Merken

Blaue Wende spaltet Wählervereinigung

Die Pirnaer Gruppe hat nach einem Zwist zwei Mitglieder verloren. Der Streit entzündet sich vor allem an einer Person.

Teilen
Folgen
NEU!
© Archivfoto: Norbert Millauer

Von Thomas Möckel

Pirna. Am Anfang gab man sich noch in trauter Einigkeit. Es war am 3. Januar 2018, als sich die Wählervereinigung „Pirna kann mehr“ (PKM) formell gründete. Lose organisiert, agierte die Truppe schon länger. Ex-CDU-Stadtrat Tim Lochner, der als Einzelkandidat bei der Oberbürgermeisterwahl 2017 aus dem Stand ein Drittel der Stimmen holte, hatte Mitstreiter um sich geschart, um seinen Wählern weiterhin eine politische Plattform zu bieten. Frei und konservativ wollte man agieren, jenseits verkrusteter Parteistrukturen.

Doch mit der Harmonie war es unlängst vorbei. Es knirscht im Gebälk, inzwischen hat die Wählervereinigung mit André Kurth und Ronny Kürschner zwei ihrer Gründungsmitglieder verloren. Beinahe sah es so aus, als zerlege sich PKM selbst.

Seinen Höhepunkt erreichte der Zwist kürzlich mit einer öffentlich ausgetragenen Debatte im sozialen Netzwerk Facebook, es ging heftig zur Sache, der Ton war wenig schmeichelhaft. André Kurth beklagt sich dabei, er sei nur ausgenutzt worden, Entscheidungen seien hinter dem Rücken der Mitglieder getroffen worden. Vorstandsmitglied Oliver Lang keilt zurück, diese Behauptungen seien gelogen, er sei verwundert, dass Kurth noch keine lange Nase gewachsen sei. Worauf Kurth zurückholzt, Lang sei ein „dreckiger, Intrigen schaffender ….“ (es folgt ein Wort südlich der Hüfte). Lang erwidert, ob Kurth noch ganz bei Trost sei und verabschiedet sich aus der Debatte, weil es ihm zu albern wird.

Ein trojanisches Pferd für Petry?

Auslöser für den heftigen Zwist war die neu gegründete Stadtratfraktion „Pirna kann mehr – Blaue Wende“, die in dieser Formation am Dienstag erstmals im Rat agiert. Der Streit um die politische Ausrichtung des Trios Tim Lochner, Ulrich Kimmel und Thomas Mache entzündet sich vor allem an einer Person: Frauke Petry, einschließlich ihrer Sammlungsbewegung „Blaue Wende“. Kurth und Kürschner fühlen sich von PKM hintergangen. „Die Wählervereinigung ist nicht mehr das, wofür sie einmal gedacht war“, sagt Kürschner.

Dabei schien anfangs alles zu passen, Kurth und Kürschner wollten Lochners Truppe unterstützen. Gemeinsam formulierten sie das Ziel, im Hinblick auf die Kommunalwahl eine Wählervereinigung zu gründen. „Wir wollten einfach lokal etwas bewegen“, sagt Kürschner.

Kurz darauf keimte die Idee, mit der Blauen Wende zu kooperieren. Dagegen hatten die beiden zunächst nichts einzuwenden. Wohl aber gegen die Folgen, die dieser Schritt nach sich zog. Nach einem Treffen mit Petry fasste PKM den Entschluss, das Logo der Blauen Wende in das PKM-Logo zu integrieren. Dagegen sträubten sich Kurth und Kürschner jedoch, soweit ging ihre Liebe zu den Blauen dann doch nicht. Zusammenarbeit ja, aber PKM sollte eigenständig bleiben. Doch die Blaue Wende findet sich nun im PKM-Logo, für Kurth und Kürschner ein Fauxpas.

