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Bodenständig grün

Die SZ stellt die Bundestagskandidaten vor: Jens Bitzka aus Lauta will für Bündnis 90/Die Grünen Stimmen sammeln.

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© Gernot Menzel

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Die Sonnenblumen stehen prächtig. Und das sogar auf diesem Sandboden! Jens Bitzka ist sehr zufrieden. Da war wirklich guter Samen in den grünen Tütchen, die er im Frühjahr bei jeder Gelegenheit verteilt hat. Sonnenblumenkerne als Werbegeschenke – das passt zu den Grünen. Vor allem aber passt das zu Jens Bitzka, dem urgrünen Naturfreund.

Andere würden die große Panik kriegen bei so viel Garten. Für Jens Bitzka ist das hier das Leben: 13 000 Quadratmeter Beete, Obstbäume, Wiese und Wald. Seit Kindertagen wohnt der 46-Jährige hier draußen am Ortsrand von Lauta. Hier steht sein Elternhaus weitab vom Lärm der Zivilisation. Nur Vogelgezwitscher und Grün ist hier. Und Gartenarbeit.

Jens Bitzka wirft den Balkenmäher an. Jede freie Stunde muss er nutzen. Ein paar Tausend Quadratmeter Wiese wollen gemäht, die Brombeeren gepflückt, die Bohnen geerntet, die Kartoffeln gerodet werden. Gemeinsam mit seinen Eltern bewirtschaftet er das riesige Gelände. Die Eltern sind beide um die 80, alleine schaffen sie das alles nicht mehr. Der Sohn, der keine eigene Familie hat, fühlt sich verantwortlich. „Für mich ist das selbstverständlich, ihnen zu helfen und für sie zu sorgen“, sagt Bitzka. „Hier draußen ist mein Leben.“ Er wirkt sehr glücklich und zufrieden dabei.

Schon früh in der Umweltbewegung engagiert

Sieben neugierige Fragen an Jens Bitzka

Was wäre für Sie eine Versuchung?

Ein großes Eis mit viel Schlagsahne.

Spielen Sie ein Instrument?

Leider nicht.

Wie können Sie am besten abschalten?

Zu Hause bei der Gartenarbeit oder beim Radfahren durchs Lausitzer Seenland.

Wo machen Sie am liebsten Urlaub?

Dieses Jahr war ich an der Ostsee. Ich bin aber sehr gerne zu Hause. Es gibt bei uns in der Region ja sehr viel zu entdecken.

Welches Buch lesen Sie gerade?

„Mehr Demokratie“ vom Verein „Mehr Demokratie“. Sehr interessant. Das schaffe ich auch noch bis zur Wahl.

Welche Musik hören Sie am liebsten?

Alles querbeet. Bei mir läuft meistens das Radio, meistens Deutschlandfunk.

Wer sind die wichtigsten Menschen in Ihrem Leben?

Meine Eltern.

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Weil er Angst hatte um diese herrliche Natur – die große Zerstörung immer vor Augen, hat er sich schon früh in der Umweltbewegung engagiert. Und gleich nach der Wende hat er die Grünen im Landkreis mitgegründet. Das sei für ihn ganz logisch gewesen, sagt er. Seitdem mischt er sich ein in die kleine und die große Politik. Jens Bitzka weiß sehr gut, wovon er redet. Wie viele aus der Gegend hat er in Schwarze Pumpe gelernt und bis zuletzt als Maschinist und Leitstandsführer in der Brikettfabrik Knappenrode gearbeitet. Als dort Schluss war mit der Kohle, ist er ganz in die Politik gegangen. Heute ist er Büroleiter der Landtagsabgeordneten Franziska Schubert. Und im Moment ist er Wahlkämpfer.

