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Bis 1919 fuhr hier die Straßenbahn

In der Äußeren Oybiner Straße in Zittau waren Industrie, Handel, Kinderbetreuung und Gastgewerbe vertreten.

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Von Heike Schwalbe

Zittau. Innerhalb der SZ-Serien „Unvergessen“ wurden drei bedeutungsvolle, direkt aus dem Zentrum herausführende Vorstadtstraßen vorgestellt. Doch einige Leser fragten nach, warum dabei die Äußere Oybiner Straße nicht erwähnt wurde. Diese führt zwar nicht direkt aus dem Zentrum heraus, und ihr Verlauf geht in südwestliche Richtung, doch ihre Bedeutung ist nicht geringer als die in der Serie beschriebenen. Auch hier gab es einen Großbetrieb, Kleinunternehmen, Kindergarten und -krippe, Geschäfte, Gasthöfe, eine Wäschemangel und natürlich Wohnhäuser. Die meisten der älteren Gebäude sind bereits saniert und sehen schmuck aus. Doch auch Abrisse gab es.

So sieht es heute an der Ecke Äußere Oybiner Straße/Goldbachstraße aus.
So sieht es heute an der Ecke Äußere Oybiner Straße/Goldbachstraße aus. © Rafael Sampedro

Früher, als man diese Straße erstmals als solche ausbaute, wurden im unteren Verlauf auf beiden Seiten breite betonierte Fußwege angelegt. Die Fahrbahn zeigte jedoch keine Veränderung zu anderen Vorstadtstraßen ohne Pflasterung und den heute üblichen Asphalt. In diese wurden Gleise eingebaut, denn ab 1905 verkehrte hier die Zittauer Straßenbahn. Die „Blaue Linie“ fuhr vom Bahnhof über die Bahnhofstraße, Hospitalstraße, durch die Äußere Oybiner Straße bis zur Stadtgrenze. Eine von Zittauern gewünschte Weiterführung nach Olbersdorf wurde von der wirtschaftlich schwierigen Lage der Zittauer Straßenbahn verhindert, die 1919 letztendlich zur Stilllegung führte. Später verkehrten auf dieser Straße Busse von und nach Olbersdorf und dem Gebirge. Die beiden Haltestellen heißen heute allerdings „Zittau, Hältergasse“. Stadteinwärts stand hier ein kleines Wartehäuschen,

Die Äußere Oybiner Straße ist die Fortführung der Inneren Oybiner Straße aus dem Zentrum, die den Stadtring am Heinrich-Heine-Platz (früher Skagerrakplatz) quert und in Südrichtung als Äußere Oybiner Straße weiter verläuft. Hier am Platz stand früher der Gasthofkomplex „Fuhrmann Hentschel“, der 2008 abgerissen wurde. Die Straße verläuft zuerst in südliche Richtung als Einbahnstraße mit extra Fahrradspur. Gleich rechts ab geht die Neue Straße, wo im früheren Park der Augenklinik ein kleines Wäldchen heranwuchs, und gegenüber befindet sich die Einfahrt zur einstigen Fabrikantenvilla Dannenberg, in DDR-Zeiten Kindergarten, heute Sitz der Zittauer Euro-Schule. Rechts steht ein großes Doppelhaus fast leer, auch hier Bäumchen auf dem Dach. Am Eckgebäude vorn, in dem einst ein Gasthof war, weitet sich die Äußere Oybiner Straße zu einem kleinen Platz, in dem linksseitig Külzufer und Mandaustraße abzweigen und der Radweg an der Mandau beginnt.

Im weiteren Verlauf quert die Äußere Oybiner Straße auf der König-Albert-Brücke die Mandau. Das historische Bauwerk entstand 1896 im Zuge der Mandauregulierung. Drei weite Bögen und ein schmalerer extra für die Goldbach-Einmündung, darunter das Wehr (davor war einst ein Mandaubad), und der Abfluss des Pfortmühlgrabens sowie eine Kanaleinmündung sind vorhanden. An der Fahrbahn vier Balkone, kunstvolle schmiedeeiserne Geländer mit Zittaus „Z“ und dem Baujahr darüber sowie Laternen runden das Aussehen dieses Viaduktes ab.