Zum endgültigen Bruch kam es, als die beiden aus der Zeitung erfuhren, dass sich die neue Stadtratsfraktion gegründet hatte. „Wir waren sehr verwundert, es auf diesem Weg zu erfahren“, sagt Kurth. Das sei weder abgesprochen noch den PKM-Mitgliedern im Vorfeld kommuniziert worden. Laut Kürschner sei der Plan gewesen, erst zur Wahl 2019 eine eigene Fraktion zu stellen. „Das PKM auf diese Weise in die Blaue Wende geschubst wurde, ist eine Sache, die wir so nicht wollten“, sagt Kürschner. Und wenn schon, dann hätte er es gern gesehen, die Angelegenheit wäre bei PKM zumindest abgestimmt worden.

Aus Sicht von Kurth und Kürschner habe die Fraktion lediglich ein Ziel: Frauke Petry eine Tür in den Pirnaer Stadtrat zu öffnen. Petrys Sprecher Oliver Lang werfen sie vor, er habe PKM nur als Sprungbrett für Petry benutzt, um ihr eine Plattform zu bieten, da sie für die Wahl 2019 Erfolge vorweisen müsse. Petry selbst wirbt auf ihrer Internetseite damit, dass die neue Fraktion ein Musterbeispiel für das Funktionieren des Konzeptes des Bürgerforums „Blaue Wende“ und „Blaue Partei“ sei.

Unverständlich ist für die beiden Kritiker auch, warum Petry unbedingt auf dem Fraktionsfoto posieren musste. Es legt für sie den Schluss nahe: PKM war offenbar das trojanische Pferd für Frauke Petry. Die Fraktions-Rochade sei eine Intrige, ausgetragen auf dem Rücken von PKM, was so nicht abgesprochen war. Die PKM-Mitglieder seien dazu nie gefragt worden, sagen Kurth und Kürschner.

Aus dem Ruder gelaufen

Der öffentliche Zwist verdarb die Feierlaune der neuen Fraktion zunächst gründlich. „Es hat uns mächtig geärgert, dass dieser Konflikt über uns hereinbrach“, sagt Tim Lochner. Doch die miese Stimmung verflog alsbald wieder, weil die zwei Abtrünnigen bei PKM keine große Rolle mehr spielen sollen. Oliver Lang sieht deshalb auch keinen Zwist bei PKM, sondern lediglich einen Kleinkrieg von zwei Ex-Mitgliedern, der aus dem Ruder gelaufen ist. „Uns verwundert allerdings, dass der Streit bis zu persönlichen Beleidigungen geht“, sagt der Petry-Sprecher. PKM will die Angelegenheit aussitzen, zumal aus Sicht des Vorstands an den Vorwürfen nichts dran ist.

Schon im Februar, sagt PKM-Chef Oliver Schulz, habe es ein Votum für eine überparteiliche Zusammenarbeit mit der Blauen Wende gegeben. Zudem habe man sich seit der Bundestagswahl 2017 mindestens sechsmal mit Frauke Petry getroffen, Kurth und Kürschner seien meist dabei gewesen. Alle, sagt Tim Lochner, hätten über den Kontakt mit Petry Bescheid gewusst, nichts sei hinter dem Rücken der Mitglieder gelaufen. Und auch die Fraktionsbildung sei längst beschlossene Sache gewesen.

Oliver Lang dementiert, dass Petry mit der Fraktion einen Fuß in der Tür zum Pirnaer Stadtrat haben wolle. „Ihr Fokus liegt klar auf der Landtagswahl, insofern hat sie PKM auch nicht als Sprungbrett missbraucht“, sagt er. Es sei immer nur darum gegangen, dass PKM und Blaue Wende miteinander kooperieren, um sich gegenseitig zu stärken. „Der ganze Streit fußt doch auf dem Alleingang von zwei Mitgliedern, die da nicht mitgehen wollen“, sagt Lochner.

Der PKM-Vorstand empfindet den Verlust von Kurth und Kürschner nicht als besonders schmerzlich. Eine Gefahr, dass angesichts des Streits Fraktion und Wählervereinigung zerbrechen, sieht derzeit niemand bei PKM. „Im Gegenteil, das alles hat uns eher gestärkt“, sagt Tim Lochner.

Kurth und Kürschner sind inzwischen aus PKM ausgetreten. Nach einem kommunalpolitischen Engagement oder einem Mandat zur Wahl 2019 streben beide nach eigenem Bekunden derzeit nicht.