Jens Bitzka ist der Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis Bautzen. 1998 hat er schon mal für den Bundestag kandidiert. Sein Ergebnis war einstellig. Aber damals, mit 27, kannte ihn ja auch keiner, sagt er schmunzelnd. Noch dazu in einem Wahlkreis, der sich von Weißwasser über Hoyerswerda bis Großenhain zog. Aber auch der größte Optimist muss auf dem Teppich bleiben, weiß Bitzka. Sein Name steht nicht auf der Landesliste. Seine Chancen, das Direktmandat zu gewinnen, sind gering. Aber es geht ihm nicht allein um ihn, es geht ihm um die Sache. Es ist ihm wichtig, um jede Stimme für die Grünen zu kämpfen, sagt er.

Blaues Bächlein und brauner Schleichgraben

Jens Bitzka macht kurz Pause und setzt sich für ein paar Minuten an den Gartentisch. Er gießt sich ein Glas Lausitzer Apfelschorle ein. Der Wind weht einen eigenartigen Geruch herüber. Es gibt zwar schon lange keine Chemiefabrik mehr in Lauta, aber die Phenole, die übrig geblieben sind, wird es noch lange geben. Man kann sie riechen, und man kann sie sehen: Sie färben das Wasser im kleinen Bächlein vor Bitzkas Grundstück blau. Das Wasser im Schleichgraben hinter dem Grundstück ist braun – gefärbt von den Eisenhydroxiden, die der Bergbau der Gegend hinterlassen hat.

Die „Blaue Donau“, wie die Leute hier das Phenol-Bächlein nennen, und der braune Schleichgraben fließen nicht weit entfernt in den Erika-See. Seit den 1960er-Jahren ist die ehemalige Grube schon mit Wasser gefüllt, aber bis heute ist die Sanierung nicht abgeschlossen, der See zum Baden nicht freigegeben. „Wichtig ist, was nach der Kohle kommt“, hat Jens Bitzka auf sein Wahlplakat geschrieben. Auch auf Sorbisch. Es ist sein wichtigstes Thema. Nicht nur im Wahlkampf.

„Ich bin überzeugt, dass es hier noch mehr als genug Arbeit für die Bergleute geben wird“, sagt er. „Allein schon, um diese Altlasten zu beseitigen und die Bergbaugebiete wieder sicher und nutzbar zu machen.“ Es ärgert ihn, dass er nicht mehr rüber bis nach Bergen radeln kann. Seit es die große Rutschung gegeben hat, ist hier wieder quadratkilometerweit Sperrgebiet. „Da ist noch viel Arbeit, sehr viel“, sagt Bitzka. Auch wenn er selber mal von und mit der Kohle gelebt hat – oder vielleicht gerade deshalb, ist der Lautaer überzeugt, dass es bessere Alternativen gibt. „Es müssen keine Dörfer mehr abgebaggert werden“, ist er sich sicher.

Mitten zwischen Ober- und Niederlausitz

Jens Bitzka deutet mit dem Arm in einem Bogen nach Norden. Irgendwo hier im Wald verläuft die Grenze zwischen der Ober- und der Niederlausitz. Vielleicht, sagt er, fühlt er sich deshalb hier so mittendrin. Er versteht nicht, warum Sachsen und Brandenburg nicht längst viel enger und besser zusammenarbeiten für den Strukturwandel. Er versteht nicht, warum der Kreis Bautzen sich bisher der Zusammenarbeit in einer regionalen Entwicklungsgesellschaft verschließt. „Es ist doch eine Chance, über Kreis- und Ländergrenzen hinwegzudenken und den Strukturwandel gemeinsam zu bewerkstelligen“, sagt er. „Die Lausitz könnte eine Modellregion für die ganze Welt werden.“

Vorige Woche hat Jens Bitzka seine Teilnahme an einer Kandidatenvorstellungsrunde in Bautzen abgesagt und ist stattdessen zu einer Demonstration nach Leipzig gefahren. Auf dem Ostdeutschen Industrieforum ging es um die Energiewende. „Da musste die Lausitz doch vertreten sein“, sagt er. „Da geht es doch um unsere Zukunft.“ Das war ihm wichtiger.

BISHER ERSCHIENEN:

Caren Lay (Die Linke):Markenzeichen Rot