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Ciao Facebook – ein sozialer Spagat

Marlene Bindig blendet 4 500 Follower erst einmal aus. Weshalb sich die frühere deutsche Meisterin im Bodenturnen aus sozialen Netzwerken zurückzieht.

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© c by Matthias Rietschel

Von Alexander Hiller

Ist das nur ein Trend oder einfach nur eine logische Entwicklung? Immer mehr junge Menschen, so zumindest der Eindruck, wenden sich von virtuellen Plattformen ab. Aus verschiedenen Gründen. Auch Marlene Bindig ist diesen Schritt gegangen. Dabei steht die deutsche Sensationsmeisterin im Bodenturnen von 2015 keineswegs ungern im Rampenlicht. Bis zu 4 500 Follower hielt die 21-Jährige über ihren Insta-gram-Account mit neuen Fotos auf dem Laufenden. Hier ein Selfie, da ein Posing – das war auch die Welt von Marlene Bindig.

Doch das ist jetzt vorbei. Sie hat ihre Profile auf jenem Portal und bei Facebook gelöscht. Was eng mit der Neuausrichtung ihres Lebens verknüpft ist. Vor einem Jahr beendete sie ihre Laufbahn als Turnerin beim Dresdner SC und startete ein Management-Studium für Tourismus, Sport und Event in Bozen, Südtirol. „Ich habe gemerkt“, sagt sie, „dass ich beim Lernen nicht vorankomme. Ich habe mich in den sozialen Netzwerken ganz schön verloren und auch erkannt, dass mich das immer mental total runtergezogen hat.“

Vor allem, dass die meisten ihrer Ex-Kolleginnen ihre Sportkarrieren auch virtuell regelmäßig befeuern, bohrte sich wie ein Stachel in Bindigs Bewusstsein. „Wenn man seinen Sport total vermisst und dann sieht, dass andere die ganze Zeit vorwärtskommen, wird man halt traurig. Mein Sport hat mir ja schließlich 16 Jahre lang Spaß gemacht“, sagt sie. Dennoch trauert sie der bewussten Entscheidung für die Karriere nach der Sportlerlaufbahn nicht nach. „Mir fehlt das Turnen an sich sehr, aber nicht der Hochleistungssport. Es fehlt mir nicht, ständig an meine Grenzen oder darüber hinaus zu gehen. Was mir natürlich fehlt, ist, in einem wunderschönen Funkelanzug auf der Bodenmatte zu stehen und meine Übung zu performen.“

Facebook habe sie ohnehin nur unregelmäßig genutzt. „Das war eine reine Ablenkung, das hat mein Leben nicht bereichert. Ich fand es nur konsequent, da auszusteigen“, betont die Studentin, die aber zugibt: „Manchmal würde ich mir gern ein bisschen die Zeit vertreiben, aber es fehlt mir an nichts. Ich fühle mich nicht abgeschnitten von der Welt oder dass ich etwas verpassen würde. Im Gegenteil: Vielleicht sieht man dadurch etwas mehr davon.“

Heute kann die gebürtige Dresdnerin darüber schmunzeln, wie sich Mitmenschen verbiegen, um das optimale Foto für die virtuelle Welt zu schießen. „Mir ist es fast schon ein bisschen peinlich, dass ich auch so war. Man sieht sich in der Verpflichtung, immer wieder etwas zu posten, immer bessere Bilder zu machen, Fotos zu bearbeiten. Das vermisse ich wirklich nicht“, bekräftigt sie. Eine Rückkehr ins virtuelle Leben lässt sich Marlene Bindig aber offen. „Auch, um mit Studienkollegen Kontakt zu halten. Darauf lege ich meinen Fokus – nicht mehr auf dieses extreme perfektionierte Selbstdarstellen.“

Ihre wiedereroberte Freiheit nutzt sie für Reisen zu ihrem Freund nach Madrid, der dort International Management studiert, oder um einfach mal durch den Wald zu joggen. „Das ist ein befreiendes Gefühl, da kann ich die Seele richtig baumeln lassen“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich Zeit in etwas Neues investieren und mich ganz anders kennenlernen kann. Vielleicht kristallisieren sich andere Dinge heraus.“

Und tatsächlich öffnen sich nun plötzlich andere Betätigungsfelder. Vor knapp zehn Tagen fragten die Veranstalter des „Turniers der Meister“ von Cottbus bei Bindig nach, ob sie gemeinsam mit Ronny Ziesmer die Experten-Moderation bei dem Turn-Weltcup übernächstes Wochenende übernehmen wolle. „Ich war superstolz, dass mir so etwas zugetraut wird. Ich habe direkt zugesagt, ich freue mich sehr darauf und bin schon ganz schön aufgeregt.“