte. Dort waren sie von einer Schlammlawine eingeschlossen“, sagte Einsatzleiter Steffen Janasek. Die Kinder kamen mit dem Schrecken davon. Vor allem umgestürzte Bäume und verschlammte Straßen hielten die Feuerwehrleute auf Trab. Auch noch am Sonntag früh um 9.30 Uhr: Infolge des Unwetters stürzt ein Baum auf ein Gebäude an der Alexanderstraße, es folgt gegen Mittag ein Fehlalarm bei Möbel-Boss. „Aber wir sind vom Ordnungsamt der Stadt Döbeln mit einem Imbiss und Getränken sehr gut versorgt worden“, sagt Einsatzleiter Steffen Janasek am Sonntag kurz nach 13 Uhr. Da lagen hinter ihm und seinen Kameraden beinahe 13 Einsatzstunden.

Mindestens drei Verletzte

Als binnen kurzer Zeit der Bereich Dresdener-, St.-Georgen-, Wappenhensch- und Oschatzer Straße unter Wasser stand, fischten Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, aber auch weitere Helfer in der Schlammbrühe, um die verstopften Einläufe zu heben. Ein Helfer ist dabei laut Augenzeugenberichten von einem Auto angefahren und leicht verletzt worden. Jana Ulbricht, Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge, bestätigte, dass der 51-jährige Passant von einem Opel (Fahrer: 31) erfasst wurde und sich dabei Verletzungen zuzog. Er wurde ambulant in der Klinik behandelt. Im Schweimnitz ist am Abend ein Pkw gegen einen umgestürzten Baum geprallt. Zwei Insassen wurden bei der Kollision leicht verletzt. Nach ungesicherten Informationen sollen auch beim vorzeitig abgebrochenen Heidebergfest in Simselwitz zwei Personen durch umstürzende Bäume verletzt worden sein.

Feuerwehrdepot unter Wasser

Die Waldheimer Feuerwehrleute haben am Sonntag zunächst einmal sich selbst helfen müssen. Fast einen Meter hoch hatte das Wasser in ihrer Fahrzeughalle gestanden. Bretter, Stühle, Kleidung, alles was im Wasser war, entsorgen sie. Auch die Fahrzeuge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Der Mannschaftstransport- und der Einsatzwagen werden abgeschleppt und in die Werkstatt gebracht. Die Feuerwehrleute und ihre Familien packen mit an, um die Unwetterschäden schnell zu beseitigen und die geflutete Halle zu trocknen. Am Abend hatte die Harthaer Feuerwehr das Gebäude leer gepumpt. Auch den Keller der Grundschule pumpten die Harthaer aus. Dort stand das Wasser etwa einen Meter hoch. Die Zufahrt zum Schulgelände blockierte ein umgestürzter Baum.

Die Anwohner des Waldheimer Niedermarktes hatten statt einer Straße plötzlich einen strömenden Fluss vor der Tür. Innerhalb von etwa 30 Minuten sei die Fahrbahn komplett überflutet gewesen, die Wassermassen ließen sich nicht aufhalten. Etwa 20 Zentimeter hoch habe die Brühe gestanden. Das Wasser kam dieses Mal den Berg hinunter geschossen, Straßen wurden zum Teil unterspült. Das Regenwasser riss Schlamm, Äste und Geröll mit sich. Nach dem Unwetter griffen die Anwohner zu Schaufel und Besen und beräumten die Straße bis zum Spätabend von Schlamm und Split. „Wir hatten noch Glück, das Wasser ist nur durch den Hof geflossen. Die Praxisräume blieben verschont“, berichtet Allgemeinmediziner Peter Laub am Morgen. Auch er und seine Familie haben am Sonntag noch alle Hände voll zu tun.

