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Bereit für die Görlitz/Niesky-Praxis

Der Nieskyer Arzt Volker Höynck zu neuen Öffnungszeiten, dem Besuchsdienst mit Fahrer und Sorgen um den Tag danach.

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© André Schulze

Von Carla Mattern

Am 2. Juli ändert sich einiges im System des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Das in Niesky bereits erfolgreich getestete Modell einer sogenannten Portalpraxis wird jetzt ausgeweitet. Wie in Niesky am Emmaus-Krankenhaus wird es jetzt auch am Städtischen Klinikum Görlitz eine Bereitschaftspraxis geben, in der außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Arztpraxen Patienten behandelt werden. Die bisher selbstständigen Bereiche Görlitz und Niesky gehören ab sofort zusammen. Was sich damit für Patienten und Ärzte ändert, verbessert und welche Sorgen es gibt, darüber sprach die SZ mit dem Allgemeinmediziner Volker Höynck aus Niesky. Er ist der leitende Arzt der Bereitschaftspraxis in Niesky.

Herr Höynck, Sie waren von Anfang an ein Verfechter der Portalpraxis. Warum?

Es wird von Patienten gut angenommen, dass sie nicht in eine Praxis eines niedergelassenen Arztes fahren müssen, der gerade Dienst hat. Anlaufpunkt ist immer die Bereitschaftspraxis am Nieskyer Krankenhaus. Auch das Krankenhaus schätzt die Tatsache, dass alle die Patienten, die wir betreuen, nicht in die Notfallambulanz gehen. Überwiegend kommen in die Bereitschaftspraxis Patienten, bei denen eine ambulante Behandlung ausreichend ist. Das entlastet die Krankenhausmitarbeiter. Sollte es notwendig sein, können wir die Patienten natürlich direkt zur stationären Aufnahme ans Krankenhaus weitergeben.

Wenn das Modell Niesky so gut läuft, warum muss es dann die Zusammenlegung mit Görlitz geben?

Ein wichtiger Grund ist die Tatsache, dass die Zahl der Nieskyer Ärzte weniger wird, die in das Dienstsystem eingebunden sind. Wenn wir keine Vorsorge treffen , wird das Modell kollabieren. De facto sind alle niedergelassenen Ärzte verpflichtet, Dienst in der Bereitschaftspraxis zu leisten. Beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen kann man sich aber befreien lassen. Bisher sind wir 30 Ärzte für die Region Niesky. In der neuen Region Görlitz/Niesky sind es dann 144 Ärzte.

Das bringt ja eine große Entlastung?

Rein rechnerisch gesehen Ja. Aber es werden tatsächlich mehr Kollegen im Einsatz sein als bisher. Bisher läuft es in Niesky so: Der Kollege besetzt beispielsweise an einem Sonntag von 8 bis 11 Uhr die Bereitschaftspraxis. Sollten in dieser Zeit nicht alle Patienten behandelt werden können, auch länger. Danach fährt der Arzt zu den angemeldeten Hausbesuchen. Künftig gibt es einen sogenannten Sitzdienst - der in der Praxis am Krankenhaus stattfindet- und einen separaten Fahrdienst. Wer also am Sonntagmorgen bereits um einen Hausbesuch des Bereitschaftsarztes bittet, bei dem kann möglicherweise schon kurze Zeit später der Arzt klingeln.

Das ist für Kranke doch ein großer Vorteil!

Das sehe ich auch so. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen als Träger des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat bei der Planung der Modellregion Görlitz/Niesky natürlich die vorliegenden Daten ausgewertet und danach die Öffnungs- und Dienstzeiten festgelegt. Der Dienst in der Nieskyer Bereitschaftspraxis am Krankenhaus ist ab sofort an Sonnabenden und Brückentagen von 9 bis 13 Uhr, an Sonntagen und Feiertagen von 9 bis 12 Uhr. Zusätzlich sind Fahrdienste unterwegs, sonnabends und sonntags sogar zwei Fahrzeuge, das eine von 7 bis 19 Uhr und das andere von 9 bis 21 Uhr. Unabhängig davon steht ein Nachtdienst montags bis sonntags von 19 bis 7  Uhr für dringende Hausbesuche bereit. Weil das Aufkommen an Patienten in Görlitz viel größer ist, wird auch der Sitzdienst, also der in der neuen Bereitschaftspraxis am Görlitzer Klinikum, dort deutlich mehr Stunden da sein. Mittwochs und freitags von 15 bis 19 Uhr, sonnabends, sonntags, an Brückentagen und an Feiertagen von 9 bis 13 Uhr und von 15 bis 19 Uhr.

