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Das Dorf der Gegensätze

Obercunnersdorf ist bekannt als Umgebinde-Ort. Es gibt aber auch Schandflecke. Die Gemeinde kann oft nur wenig tun, sagt der Bürgermeister.

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Von Romy Altmann-Kühr

Obercunnersdorf. Wenn Günther Kneschke Besuchergruppen durch den Ort führt, kommt er meist auch an dem großen Umgebindehaus der Hauptstraße 56 nahe der Kirche vorbei. „Da gehe ich lieber immer schnell vorbei“, sagt Kneschke, der einer von fünf ehrenamtlichen Gästeführern in Obercunnersdorf ist. Einige Gäste fragen aber doch danach, was denn hier los sei. Denn das stattliche zweigeschossige Umgebindehaus steht leer und bietet kein schönes Bild. Das Haus sei seit Jahren nicht bewohnt, der Eigentümer wohnt nicht hier, erzählen Obercunnersdorfer. Es steht symbolisch für die Gegensätze im Denkmaldorf, das bekannt ist für seine vielen Umgebindehäuser. Doch auch vor Obercunnersdorf macht der Leerstand nicht Halt. Von den rund 450 Häusern im Ort stehen aktuell etwa 50 leer. Als einen Grund für Leerstand und Verfall sieht Kneschke den allgemeinen Bevölkerungsrückgang. Er hat sich kundig gemacht: 1950 hatte Obercunnersdorf knapp 3 000 Einwohner, im Jahr 1990 waren es etwa 2 000. Aktuell leben 1 350 Menschen in dem Ortsteil am Nordhang des Kottmars. Heimatfreund Kneschke ist der Meinung, dass sich das Ortsbild seit 1990 trotz des Leerstands nicht verschlechtert hat. Im Gegenteil. Die allermeisten Häuser sind in Privatbesitz. Und viele werden von ihren Besitzern auch gut gepflegt. Es gibt zahlreiche schöne sanierte Häuser. Die zeigt Gästeführer Kneschke bei seinen Touren mit Obercunnersdorf-Besuchern gern. Gerade auf der Höhe des Viadukts an der Hauptstraße gebe es eine ganze Zeile schön hergerichteter Umgebindehäuser. „Die Gäste sind immer sehr angetan davon.“

Es gibt im Ort aber auch viele gepflegte Umgebindehäuser. Auch Zuzügler haben Häuser saniert.
Es gibt im Ort aber auch viele gepflegte Umgebindehäuser. Auch Zuzügler haben Häuser saniert. © tompic

Er sieht nun auch die Gemeinde in der Pflicht, für ein noch besseres Ortsbild zu sorgen – und nachlässige Hauseigentümer zu mahnen. Bürgermeister Michael Görke (parteilos) bringt es pragmatisch auf den Punkt: „Wir werden nicht jedes Umgebindehaus retten können.“ Der Gemeinde seien oft die Hände gebunden, zum einen aus finanziellen Gründen, erklärt Görke. Zum anderen, weil sich viele der Häuser in Privatbesitz befinden. Da müssten zuerst die Eigentümer in die Pflicht genommen werden. Leben sie nicht vor Ort, wird es oft schwierig, jemanden zu erreichen. So sei es auch mit der Hauptstraße 56. Droht Gefahr, etwa durch herabfallende Ziegel, darf die Gemeinde notsichern. Die Kosten muss sie dann vom Besitzer wieder eintreiben.