Auf dem Obermarkt sorgt Esmeralda Vaz-Melo dafür, dass der Abfluss vor ihrem Eiscafé von Schlamm und Split befreit wird. „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Als sich der Himmel am Sonnabend so verdunkelt hat und plötzlich das Unwetter begann, haben wir noch schnell alles weggeräumt und konnten dann aber nur noch zusehen“, berichtet die Inhaberin des Eiscafés Venezia. Vor ihrem Restaurant bildete sich ein riesiger See. Nur wenige Zentimeter fehlten, bis das Wasser zur Tür in den Gastraum hineingeflossen wäre. Trotzdem musste sie gegen das aufsteigende Wasser kämpfen. „In der Küche und in den Toiletten wurde das Wasser durch die Abflüsse reingedrückt“, sagt sie. Zum Glück gab es keine größeren Schäden. „Ich habe die Bilder von den Hochwassern hier in der Stadt gesehen. Ich habe so sehr gehofft, dass das nicht wieder passiert“, erzählt die Gastronomin, die das Eiscafé erst im Januar dieses Jahres übernommen hat.

Straßen bleiben gesperrt

Die Kriebsteiner Straße zwischen Waldheim und Kriebethal ist unpassierbar. Eine Schlamm- und Gerölllawine hat sich den Weg zum Fluss über die Fahrbahn gesucht. Große Steinbrocken, Äste und Erde versperren den Weg. Wann die Fahrbahn beräumt werden kann, ist noch unklar. Unterspült wurde laut Polizeiangaben die Kreisstraße im Ortsteil Zunschwitz der Gemeinde Zschaitz-Ottewig. „Die Straße sackte ab. Eine Sperrung ist ausgeschildert“, so Polizeisprecherin Jana Ulbricht. „Wir werden uns das am Montag anschauen. Den Schaden wollen wir so schnell wie möglich beheben, schließlich fährt dort auch der Schulbus entlang“, ergänzt Immo Barkawitz (Freie Wähler), Bürgermeister der Gemeinde Zschaitz-Ottewig. Wie auch die B 169 waren am Sonnabendabend etliche Straßen wegen umgestürzter Bäume blockiert. So war die Wendishainer Feuerwehr auf der Verbindungsstraße zwischen Saalbach und Steina im Einsatz, um diese von einem Baum freizuräumen. Auch in Saalbach selbst musste geräumt werden. Davon abgesehen blieb Hartha jedoch verschont. „Vollgelaufene Keller gab es nicht“, sagt Wehrleiter René Greif.

Schlammlawine zieht durchs Dorf

In der Gemeinde Ostrau räumen Feuerwehrleute am Sonntag zunächst in Pulsitz. Das Wasser ist dort vom Feld gekommen, wie Bürgermeister Dirk Schilling (CDU) sagt. „Dann lief es den Bach entlang. Dort war aufgrund der Bauarbeiten am Bahndamm Holz gelagert, das von den Wassermassen mitgerissen wurde“, so Schilling. Das Holz sammelte sich in den Rohren entlang des Baches. Als diese verstopft waren, trat das Wasser auf die Straße. Auch andere Teile der Gemeinde blieben vom Unwetter nicht verschont. In Ostrau waren Keller vollgelaufen, Bäume umgefallen und die Gartenanlage gegenüber des Tierheims „Wiesengrund“ überflutet. Darüber hinaus war in Teilen des Ortes – ebenso wie in Jahna, Pulsitz und Zschochau – der Strom ausgefallen.

Licht hatten die Familien an der Jahnaer Hauptstraße am Sonnabend noch, als die Bewohner des Grundstückes 21 und viele ihrer Nachbarn zu allem griffen, womit sich Schlamm aus Garagen und Hofeinfahrten räumen ließ. „Wir tun das hier schon zum zweiten Mal“, erzählten sie. Die ersten Schlammmassen seien ziemlich überraschend gekommen. „Das zweite Mal haben wir sie über die Felder auf uns zurollen sehen“, schilderte eine der Helferinnen, während Feuerwehrleute aus Ostrau Sandsäcke verteilten, um die Grundstücke unmittelbar am Fluss zu schützen.

Schon am Sonntagabend zog die nächste Gewitterfront durch Döbeln. Dieses Mal ging das Unwetter heikel aus.