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Brutaler Raub erneut vor Gericht

Eine Frau aus der Nähe von Zittau muss sich seit Donnerstag in Bautzen zum zweiten Mal verantworten.

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© Symbolfoto: Volker Hartmann/dpa

Von Jens-Rüdiger Schubert

Als eine zierliche junge Frau am Donnerstag um 13 Uhr den Gerichtssaal des Landgerichts Bautzen betritt und auf der Anklagebank Platz nimmt, kann man kaum glauben, dass sie, nur um an Geld zu kommen, einen versuchten Mord begangen haben soll. Tatsächlich verlief das Leben der Täterin lange in geordneten Bahnen. Aufgewachsen in Zittau, Realschulabschluss, sogar Fachhochschulreife und eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin. Nachdem sie einige Jahre in einem Büroservice in Görlitz gearbeitet hatte, begann sie beim Arbeiter-Samariter-Bund eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Dort lernte sie auch ihren Freund kennen, zog nach Görlitz und bekam mit ihm ein Kind. Nicht nur die Beziehung ging in die Brüche. Da sie ihrem Ex nicht jeden Tag über den Weg laufen wollte, lehnte sie einen Arbeitsplatz ab. Doch dass sie auch ihre Tochter verlor, war wohl das einschneidendste Ereignis in ihrem Leben. Auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung wurde ihr das Kind weggenommen und dem Vater zugesprochen. Als das im Gerichtssaal angesprochen wird, brach die Frau, die inzwischen wieder bei Zittau wohnt, in Tränen aus.

Nachdem sie alles verloren hatte und ohne Arbeit war, lernte sie einen Zeitsoldaten aus der Nähe von Zittau kennen. Sie spielte ihm vor, beim ASB zu arbeiten. Dabei ging sie sogar so weit, dass sie in ASB-Kleidung abends nach Görlitz fuhr und im Auto übernachtete. Der finanzielle Druck wurde dadurch nicht kleiner, im Gegenteil. Am 13. Oktober 2016 sagte sie ihrem Freund, dass sie einen Bausparvertrag auflösen würde. Aber den gab es nicht. So kam es, dass sie am 18. Oktober wieder in Arbeitskleidung nach Görlitz fuhr, wieder im Auto übernachtete und einen Entschluss fasste: Sie wollte eine damals 85-jährige aufsuchen. Aus ihrer Ausbildungszeit wusste sie, dass die Rentnerin immer Geld zu Hause hat. Nachdem sie bei ihr geklingelt hatte, überzeugte sich die alte Dame am Fenster davon, dass es sich um eine Mitarbeiterin des ASB handelte und öffnete die Tür. Zunächst versuchte die Zittauerin ihr Opfer abzulenken. Als sie damit keinen Erfolg hatte, ergriff sie eine etwa 50 Zentimeter lange Schnur, trat von hinten an das ahnungslose Opfer und legte sie ihr um den Hals. Anschließend drosselte sie die Seniorin so lange, bis der Kopf zur Seite kippte und Blut aus dem linken Ohr und dem Mund trat. Dann nahm sie die Geldbörsen mit rund 140 Euro. Um die Tat zu verschleiern, entschloss sie sich, einen Brand zu legen, löschte ihn aber wieder, weil sie nicht wollte, dass das ganze Haus in Flammen aufgeht. Danach fuhr sie zum Berzdorfer See, entsorgte die Geldbörse, kaufte Lebensmittel und fuhr nach Hause. Nachdem sie die Wohnung verlassen hatte, kam das Opfer zu sich und holte Hilfe. Die Seniorin musste sechs Wochen im Krankenhaus bleiben.

Am 26. Oktober wurde die junge Frau verhaftet und am 20. März 2017 vom Landgericht Görlitz zu acht Jahren Haft verurteilt Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil wieder auf. Am ersten Prozesstag der neuen Verhandlung in Bautzen wurde das Urteil und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verlesen. Die Zittaurin saß die ganze Zeit mit gesenktem Kopf, ruhig, aber nicht gelassen auf der Anklagebank. Der neue Prozess dreht sich um die Frage, ob es sich bei der Tat um einen vollendeten Versuch gehandelt hat. Der vorsitzende Richter hat bereits darauf hingewiesen, dass es auch ein versuchter Raub - und weil das Opfer hätte sterben können - mit Todesfolge in Betracht kommen kann. Das Verfahren wird am 13. Juni fortgesetzt.