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Erst mal Quarktorte nach dem Schock

Nachdem die Feuerwehr abgerückt war, kamen die Bäcker zurück: Es geht weiter bei der Bäckerei Tschirch in Ober-Neundorf.

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Görlitz. Michael Tschirch ist offenbar hart im Nehmen. Er wollte am Sonntagabend nicht im Krankenhaus bleiben, er wollte heim nach Ober-Neundorf, „es waren so viele Dinge zu regeln“, sagt der Bäckermeister. Eines dieser Dinge: Würde der Bäckereibetrieb weiterlaufen können oder nicht? Er konnte. Ein Elektriker hat die Backstube am späten Sonntagabend freigegeben. Und so begannen gegen Mitternacht Tschirchs Bäcker wieder mit ihrem Handwerk. Und am nächsten Morgen, am Montag, sah dann alles aus wie gewöhnlich bei der Ober-Neundorfer Bäckerei: Die Tafel vorm Eingang der Filiale preist Quarktorte und Zupfkuchen an. Drinnen riecht es, wie es in einer Bäckerei riecht, immer ein bisschen nach Weihnachten.

In den Privaträumen der Familie oben unterm Dach geht dagegen erstmal gar nix mehr, dort herrscht derzeit noch Brandchaos.
In den Privaträumen der Familie oben unterm Dach geht dagegen erstmal gar nix mehr, dort herrscht derzeit noch Brandchaos. © pawelsosnowski.com
Die Kameraden mussten einen Teil des Daches entfernen, um die Brandherde löschen zu können.
Die Kameraden mussten einen Teil des Daches entfernen, um die Brandherde löschen zu können. © Danilo Dittrich

Aber je weiter man sich im Haus nach hinten bewegt, je mehr Stufen man hinauf ins Obergeschoss steigt, desto mehr kommt ein anderer Geruch durch: Es hat gebrannt bei der Bäckerei Tschirch. Und unterm Dach sieht es überhaupt nicht normal aus, sondern nach Brandchaos. Die Görlitzer Berufswehr und alle Görlitzer Ortswehren waren am Sonntag mit 39 Kameraden im Einsatz, der bis in die Nacht hinein dauerte. Gegen 23.30 Uhr endete die Brandsicherheitswache – und kurz darauf gingen die Bäcker wieder ans Werk.

Sechs Filialen hat die Bäckerei Tschirch in der Oberlausitz, die wichtigste ist die in Ober-Neundorf. Zum einen deshalb, weil die Familie Tschirch hier selber wohnt, in den oberen Geschossen. Zum anderen befindet sich in dem Ober-Neundorfer Gebäude nach hinten raus die Backstube. Von dem Brand betroffen sind vor allem Tschirchs Privaträume. „Das Wohnzimmer, das Schlafzimmer, die Küche, der Flur“, zählt Michael Tschirch auf. Seinem Sohn war als Erstem aufgefallen, dass etwas nicht stimmte am Sonntagnachmittag, Er hielt sich ganz oben in dem mehrstöckigen Dach auf. „Er kam runter zu uns und sagte, es würden Ziegel vom Dach fallen.“ Die Familie lief nach draußen. Tatsächlich fielen mehr und mehr Ziegel vom Dach. „Und von unten konnten wir sehen, wie der Qualm unter den Schindeln hervordrang“, erzählt Michael Tschirch. „Ich habe gemerkt, wie machtlos ich eigentlich bin.“ Im Haus mit Bäckerei befinden sich zehn Feuerlöscher, aber keiner nützte in dem Moment etwas. Denn an die Brandquelle ganz oben im Dach kam Tschirch nicht ran. Möglicherweise kam es beim Schornstein zu einer starken Erhitzung und zu dem Brand. Ob das zutrifft, muss jetzt die Polizei untersuchen.

Um 14.47 Uhr am Sonntag ging der Alarm bei der Feuerwehr ein. Mit 39 Kameraden und acht Fahrzeugen rückte sie an. Mit schwerem Atemschutz und über zwei Drehleitern gingen die Kameraden an die Brandbekämpfung. Es war übrigens die Feuerprobe für die neue Drehleiter, die erst Ende voriger Woche eingeweiht wurde. Ausgebrochen war der Brand, steht man vor der Filiale, linkerhand im Dach und habe sich weiter nach rechts in Richtung der Backstube bewegt, erklärt Uwe Restetzki, Leiter der Berufswehr Görlitz. Das Dach musste teils großflächig geöffnet werden, um das Feuer zu stoppen, erklärt er. Mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung mussten sogar sechs Menschen zur Überprüfung ins Krankenhaus, fünf Mitglieder der Familie und eine Feuerwehrkameradin.

Um 21.38 Uhr war der Feuerwehreinsatz beendet, danach war noch die Brandsicherheitswache vor Ort. Der Backstube war direkt durch das Feuer nichts passiert. Die Frage war aber, ob übers Dach dennoch viel Wasser eingedrungen war. Wasser und elektrische Geräte wie Backofen und Kältetechnik, das verträgt sich nicht. Am Ende gab ein hinzugerufener Elektriker grünes Licht. Michael Tschirch war das sehr wichtig. Das Durcheinander, das ein Ausfall bedeutet hätte, die Unsicherheit bei den Kunden – Tschirchs beliefern auch Hotels und Krankenhäuser –, am Ende vielleicht gar Lohnausfälle für seine 45 Angestellten, das wollte er alles nicht. Lieber halt weitermachen. Wie es jetzt für Tschirchs Privaträume weitergeht, muss in den kommenden Tagen geklärt werden. Am Montag klingelte oft das Telefon bei Tschirch. Morgens war ein Brandursachenermittler der Polizei vor Ort, am Mittag kam der Dachdecker, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. Ein Drittel des Gesamtdaches muss bestimmt runter und erneuert werden, vermutet Tschirch. Ein kleines bisschen Glück im Unglück: Das Haus ist groß genug, dass die Familie sich keine neue Bleibe suchen muss, sondern in anderen, nicht verrauchten Bereichen unterkommen kann. Größere Sorge hat Michael Tschirch wegen des Wassers. Große Mengen musste die Feuerwehr ins Dach schießen, um das Feuer zu löschen, klar. „Ich habe ein bisschen Angst, dass es irgendwann an unerwarteter Stelle unten im Haus wieder rauskommen könnte.“