Merken

Chinesen kaufen Flugplatz nicht

Der Grund erscheint manchem fadenscheinig. Die IG Metall ist gelassener und rät, besser das Vorhandene zu sichern.

Teilen
Folgen
© Rolf Ullmann

Von Frank-Uwe Michel und Michael Rothe

Rothenburg.Das Schreiben von Li Jingyu an das Landratsamt in Görlitz ist freundlich, zweisprachig, aber eindeutig – und es trifft die Lausitz einmal mehr ins Mark. „Unter Berücksichtigung und Abwägung dieser Faktoren haben wir uns entschieden, das Grundstück in Rothenburg O/L nicht zu kaufen“, schreibt der Vorstandschef des chinesischen Autozulieferers Beijing WKW Automotive Parts Co. Ltd. Vorbei der Traum von der Milliardeninvestition, von einer Elektroautofabrik am Flugplatz Rothenburg und bis zu 1 000 neuen Jobs. Nun steht die ohnehin strukturschwache Region an der polnischen Grenze mit leeren Händen da. Als wären die Schließungspläne von Siemens für sein Görlitzer Turbinenwerk, die Pleite des Waggonbaus Niesky und die Unwägbarkeiten um die Zukunft von Bombardier nicht schon Unheil genug.

Oh je“, stöhnt Markus Paul, Inhaber der gleichnamigen Rothenburger Werbeagentur, die ihren Sitz auf dem Flugplatzgelände in Richtung Lodenau hat. „Das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Davon hätten wir alle profitiert. Die Wirtschaft wäre in allen Bereichen angekurbelt worden – angefangen von Baufirmen bis zur Werbebranche.“ Paul empfindet die Absage der Chinesen als „Schlag ins Gesicht“. Denn: „Es ist ja nicht das erste Mal, dass langfristig avisierte Investitionen nicht zustande gekommen sind.“

Rothenburgs Bürgermeisterin Heike Böhm hat die Nachricht am Dienstagvormittag von Landrat Lange persönlich bekommen. „Ich war traurig. Für unsere Region wäre eine wirtschaftliche Ansiedlung in dieser Größenordnung ein Segen gewesen. Auch die Entwicklung unserer Stadt hätte einen kräftigen Schub erhalten.“ Rothenburg könne sich dennoch freuen, eine so große Gewerbefläche zu haben, denn in dieser Größenordnung sei sie eine Rarität. Zudem habe man ein deutschlandweites Presseecho erfahren, so Böhm. Schon jetzt gebe es Anfragen. Sie sei „überzeugt, dass diese Gewerbefläche in naher Zukunft ihre Interessenten finden wird“.

Im Landratsamt war man von der Absage überrascht, erst recht von der Begründung, der zur Verfügung stehende Platz sei mit 250 Hektar zu klein. Ursprünglich hätten die Chinesen eine Fläche von 150 Hektar angefragt, woraufhin ihnen mehrere Varianten angeboten worden seien, hieß es. Landrat Bernd Lange hatte die Chinesen vor wenigen Tagen zu einer Entscheidung bis Ende Februar gedrängt und von zwei weiteren Investoren gesprochen. Ein unkluges Ultimatum?

Der WKW-Chef geht in seinem Schreiben nicht darauf ein, dokumentiert aber noch einmal den Hergang der Verhandlungen seit Unterzeichnung der Absichtserklärung vom 13. April 2017 zum Kauf eines 354,5 Hektar großen Industriegrundstücks. Davon sei knapp die Hälfte bebaubar, für die Erweiterungsoption für 84 Hektar müsse Baufreiheit geschaffen werden – und es gebe 108 Hektar, auf denen Photovoltaik-Anlagen stehen und für die keine geeigneten Ersatzflächen gefunden werden konnten. Darüber hinaus könne der Ausgleichsbetrag an den Investor jener Anlagen für eine Verlagerung nicht vom Zweckverband für den Flugplatz oder vom Freistaat Sachsen übernommen werden, heißt es in dem Schreiben, das der SZ vorliegt. Zwar habe man sich wiederholt getroffen, um eine Lösung zu finden, „jedoch bringen sämtliche Varianten noch Ungewissheiten mit sich und sind auch ungeeignet für die Planung des zu erbauenden Werks“.

Noch im November hatte sich Sachsens früherer Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) auf seiner China-Reise für die Ansiedlung stark gemacht – und war optimistisch zurückgekehrt.

Für Jan Otto von der IG Metall Ostsachsen ist die Absage aus Fernost weniger dramatisch – auch im Vergleich zum erklärten Aus für das Siemens-Werk in Görlitz. „Ich habe die Sache schon immer nüchtern gesehen“, sagt der Gewerkschafter. „Die Fabrik war ja noch gar nicht da.“ Klar sei es für die Region erneut ein schlechtes Zeichen, zumal durch solche Botschaften immer mehr Jugendliche die Lausitz verlassen würden. „Alle, die auf die Milliardeninvestition mit unklaren Arbeitsverhältnissen spekuliert haben, sollten sich endlich auf das besinnen, was da ist“, appelliert er. Die vorhandene Substanz zu verteidigen und wettbewerbsfähig zu machen, sei besser, als vagen Versprechungen über Neues nachzuhängen. Und: Die Imagekampagne „So geht Sächsisch“ passe immer weniger.