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Böses Ende einer Partynacht

Nach einer schweren Verletzung bei einer Messerattacke durfte das 29-jährige Opfer am Mittwoch wieder nach Hause.

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© Sven Ellger

Von Tobias Wolf

Eigentlich sind das doch nur zwei Stiche, sagt Jonas Berthold* am Anfang des Gesprächs, nichts Großes. Dabei wurde der junge Mann in der Nacht zu Sonnabend nahe des Albertplatzes von einer Gruppe mit einem Messer attackiert und hat die letzten Tage in einem Krankenbett der Uniklinik verbracht. Die Bilanz einer Partynacht: Zwei Messerstiche in den Rücken, das Jochbein ist geprellt, der Brustkorb hat eine Drainage, die Hüfte schmerzt und die Lunge war kurzzeitig eingedrückt.

Nun sitzt der 29-jährige Student der Wirtschaftswissenschaften, Kapuzenpulli an und etwas blass im Gesicht, in der Küche seiner Wohngemeinschaft. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute schon rauskomme.“ Der Rheinländer kann sich nicht mehr komplett erinnern, was am Sonnabendmorgen passiert ist. Nach durchfeierter Nacht mit einem Freund und zwei Freundinnen in den Kneipen Kiezclub und Hebedas wollen Berthold und die anderen eigentlich nach Hause. Die nächste Bahn lässt auf sich warten. Das nicht mehr ganz nüchterne Quartett vertreibt sich die Zeit im Club Groovestation in der Katharinenstraße, bevor es um kurz nach vier Uhr zu Fuß über die Alaunstraße in Richtung Albertplatz geht. Die Damen holen sich an einem Pizzastand etwas zu essen, als sich eine Gruppe Männer aus Richtung Albertplatz nähert und Jonas Berthold unvermittelt von hinten angreift, wie sein Begleiter Nils Lehmann* später aussagt. „Die haben ihn angegriffen, ohne dass es vorher irgendeinen Disput gegeben hat“, sagt der 22-Jährige. „Ich hab noch versucht, einige wegzuziehen.“ An eine schwere Verletzung glaubt in diesem Moment noch keiner. Denn einer der Täter, laut Lehmann allesamt nordafrikanischer oder südländischer Herkunft mit guten Deutschkenntnissen, stach auf Berthold mit einem Messer ein. Zwei Stiche mit einer Sechs-Zentimeter-Klinge in den Rücken, kurz oberhalb des Herzens. „Ob das ein Schlag oder Stich war, konnte ich nicht zuordnen“, sagt der 29-Jährige. „Ich habe mich umgedreht und den Typen angebrüllt.“ Dann fällt Berthold um, bleibt auf dem Boden liegen.

Einige aus der Tätergruppe treten und schlagen weiter auf ihn ein. „Irgendjemand hat mich am Pullover durch die Gegend gezogen und ich habe um Hilfe gerufen“, sagt Berthold. Einige aus der Tätergruppe seien aggressiv auf ihn zugekommen, angeblich, um zu helfen. „Ich kann nicht nachvollziehen, was das alles sollte“, sagt er. „Ein Raub kann es nicht gewesen sein, weil ich meinen Geldbeutel hinterher noch hatte.“ Am Sonnabendmorgen geht alles ganz schnell. Binnen Minuten sind Polizei und Rettungsdienst vor Ort. Bertholds Freunde haben ihn notdürftig versorgt, den blutigen Pullover gelockert. Streifenwagen schwärmen aus, um die Gruppe Männer zu finden, die laut Bertholds Freund Nils Lehmann in Richtung Neustädter Bahnhof geflüchtet sein sollen. Die Fahndung bleibt erfolglos.

Der Verletzte wird ins Uniklinikum gebracht. Ärzte behandeln seine Wunden und sorgen dafür, dass sich die eingedrückte Lunge wieder aufpumpt. Seine Freunde dürfen ihn erst am Nachmittag besuchen. Als Bertholds Mutter von der Messerattacke hört, setzt sie sich ins Auto und fährt nach Dresden.

In fünf Jahren in der Elbestadt sei so etwas noch nicht passiert. Obwohl es möglicherweise Kriminelle mit arabischer oder nordafrikanischer Herkunft waren, habe sich an seiner Meinung gegenüber Ausländern nichts geändert. „Irgendeine pegida-ähnliche Seite aus Baden-Württemberg hat den Messerangriff gleich zum Hetzen benutzt“, sagt Berthold. „ Dabei habe ich hier schon gegen Pegida demonstriert.“ Er wolle sich und seinen Fall keinesfalls von Pegida-Chef Lutz Bachmann und seinen Anhängern gegen Asylbewerber instrumentalisieren lassen, sagt er. Flüchtlinge oder Ausländer pauschal zu kriminalisieren, falle ihm auch nach der Messerattacke nicht ein, sagt Berthold. Er darf zwar nun wochenlang keinen Sport machen und muss sich erst einmal gut zwei Wochen schonen, will sich dann aber wieder bei der Integration von Flüchtlingen engagieren.

Beim Sprechen macht der Student immer wieder Pausen. Die angeknackste Lunge hat ihm eine vorübergehende Kurzatmigkeit beschert. In den nächsten Tagen soll er bei der Polizei noch Fotos bereits bekannter Gewalttäter durchsehen. Vielleicht ist der Messerstecher dabei. Mit dem Rauchen sei erst mal Schluss. Auch Partys in der Neustadt sind wohl die nächsten Wochen tabu. Abschrecken lassen will sich Berthold aber nicht. „Mal sehen, ob ich ein blödes Gefühl bekomme, wenn ich an der Stelle wieder vorbeigehe“, sagt er. „Vielleicht kommt der Schock aber auch noch.“ Für seinen Freund Nils Lehmann ist eines klar: „Man ist jetzt deutlich umsichtiger.“

Bei der Polizei haben sich bislang zwei Zeugen der Messerattacke gemeldet, die jetzt befragt werden. Weitere Zeugenaussagen und Hinweise werden unter  4832233 entgegengenommen.

*Die Namen wurden auf Wunsch geändert.