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Braucht Bautzen die Videoüberwachung?

Sachsen will Kommunen beim Kauf von Kameras unterstützen. Bautzens Politiker setzen eher auf andere Maßnahmen.

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© dpa/Jan Woitas

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Bautzen. Wachsame Kamera-Augen haben seit Kurzem im Chemnitzer Stadtzentrum das Geschehen auf Straßen und Plätzen im Visier. Von der Videoüberwachung erhofft man sich mehr Sicherheit. Rund 850 000 Euro hat sich die westsächsische Stadt das System aus mehr als 30 hochauflösenden Kameras kosten lassen. Ein Zuschuss kam vom Freistaat. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat derweil angekündigt, auch andere Kommunen bei der Anschaffung von Technik zur Videoüberwachung unterstützen zu wollen.

Kommt damit das Thema nun auch in Bautzen wieder auf den Tisch? Nach den Auseinandersetzungen auf dem Kornmarkt im Herbst 2016 hatte der Stadtrat über verschiedene Strategien diskutiert, wie die Situation auf dem Platz unter Kontrolle zu bekommen wäre. Neben einem Alkoholverbot kam damals auch das Thema Videoüberwachung zur Sprache, wurde aber dann nicht weiter verfolgt.

Und heute? Sprechen sich Stadträte mehrerer Fraktionen eher gegen Kameras aus – trotz des Angebotes finanzieller Unterstützung durch den Freistaat. SPD-Fraktionsvorsitzender Roland Fleischer etwa sieht für Bautzen keinen Bedarf, Straßen oder Plätze mit Kameras zu überwachen, auch auf dem Kornmarkt nicht. „Das wäre völlig überzogen“, sagt der pensionierte Polizeihauptkommissar. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Videoüberwachung in Bautzen rechtlich nicht zu begründen.

Auch Mike Hauschild von der FDP ist „sehr, sehr skeptisch“. Er sieht Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis. Aufnahmen von Überwachungskameras könnten zwar bei der Aufklärung von Straftaten helfen. Hauschild verweist auf den Fall des U-Bahn-Schubsers, der in Berlin eine Frau eine Treppe hinuntergetreten hatte und durch Videoaufnahmen identifiziert werden konnte. Aber zur Verhinderung von Straftaten tauge die Überwachung nicht, wie dasselbe Beispiel ja belege. Zudem könne immer nur ein bestimmter Bereich erfasst werden. Statt Kameras hält Hauschild daher die Präsenz der Polizei für viel wirkungsvoller, um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen. Außerdem: „Bautzen ist nicht so kriminell wie Berlin.“

Auch CDU-Fraktionschef Karsten Vogt setzt lieber auf Polizeipräsenz. Videoüberwachung führe doch eher dazu, dass sich Kriminalität dann auf andere Plätze verlagere. Vogt sieht daher in Kameras „nicht das Mittel meiner Wahl. Aber wenn wir an Grenzen kommen, müssen wir auch darüber reden.“ Derzeit sehe er dazu aber keine Veranlassung. Er würde jedoch generell gern wissen wollen, was die Bautzener von einer Überwachung öffentlicher Plätze halten.

Erzieherischer Effekt

Karl-Heinz Lehmann vom Bürgerbündnis Bautzen spricht sich schon mal klar für die Videoüberwachung aus. „Das schadet niemanden. Und die Sicherheit, die wir dadurch bekommen“, sei viel wertvoller als etwaige Nachteile. Zumal die Aufnahmen ja nach einer bestimmten Frist wieder gelöscht würden. „Mich würde es jedenfalls nicht stören, wenn ich beim Gang über den Kornmarkt gefilmt werde“, sagt Lehmann. Er könne sich dort eine Überwachung gut vorstellen, die nötigen Kameras könnten aus seiner Sicht am Museumsgebäude angebracht werden, das ja der Stadt gehöre.

Auch zwei, drei andere Stellen in Bautzen, wie etwa der Hauptmarkt, kämen seiner Meinung nach für eine Videoüberwachung infrage. Wenn der Freistaat die Anschaffung der Technik bezuschussen wolle, würde er dieses Angebot nicht ausschlagen. Lehmann erhofft sich von einer Videoüberwachung nicht nur ein Mehr an Sicherheit, sondern auch weniger Schmierereien, weniger zerschlagene Flaschen – kurz: einen erzieherischen Effekt für mehr Sauberkeit. „Wir haben einen Nachholbedarf an Anständigkeit.“

Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) hat von der Sache her nichts gegen Videoüberwachungen: „Ich vergleiche solche Maßnahmen gern mit dem Placebo-Effekt – das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen erhöht sich, und es gibt keine Nebenwirkungen.“ Allerdings sieht er für Bautzen keinen Bedarf und keine rechtliche Grundlage: „Bautzen ist kein Kriminalitätsschwerpunkt in Sachsen“, so Ahrens. „Und die Lage auf dem Kornmarkt und dem Theatervorplatz haben wir dank der Arbeit von Polizei und Streetworkern, aber auch durch viele öffentliche Diskussionen gut im Griff.“