Merken

Bierflasche auf den Kopf

Ein Meißner wird ohne Anlass angegriffen und schwer verletzt. Die körperlichen Wunden sind verheilt, die psychischen nicht.

Teilen
Folgen
© Tobias Kleinschmidt/dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Wie jeden Abend verlässt der 47-jährige Meißner im Februar dieses Jahres gegen 22 Uhr mit seinem Hund das Haus. Nicht nur, um mit dem Tier Gassi zu gehen, sondern der Mann holt auch seine Lebensgefährtin am Bahnhof ab. Doch diesen Abend wird er sein Leben lang nicht vergessen.

Auf der Poststraße in Meißen in Höhe der Einfahrt zur Post kommt ihm ein Mann entgegen. Er schreit den Meißner an: „Scheiß Deutsche, ich f.... euch alle.“ Der Unbekannte baut sich vor dem 47-Jährigen auf. Der fragt ihn, was er von ihm wolle, drückt ihn mit einer Hand weg, in der anderen hat der die Hundeleine. Und schon hat er einen Schlag im Gesicht, stürzt zu Boden. Auch eine Flasche fällt auf die Straße. Er will versuchen, den Angreifer daran zu hindern, die Flasche aufzuheben, was ihm aber nicht gelingt. Plötzlich gibt es einen Knall, der Mann fällt nach hinten, verspürt Biergeruch. Der Angreifer hat ihm die Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen. Das reicht ihm aber nicht. Ein Zeuge hält den Täter zurück, doch der kann sich losreißen.

„Er hat sich wie ein Verrückter auf mich gestürzt, mich in den Schwitzkasten genommen“, sagt das Opfer. Plötzlich gibt es einen Schrei: „Meine Augen“. Sowohl der Angreifer als auch der Zeuge, der den Mann zuvor festgehalten hatte, bekommen Pfefferspray ins Gesicht. Eine unbekannte Frau, die die Auseinandersetzung mitbekam, hatte es eingesetzt.

Zufällig ist ein Streifenwagen der Polizei in der Nähe. Die Beamten können den Angreifer, der zu flüchten versucht, festnehmen. Der abgelehnte Asylbewerber aus Marokko wiedersetzt sich mit aller Kraft den Polizisten. Er stützt sich mit den Beinen ab, als sie versuchen, ihn in den Funkwagen zu setzen. Als das endlich gelingt, schlägt tritt und spuckt er. Den Polizisten gelingt es schließlich, dem aggressiven Mann Fesseln anzulegen. Der Täter riecht nach Alkohol, doch einen Alkomattest können die Beamten nicht machen. Der Mann weigert sich.

Der Marokkaner ist das, was man einen nordafrikanischen Intensivtäter nennt. Im September 2013 nach Deutschland eingereist, braucht er gerade mal gut vier Monate, um die erste Straftat zu begehen. Es war ein Diebstahl mit Waffen. Das Amtsgericht Köln gibt ihm dafür eine „Vorbewährung“. Im August des gleichen Jahres wird er wiederum vom Amtsgericht Köln verurteilt. Wegen Raubes und Körperverletzung gibt es eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Die Strafe wird einbezogen in ein weiteres Urteil und auf ein Jahr und acht Monate „aufgestockt“. Einen Teil sitzt er ab, dann wird der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt.

Weil er erneut Straftaten begeht, muss er auch den Rest verbüßen. Er folgen drei Geldstrafen wegen Widerstandes gegen Polizisten, Diebstahls, Beleidigung und erneut Diebstahls. Das Amtsgericht Leipzig verurteilt den Marokkaner schließlich im Dezember 2016 wegen Widerstandes gegen Polizisten, versuchter Körperverletzung und Beleidigung zu sechs Monaten auf Bewährung. Er hatte damals die Polizisten angespuckt, nach ihnen getreten und sie beleidigt, nachdem sie ihm nach einem Diebstahl in einem Leipziger Einkaufszentrum Handschellen anlegen wollten. Damals hatte er 2,48 Promille Alkohol im Blut.

Drei Tage vor Weihnachten 2015 gab es auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt erneut Ärger mit der Polizei. Auch hier widersetzte er sich der Festnahme, beleidigte und bespuckte die Polizisten. Am Alkohol legte er noch einen drauf: 2,95 Promille. Auch am Amtsgericht Meißen taucht der Mann, der inzwischen in Meißen wohnt, immer wieder auf. Wegen Drogenbesitzes und Sachbeschädigung gab es jeweils Geldstrafen.

Nach der jetzt angeklagten Tat läuft der Geschädigte wie in Trance zum Bahnhof. Seine Freundin ist entsetzt, ruft die Polizei, schafft ihn ins Krankenhaus. Dort wird die Platzwunde genäht, und auch eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Drei Tage muss er im Krankenhaus bleiben, ist weitere zehn Tage krank geschrieben.

Der Angeklagte entschuldigt sich für die Tat. Er habe „einen Fehler gemacht“, gibt zu, geschlagen zu haben, aber nicht mit der Bierflasche. Die habe er nach dem Mann geworfen, aber nicht getroffen, sagt er. Zeugen hatten aber gesehen, dass er mit der Flasche schlug. Das ist auch für den Staatsanwalt erwiesen. Es sei auszuschließen, dass sich der Mann die Verletzung mitten auf dem Kopf durch das Fallen zuzog. Er fordert für den Angeklagten, der schon seit längerer Zeit abgeschoben werden soll, eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung. „Sie sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, sagt er dem Mann, der nach eigenen Angaben in Marokko vier Jahre die Schule besuchte.

„Es war ein Schlag mit der Bierflasche“, stellt auch der Meißner Richter fest und verurteilt den Mann zu der beantragten Strafe. Wird das Urteil rechtskräftig, muss der Marokkaner auch die sechs Monate aus der offenen Bewährung absitzen. Und nach den Aussagen der Polizisten im Prozess wird es ein weiteres Verfahren gegen ihn geben wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

Bei dem Geschädigten sind die körperlichen Wunden zwar verheilt, die psychischen aber nicht: „Ich gehe jetzt anders auf die Straße, beobachte meine Umgebung genau, spreche niemanden mehr an“, sagt er. Seine Freundin holt er vom Bahnhof jetzt mit dem Auto ab.