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„Dann spreche ich mit einer Knarre vor und baller’ rum“

Eine arbeitslose Freitalerin erreicht ihre Bearbeiterin nicht. Daraufhin ruft sie im Jobcenter Dippoldiswalde an – und droht.

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© Frank Baldauf

Von Stephan Klingbeil

Freital. Schwarze Hose, schwarze Bluse, schwarze Haare – und eine schwarze Sonnenbrille im Gesicht, die die Angeklagte aus „gesundheitlichen Gründen“, wie sie sagt, nicht abnehmen mag. Ihre zwei Krücken hatte die Freitalerin bereits abgelegt. Das Sprechen falle ihr nach einer Operation schwer. Die 55-jährige Deutsche auf der Anklagebank am Amtsgericht Dippoldiswalde lässt oft ihren Anwalt für sie antworten. Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat wird ihr vorgeworfen.

Am Morgen des 30. März vorigen Jahres fiel ihr das Reden offenbar leichter. Damals hatte sie um 8.51 Uhr beim Telefon-Serviceteam des Jobcenters in Dippoldiswalde angerufen – und einen Amoklauf angedroht. Sie werde „mit einer Knarre vorsprechen“ und „rumballern“. Im weiteren Verlauf des Telefonats soll die Angeklagte zudem laut Zeugen gesagt haben, dass sie ihre Freitaler Sachbearbeiterin „erschießen“ wolle.

Die mehrfach vorbestrafte Beschuldigte hatte die Arbeitsvermittlerin zuvor in Freital nicht erreicht. Sie war nicht da. Darüber hinaus hatte die Behördenmitarbeiterin erst kurz zuvor die Zuständigkeit für die Freitalerin abgegeben – das wusste die Angeklagte jedoch noch nicht. Die Sachbearbeiterin gab die Zuständigkeit ab, so hieß es, weil die Angeklagte sie als Ansprechpartnerin ablehnte.

Bei einem gemeinsamen Gespräch mit einem Teamleiter, habe sich die Angeklagte im Januar 2017 geweigert, mit der Frau zu reden. Auch einen Befangenheitsantrag hätte sie gestellt. „Dieser wurde dann aber abgelehnt, weil wir uns doch gar nicht persönlich kannten“, erklärt die junge Freitaler Arbeitsvermittlerin. Was ihre damalige Kundin gegen sie hatte, wisse sie nicht. Aber: Die Jobcenter-Mitarbeiterin hatte der 55-Jährigen das Hartz-IV-Geld gekürzt. Der Grund: Die gesundheitlich angeschlagene Frau sei nicht zu einen Meldetermin erschienen. „Ein ärztliches Gutachten lag nicht vor“, erklärt die Arbeitsvermittlerin.

Um zehn Prozent, also um rund 41 Euro, wurde der arbeitslosen Frau, die vor vielen Jahren eine Lehre zur Mechanisatorin begonnen hatte, der Regelsatz gekürzt. Das hatte die Frau wütend gemacht.

Laut Anwalt klage sie auch vor dem Sozialgericht. An jenem Märzmorgen wollte die Beschuldigte dann mit der Freitaler Vermittlerin wegen der Kürzung reden, nachdem ihr zwei Tage vorher an anderer Stelle ein Rückruf versprochen worden sei. Das klappte nicht. Da rief die Frau im Dippoldiswalder Jobcenter an. Erst sprach sie ganz ruhig, dann fielen die verstörenden Worte. „Ich persönlich hatte keine Angst, bei uns kommt kein Unbefugter rein“, so die dortige Mitarbeiterin. Sie und ihre 42-jährige Teamleiterin versuchten damals, die Angeklagte zu beruhigen, hörten sich ihr Anliegen an und erklärten ihr die Sanktion. „Dann sagte die Anruferin aber, dass sie die Kollegin trotzdem töten will“, erinnert sich die Teamleiterin. „Und da war das Gespräch beendet.“

„Hatte rund eine Woche lang Angst“

Die Freitaler Kollegin erfuhr kurze Zeit später von der Drohung per Telefon. „Klar hatte ich damals Angst, bestimmt eine Woche lang.“, erklärt die Bedrohte. „Vor allem dann, wenn ich das Gebäude verließ“. Aber das habe sich gelegt. Und auch die persönliche Entschuldigung der Angeklagten in einer Prozesspause nahm die Behördenmitarbeiterin an.

Das Gericht sah letztlich von einer Verurteilung ab. „Die Schuld besteht zwar, sie ist aber gering“, sagte die Richterin. Nachdem Verteidigung und Staatsanwaltschaft zugestimmt hatten, wurde das Verfahren ohne Auflagen eingestellt.