Der Arzt im Fahrdienst muss aber im gesamten Gebiet zu Patienten fahren? Das ist doch ein sehr großes Territorium. Ist das machbar?

Das werden wir sehen. Auf jeden Fall ist auch neu, dass der Arzt nicht mehr selbst zu den Patienten fährt. Das übernimmt ein Fahrer, der zusätzlich medizinisch geschult sein soll, uns also auch unterstützen kann. Ob das machbar ist, wird sich zeigen. Schwerpunkte sind bei diesen Hausbesuchen jedenfalls die Städte Görlitz, Niesky und Rothenburg. Da wir für die Kassenärztliche Vereinigung eine Pilotregion sind, werden mein Kollege Leonhard Großmann, der für die Bereitschaftspraxis Görlitz zuständig ist, und ich die Einsätze gemeinsam mit Mitarbeitern der Kassenärztlichen Vereinigung evaluieren. Sollte das notwendig sein, dann wird es gegebenenfalls Veränderungen geben. Das Prinzip der Portalpraxis soll in ganz Sachsen eingeführt werden. Da müssen wir hier an den Stellschrauben drehen, damit das System gut läuft.

Wenn aber ein Einsatz beispielsweise in Schönau-Berzdorf, der darauffolgende in Rietschen ist: Dann müssen Patienten doch sehr lange warten, schon wegen der Fahrtzeit, die der Arzt braucht?

Ja, das kann passieren. Aber der Hausbesuchsdienst fährt nicht zu lebensbedrohlich Erkrankten. Für die ist der Notarzt zuständig. Da hoffe ich auf eine weitere Veränderung mit dem 2. Juli. Die Anrufe der Patienten gehen nicht mehr in Hoyerswerda bei der Rettungsleitstelle ein, die auch zuständig sind für Einsätze von Feuerwehr, Polizei, Notarzt. Wer den ärztlichen Bereitschaftsdienst wählt, wird bei einem Mitarbeiter der KVS in Leipzig ankommen. Davon merkt der Anrufer nichts. Die Telefonnummer bleibt die gleiche. Aber der Disponent, mit dem er zu tun hat, ist ein Mediziner. Ich setze darauf, dass uns Ärzte auch das etwas entlastet.

Wissen Sie schon, wer bei Ihrem ersten Fahrdienst als Chauffeur kommt?

Nein, darüber bin ich nicht informiert. Ich werde mich beim Disponenten dienstbereit melden und dann wird sich zeigen, wer kommt, wenn der erste Hausbesuch ansteht. Das sehe ich gelassen.

Aber wie ist es mit den Nachtdiensten? Wenn Sie bis morgens 7  Uhr unterwegs sind, öffnen Sie dann ihre Praxis ganz normal um 7 Uhr?

Das ist eine Frage, mit der sich viele Kollegen beschäftigen. Ich hatte für mich überlegt, dass ich in diesem Fall erst um 10 Uhr in der Praxis erscheine. Aber davon raten meine Schwestern ab. Also bleibt es wie bisher: ab 7 Uhr ist offen, ich beginne um 8 Uhr. Wir werden versuchen, diese Vormittage nach dem Nachtdienst etwas lockerer zu gestalten, nicht ganz so viele Patienten zu bestellen. Ich hoffe, dass meine Patienten das tolerieren. Und ich möchte noch etwas ergänzen.

Ja klar, bitte!

Unser Ärztenetzwerk ist sehr daran interessiert, Ärzte dafür zu begeistern, dass sie sich in der ländlichen Region niederlassen. Ich freue mich, dass wir eine von drei Pilotregionen in Sachsen sind. Auf diese Weise rückt Görlitz/Niesky mehr in den Fokus. Das hilft uns hoffentlich, junge Ärzte in die Region zu bringen. Jemand, der bisher gar nicht weiß, wo Niesky liegt, wird so vielleicht neugierig.

Hotline ärztlicher Bereitschaftsdienst 116 117