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Bürgerrat unterstützt Zuckerfest

Es geht nicht ums Geld, sondern darum, Stellung zu beziehen. Die Diskussionen in Görlitz sind deshalb nicht kleiner. Im Gegenteil.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Susanne Sodan

Görlitz. Jens Wesenberg wäre wahrscheinlich auch privat zum Zuckerfest übernächstes Wochenende gegangen. Nun geht er auch in seiner Funktion als Bürgerrat der Innenstadt-Ost hin. Ihn begleiten wird Bürgerrätin Sylvia Buttler. Das ist die Entscheidung einer langen Sitzung am Dienstagabend: Der Bürgerrat Innenstadt-Ost wird sich beim Zuckerfest einbringen. „Wie genau, müssen wir uns jetzt überlegen“, sagt Jens Wesenberg. Vielleicht mit einem Stand oder einer anderen Aktion.

In der Bürgerratssitzung am Dienstag ging es um die Projektideen für den Stadtteil dieses Jahr. Über 16 Vorschläge, die die Bürger eingereicht haben, wurden diskutiert und abgestimmt: von einer Tischtennisplatte im Stadtpark bis zum Bürgerpicknick. Knappe  9  900 Euro hat der Bürgerrat Innenstadt-Ost für die Bürgerprojekte zur Verfügung. Ein Vorschlag lautete: Unterstützung des Zuckerfestes auf dem Wilhelmsplatz am 16. Juni. Aber ums Geld ging es gar nicht. Knapp zwei Wochen vor dem Fest musste die Finanzierung geklärt sein und steht nun auch, sagt Christian Thomas vom Second-Attempt-Verein, der das Fest mitorganisiert. Stattdessen ging es um die Frage: Soll der Bürgerrat das Fest inhaltlich unterstützen? Wie unterschiedlich die Meinungen der Anwohner dazu sind, zeigte sich bereits in SZ-Beiträgen zu dem Thema sowie in den sozialen Netzwerken, wo die Debatte entgleiste und selbst meinungslose Berichte, je nach Standpunkt, heftig angefeindet wurden. Wie unterschiedlich auch die Meinungen der Bürgerräte selbst sind, zeigte sich in ihrer Abstimmung zum Schluss: zwei Ja-Stimmen, eine Nein-Stimme, eine Enthaltung.

Ein Ergebnis, das Katrin Treffkorn sicher gut findet. Die Bürgerin der Innenstadt hatte schon in der Sitzungsdiskussion klargemacht: Sie fände es eine starke Leistung, wenn sich der Bürgerrat für das Zuckerfest positioniert, egal welche Summe dahintersteht. Sie sieht die Veranstaltung als ein gemeinsames Fest, das Integration befördern und bei dem man auch ein Zeichen für Weltoffenheit setzen kann. In diese Richtung argumentierte auch Joachim Trauboth. Wenn man eingeladen ist, warum sollte man nicht hingehen, fragte er. Als Integrationsbeauftragter der SPD weiß er, wie schwierig das Thema Integration ist. Warum sollte man es noch verkomplizieren und Konflikte schüren, indem man Einladungen ausschlägt? Zumal das Zuckerfest kein religiöses Fest sei. Für die Aussage erntete Trauboth Gegenwind. Klar habe das Zuckerfest einen religiösen Hintergrund, als Abschluss des Fastenmonats Ramadan, sagten andere. Aber: „Es wird keine religiösen Riten geben“, erklärte Trauboth. Es soll ein Fest für alle sein. Eine gute Gelegenheit, sich kennenzulernen und auch seine Fragen loszuwerden.

Ein Bürgerrat soll neutral bleiben, sagte dagegen Matthias Jäkel. Das Zuckerfest sei ein religiöses Fest. Und eines, das sehr polarisiere in der Stadt, das auch parteipolitisch diskutiert wird. „Als Bürgerrat möchte ich mich weder religiös noch parteipolitisch einspannen lassen“, erklärte Jäkel. Ob man als Feiernder teilnimmt oder nicht, sieht er als eine persönliche Entscheidung. „Damit habe ich auch keine Schwierigkeiten.“ Sich aber aktiv als Bürgerrat einzubringen, „das überfordert mich“. Das ist eine generelle Frage, die er stellt: Wen soll der Bürgerrat unterstützen, wen nicht? Wo ist die Grundlage für diese Entscheidung? Matthias Jäkel sieht dabei religiöse als auch deutlich parteipolitische Veranstaltungen als schwierig. Er findet, der Bürgerrat sollte versuchen, die Mitte in den Ansichten aller Stadtteilbürger finden.

Unterschiedliche politische wie religiöse Ansichten gehören zur Stadt aber dazu, argumentierte Linken-Stadtrat Thorsten Ahrens. „Wir sollten uns nicht separieren“, sagte er. Kritisch sieht aber auch Norman Knauthe die Frage, ob sich der Bürgerrat einbringen soll. Die Räte, sagt er, haben eine Vertreteraufgabe. Eine schwierige Aufgabe, mit Blick auf die stark gespaltene Meinung der Anwohner. Fällt die Entscheidung auf „Ja, wir beteiligen uns“, würden sich die bestätigt sehen, die zum Zuckerfest stehen. Wer das Fest kritisch sieht, würde sich dann aber nicht vertreten fühlen. Und andersrum. Warum sie zu den Kritikern gehört, erklärte eine junge Frau, die am Wilhelmsplatz wohnt. Sie verwies auf den ohnehin schon hohen Lautstärkepegel auf dem eng bebauten Platz. Warum muss zusätzlich noch das Zuckerfest dort stattfinden, fragte sie. Die Entscheidung habe sie auch überrumpelt. Der Theaterplatz, wo das Fest vergangenes Jahr stattfand, sei doch auch im Zentrum. Die plötzliche Diskussion um die Lautstärke könnte sie nicht recht nachvollziehen, hielt eine andere Bürgerin dagegen. Würde es um irgendein anderes Fest auf dem Wilhelmsplatz gehen, würde die Diskussion kaum so heftig geführt werden, vermutet sie.

Auch wenn der Wilhelmsplatz nun feststeht, die Frage, ob es der optimale Ort für das Zuckerfest ist, bleibt. Es soll ein Familienfest sein, ein Fest für Kinder. Die vielleicht auch keine leichte Vergangenheit hinter sich haben. Für sie soll es ein schöner Tag sein. Aber lässt sich das auf dem Wilhelmsplatz gut umsetzen? Rund um den Platz rollt Verkehr. Und die Grünfläche soll laut den Veranstaltern auch nicht vom Festgeschehen betroffen sein. „Eine Bürgerdiskussion zum Standort vorab wäre sinnvoll gewesen“, sagt Matthias Jäkel.