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Straße wird Fall für den Gutachter

Die Oberflächenbehandlung ist schief gegangen. Baufirma und Stadt versuchen, erträgliche Zustände herzustellen. Das kostet Zeit und Geld. Wie lange noch?

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© Archiv/André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig. In der Colditzer Straße scheint der Wurm drin zu sein. Die Anwohner sind genervt, weil sie häufig mit Staub und Steinschlag zu kämpfen haben. Die Ersten kommen und fordern von der Kommune Schadensersatz, weil ablösender Teer ein Fahrrad unbrauchbar gemacht hat oder die frisch gestrichene Fassade verschmutzt ist. Doch damit nicht genug des Ärgers.

Vergangene Woche, an dem heißen Dienstag, hat sich die Oberfläche erneut verflüssigt. „Die Fachleute sprechen da von einem Bluten“, schilderte Bürgermeister Tobias Goth (CDU) am Dienstag der Presse. Begonnen habe das auf einer kleinen Fläche auf der Fahrspur vorm Aldimarkt. Das habe sich bis an die Einmündung Chemnitzer Straße gezogen. Dort meint der Rathauschef, noch schwarze Spuren zu erkennen. Nach seinen Worten haben die Mitarbeiter des Bauhofes an besagtem Dienstag rasch reagiert und die betroffenen Stellen abgesplittet. Von 15 bis 19 Uhr seien die Männer mit der Schaufel im Einsatz gewesen. Allerdings nicht das erste Mal. Schon Ende Mai hatte sich der Fahrbahnbelag bei ebenso großer Hitze abgelöst. An jenem Tag begannen die Bauhofleute mit dem Absplitten. Mitarbeiter der Firma Bausion Straßenbau-Produkte aus Landsberg, die im September 2017 die Oberflächenbehandlung vorgenommen hatten, kamen später zu Hilfe.

„Soll das nun immer so weitergehen? Diese Frage haben wir mit Frank Tschink von Bausion erörtert“, so Goth. Der Firmenvertreter sei der Meinung gewesen, dass die Behandlung 2017 und auch die folgenden Nachbehandlungen weitgehend in Ordnung waren. „Wir als Kommune haben angezweifelt, dass das Verfahren im vergangenen Jahr ordnungsgemäß angewendet worden ist.“ Zumindest in der Colditzer Straße. In der Karl-Liebknecht-Straße und auf dem Donnerberg habe es nur kleinere Beanstandungen gegeben.

Für Frank Tschink ist die Colditzer Straße in Leisnig ein Sonderfall in 20-jähriger Berufserfahrung. Er ist sich sicher, dass das eingebaute Material ohne Fehl und Tadel war. Dafür gebe es Selbst- und Fremdprüfungen. Vom Einbauzeitpunkt her sei der September der letzte günstige Zeitpunkt, die Regenperiode danach aber nicht optimal gewesen. Außerdem: „Der Splitt bleibt für gewöhnlich drei bis vier Wochen auf der Oberfläche und fährt sich in dieser Zeit ein. Von der Colditzer Straße ist er wegen der Anwohnerbeschwerden früher wieder abgekehrt worden.“ Und noch mehr kommt aus seiner Sicht zusammen. Dazu gehört auch der wahrscheinlich wenig ideale Untergrund. Auf den wird das Emulsion-Splitt-Gemisch schließlich aufgetragen. Dies alles und die in diesem Jahr extreme Hitze könnten seiner Meinung nach zu den geschilderten Ablösungen geführt haben, die sich Tschink zufolge per Domino-Effekt ausbreiten.

Doch die Kommune will genau wissen, was auf der Colditzer Straße schiefgelaufen ist. Sie will sich dem Bürgermeister zufolge ein Kostenangebot für ein Gutachten der List GmbH einholen. Dieser Firma obliege die Straßenbauüberwachung in Sachsen. Von ihrer Beurteilung erhoffe sich die Verwaltung einen Handlungsansatz, wie es mit der Colditzer Straße weitergeht. Kann die Stadt Regressansprüche geltend machen, oder bleibt sie auf den Kosten fürs Absplitten sitzen? Sind noch weitere Sanierungsarbeiten nötig, oder kommt die Straße von selbst in Ordnung, wenn sich der Splitt über den Sommer einfährt und mit der Oberfläche verbindet? Wer das Gutachten zahlt, steht noch nicht fest.

Gewiss ist, dass die Straßeneinläufe funktionieren. Anwohner hatten sich gemeldet, dass diese verklebt sind und befürchtet, dass heftiger Regen nicht ordnungsgemäß abfließen kann. Das Heben der Gullydeckel kündigte der Bürgermeister genau wie die Fahrbahnmarkierung für den Herbst an – nach gegebenenfalls nötigen Nacharbeiten, sofern das Gutachten diese empfiehlt. „Bis dahin wird das Bauhofteam beobachten, wie sich die Straßenoberfläche bei Hitze verhält und wenn nötig wieder Splitt aufbringen“, kündigte der Bürgermeister an. Material sei auf dem Bauhof am Donnerberg eingelagert. Das Einhalten der nach dem Nachsplitten nötige Geschwindigkeitsreduzierung soll das nächste Mal kontrolliert werden. Weil Kraftfahrer die letzten Male die 30 Stundenkilometer häufig ignoriert haben, ist viel Staub und Splitt aufgewirbelt worden. Das hat bei den Anwohnern und Nutzern für massiven Ärger gesorgt.