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Dampfmaschine ohne Dampf

Nach der Restaurierung läuft das museale Stück wieder. Eine Ausstellung gibt Einblicke in die Elektrifizierung der Stadt.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Horst Beyer drückt einen Knopf, und schon rasselt sie los: Die Dampfmaschine, die er in jahrelanger Arbeit mit vielen Helfern wieder in Gang gebracht hat. Bis in die 1950er Jahren lief das gute Stück noch in der Holzbiegerei und Karosseriewerkstatt Ernst Taubenheim und erzeugte dort Strom. Nicht nur der eigene Betrieb, sondern auch eine Schlosserei, eine Getränkefabrik und private Haushalte wurden damit mit Strom versorgt.

Zur alten Dampfmaschine gehört die passende historische Beleuchtung.
Zur alten Dampfmaschine gehört die passende historische Beleuchtung. © Claudia Hübschmann
Erinnerung an alte Zeiten: ein elektrischer Kinderpuppenherd.
Erinnerung an alte Zeiten: ein elektrischer Kinderpuppenherd. © Claudia Hübschmann
Reif fürs Museum sind mittlerweile auch viele dieser alten Glühlampen.
Reif fürs Museum sind mittlerweile auch viele dieser alten Glühlampen. © Claudia Hübschmann

Dann wurde sie nicht mehr gebraucht. 1957 wurden in Lommatzsch die letzten Grundstücke wie die Lahme Henne und die Taubenmühle ans Stromnetz angeschlossen.

Heute braucht die Dampfmaschine Strom, um zum Laufen zu kommen. Denn es ist eine Dampfmaschine ohne Dampf. Sie wird elektrisch angetrieben. Denn der alte Kessel ist nicht mehr da. Einen Neuen zu bauen, wäre viel zu aufwendig und zu teuer gewesen“, sagt der 70-Jährige. Das Demonstrationsobjekt, das sich in den Räumen des Malerfachbetriebes Burkhardt GmbH auf der Meißner Straße in Lommatzsch befindet, rottete jahrelang vor sich hin. Vor fast sieben Jahren begann Horst Beyer die Dampfmaschine zu restaurieren, nahm sie vollständig auseinander, entrostete und poliert die vier Ventile, machte ein Pleuel gängig. „Wir haben viel experimentiert, um die Maschine wieder zum Laufen zu bringen“, sagt er.

Dass sich die Malerfirma Burkhardt für die Restauration des alten Stückes so verdient macht, liegt auch an einem der beiden Geschäftsführer. Horst Schneider ist gelernter Elektromaschinenbauer und hat früher im Stahl- und Walzwerk Riesa gearbeitet. Ihm lag es am Herzen, dieses historische Stück der Nachwelt zu erhalten.

Wie alt die Dampfmaschine ist, weiß auch Horst Beyer nicht. 1906 wurde sie jedenfalls von einer Dessauer Brauerei gebraucht gekauft. Der Rentner schätzt, dass die Maschine zwischen 1980 und 1900 in Halle gebaut wurde.

Öffentlich zu sehen ist das gute Stück normalerweise nicht. Doch am Sonntag, dem 9. September, kann die Dampfmaschine zum „Tag des offenen Denkmals“ besichtigt werden. Horst Beyer wird Führungen machen, denn es ist weit mehr zu sehen als die Dampfmaschine. Er hat eine ganze Ausstellung zu Elektrizität in Lommatzsch zusammengetragen, so der 70-Jährige, der einst als Betriebselektriker in der heutigen Geflügelfarm in Lommatzsch arbeitete. Die Ausstellungsstücke hat er von vielen Leuten gesammelt, einige auch von zu Hause mitgebracht. „Es nützt doch nichts, wenn die Geräte bei mir zu Hause rumstehen. Die Leute sollen sehen, wie wir damals leben mussten“, sagt er. Auch das Haus, in dem er als Kind wohnte, wurde erst 1957 ans Stromnetz angeschlossen. Heute unvorstellbar. Schon wenn der Strom mal eine Stunde weg ist, bricht alles zusammen.

Zu vielen Dingen kann Horst Beyer Geschichten erzählen. Beispielsweise zu dem kleinen Puppenherd. „Weil es in Lommatzsch damals zu wenig Strom gab, wurden Elektroherde nur in absoluten Ausnahmefällen genehmigt. Das änderte sich erst in den 1970er Jahren, als das Umspannwerk in Wuhnitz in Betrieb ging“, sagt er. Dieses sei schon vor dem Zweiten Weltkrieg geplant gewesen, wurde aber erst 40 Jahre später gebaut.

Viele Ausstellungsstücke stammen auch aus einer Elektroausstellung, die 2011 anlässlich des Stadtfestes im Budenhaus gezeigt wurde. Manfred Pflug hatte sie angeregt. „Wir hatten das komplette Budenhaus belegt. Dabei entstand die Idee, die noch vorhandene Dampfmaschine der Firma Taubenheim als erster Stromlieferant in Lommatzsch der Öffentlichkeit vorzustellen“, erinnert er sich.

Die Eigentümer erklärten sich bereit, die Dampfmaschine und den dazugehörigen Raum herrichten zu lassen. „Es war ein schwieriger Weg. Mit vielen Firmen wurde zusammengearbeitet. Nur gut, dass es noch viele alte Verbindungen und Beziehungen gab“, sagt der Lommatzscher. Die Eigentümer beschafften viele Teile wie ein Holzrad, Öler, Elektromotoren und Antriebstechnik. Gottfried Grübler kümmerte sich um den Antrieb.

Über der nun rekonstruierten Dampfmaschine ist eine Zeitleiste entstanden, die den Lommatzscher Weg ins technische Zeitalter darstellt. Horst Beyer möchte, dass die Dampfmaschine und die Ausstellung nicht nur zum Tag des offenen Denkmals zu sehen ist. „Sie ist auch für den Physik- und Geschichtsunterricht geeignet“, sagt er. Auf Anmeldung bei der Malerfirma Burkhardt können Führungen vereinbart werden.

Die Dampfmaschine und die Ausstellung können am Sonntag bei der Malerfirma Burkhardt auf der Meißner Straße 24 von 10 bis 14 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt und die Führungen sind kostenlos.