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Bereit für Mama und Kind

Die Tür zum neuen Mutter-Kind-Heim in Cunnersdorf steht am Freitag offen. Zum Betriebsstart fehlt aber noch Personal.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Cunnersdorf. Der helle Raum im Obergeschoss, am anderen Ende des Ganges gefällt ihr am besten. „Hier lässt es sich aushalten“, sagt Ute Seifert und schiebt lächelnd die Zimmertür beiseite, um einen Blick hinein zu gewähren. Einen Blick auf das fertig bezogene Kinderbettchen und die liebevoll platzierten Kuscheltiere auf der Kommode. Die Chefin der Bürgerhilfe Sachsen freut sich, dass alles hübsch eingerichtet ist. Denn bald ist dieses Zimmer ein Rückzugsort für eine junge Mutter mit ihrem Baby und für beide ein Zuhause auf Zeit.

Die Zimmer sind bereits fertig eingerichtet, mit Liebe zum Detail.
Die Zimmer sind bereits fertig eingerichtet, mit Liebe zum Detail. © SZ
Hier wird gemeinsam gegessen, geschwatzt und gelernt.
Hier wird gemeinsam gegessen, geschwatzt und gelernt. © SZ

Als neues Heim für junge Alleinerziehende mit Kindern erhält das alte Schulhaus auf der Kaitzer Straße in Cunnersdorf wieder eine neue Funktion. Platz ist für insgesamt sechs junge Mütter oder Väter und deren Babys oder Kinder, die bis zu sechs Jahre alt sind. Neben eigenen Zimmern stehen den neuen Hausbewohnern gemeinsame Aufenthaltsräume, Küche und Sanitärräume zur Verfügung. Rund um die Uhr werden sie von Erziehern oder Sozialpädagogen betreut. Die Gemeinde Bannewitz, in deren Eigentum sich das Denkmal befindet, hat das Haus für mehr als eine Million Euro saniert, inklusive finanzieller Unterstützung von 618 000 Euro vom Freistaat. Die Investition ist etwas größer als geplant. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der alten Bausubstanz, sondern auch im geänderten Nutzungskonzept, das zusätzliche Anforderungen an Rettungswege und Brandschutz stellte.

Ursprünglich sollten in dem Haus Kinder und minderjährige Jugendliche einziehen, zur Hälfte deutscher und ausländischer Herkunft, die ohne Eltern aufwachsen müssen. Doch zwischenzeitlich sei der Bedarf dahingehend zurückgegangen, wie die Gemeindeverwaltung mitteilt. Gemeinsam mit dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge habe man sich nun für die Nutzung als Mutter-Kind-Heim entschieden. Die Bürgerhilfe Sachsen, ein Verein mit Sitz in Dresden, wird nun die neue Einrichtung im Auftrag des Landkreises führen. Es ist eine Entscheidung, die auch den Anwohnern zusagen dürfte, die sich im Hinblick auf die anfänglichen Nutzungspläne skeptisch zeigten.

Gesellschaftliche Konflikte kann die Chefin der Bürgerhilfe Sachsen mit dem Betrieb des Hauses dennoch nicht ausschließen. Sie hofft, dass die jungen Menschen, die hier wohnen werden, von den Bannewitzern so angenommen werden, wie sie sind. Alle, die hier einziehen, hätten soziale Defizite, erklärt Ute Seifert. Den jungen Müttern oder Vätern fehlte es bisher an einem strukturierten Tagesablauf. Viele wüssten nicht, wie Mahlzeiten zubereitet werden, wie mit dem zur Verfügung stehenden Geld zu wirtschaften ist und wie überhaupt das Leben in der Mitte der Gesellschaft funktioniert. Genau damit werden die jungen Leute in Cunnersdorf vertraut gemacht. Hier sollen sie wieder Halt, Zuwendung und Strukturen erfahren. Hier werden sie in die Spur gebracht.

Für die Bürgerhilfe Sachsen ist das neue Heim in Cunnersdorf neben Einrichtungen in Dresden und Pirna das dritte Mutter-Kind-Haus. Für die Region des Altweißeritzkreises wird es die erste Einrichtung dieser Art sein. Das Haus ist vorrangig Alleinerziehenden aus dem Landkreis vorbehalten. Aus gutem Grund: Nach Angaben des Landratsamtes wurden allein im Jahr 2016 insgesamt 21 Mütter in Einrichtungen außerhalb des Kreises betreut.

Dass der Bedarf nach Mutter-Kind-Häusern gestiegen ist, bekommt vor allem Ute Seifert zu spüren. Die gelernte Erzieherin und Mediatorin leitet seit 1990 die Bürgerhilfe Sachsen. Sie beobachtet zunehmend, wie junge Mütter und Väter aus schwierigen Familienverhältnissen an den Rand der Gesellschaft abdriften, mit ihrem Leben nicht klarkommen und mit dem eigenen Nachwuchs überfordert sind.

Warum? „Die Ursachen sind vielfältig, aber zu einhundert Prozent gesellschaftlich begründet“, sagt Ute Seifert. Probleme gebe es schon in frühkindlicher Erziehung, in der Elternbindung. Hinzu komme, dass immer häufiger über soziale Medien oder Smartphones kommuniziert wird, anstatt etwas gemeinsam zu unternehmen. Das gesellschaftliche Miteinander bleibe auf der Strecke. Ein Problem sieht Seifert auch in der Schulbildung. Deren Bestandteil sei Wissensvermittlung, nicht Lebensbildung. Um Letzteres aber gehe es in Cunnersdorf.

Damit die neue Einrichtung alsbald öffnen kann, sucht die Bürgerhilfe Sachsen noch Erzieher, Sozialpädagogen und Hauswirtschaftler. Sobald das Personal-Team komplett ist, könnten die jungen Leute einziehen. Davor haben alle Interessierten am Freitag, dem 7. September, von 16 bis 20 Uhr die Chance, einen Einblick ins Innere des neuen Heimes zu bekommen.