Die Brücke war bereits sanierungsbedürftig und das letzte große Hochwasser am 7. August 2010 tat ein Übriges. Viele Freunde der Stadt kämpften erfolgreich für den Erhalt des Viaduktes in historischem Gewand. 2012 konnten schließlich die Bauarbeiten beginnen, und im November des Folgejahres war das Werk vollbracht. Und es war nicht einfach, denn während der Sanierung trat die Mandau tagelang aus dem eigentlichen Flussbett heraus, sorgte für Mittelwasserstand und zusätzliche Erschwernisse bei der Sanierung.

Im Zuge dieser Bauarbeiten wurde südlich der Brücke ein Kreisverkehr erbaut, den ein großer Findling im Zentrum mit dem markanten „Z“, dem neuen Logo der Stadt seit 2013, ziert. Hier treffen sich die Humboldt-, die Schliebenstraße sowie die Äußere Oybiner Straße, die nun zweispurig in südwestliche Richtung weiterführt.

Gleich links befindet sich die historische Gaststätte „Dresdner Hof“, die sich nach der Wende mit dem Haus gegenüber, dem ehemaligen Betriebskindergarten, zu einem beliebten Hotel und Restaurant entwickelte. Die ehemalige Krippe daneben wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Hier befand sich früher einmal das Zittauer Arbeitsamt, bis es in die Marschnerstraße zog, und im obersten Stockwerk gab es einen großen Veranstaltungsraum. Vielleicht sind einigen noch die betrieblichen Kinderweihnachtsfeiern hier in guter Erinnerung. Gleich daneben lag die Zufahrt zum Gelände des einstigen Altstoffhandels. Davon ist nichts mehr zu sehen. Im gegenüberliegenden einstigen Möbelhaus der Genossenschaft werden noch immer Möbel verkauft, und nach einer Straßenkurve trifft man auf ein Gebäude mit Bäckerei. In dessen Vorgängerbau wurden bereits seit 1876 Backwaren hergestellt, seit 1936 ist es ein Familienbetrieb. Weitere Einkaufsstätten gibt es hier nicht mehr. Jedoch von den einst auf dieser Straßenseite ansässigen kleinen Firmen sind noch einige vorhanden. Die rechte Seite wird ganz vom riesigen Komplex eines einstigen Textilbetriebes dominiert.

Im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts entstanden besonders im Westen der Stadt Betriebe. Dadurch zogen viele Arbeitskräfte nach Zittau, dessen Einwohnerzahl rasch wuchs. Hermann Theodor Schubert erwarb damals zwischen Mandau und Goldbach ein Grundstück und eröffnete hier am 1. April 1862 seine Blaudruckerei und Garnfärberei. Später ließ er auf dem Areal das markante Werksgebäude mit den roten Klinkersteinen bauen und schuf hier seine „Zwirnerei und Nähfadenfabrik“ mit Spinnerei, Schlichterei und Merzerisieranstalt, die Glanz auf die Stoffe brachte.

1933 folgte eine Baumwollspinnerei. Hermann Schubert schuf mit seinen beiden Söhnen zahlreiche technische Neuentwicklungen, dachte auch sozial und sorgte für Kindereinrichtungen in den bereits erwähnten Gebäuden. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten und demontierten die sowjetischen Kriegsgewinner dieses Werk. Ab 1948 wurde es Volkseigener Betrieb (VEB Textilwerke Zittau) und 1963 Werk 1 des Textilkombinates Zittau. Einige Zeit nach der Wende kam auch für diesen Betrieb das Aus, Sanierungsarbeiten erfolgten. Heute heißt das Areal Mandauhöfe. Hier stehen zur Vermietung für Büros, Läden und Lager 23 000 Quadratmeter zur Verfügung.

Die Äußere Oybiner Straße endet an der Kreuzung mit der Schramm-, der Goldbach- und der Olbersdorfer August-Bebel-Straße. Hier plant Zittau für einen guten Verkehrsfluss einen weiteren Kreisverkehr.