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Müllabfuhr wird teurer

Die Versammlung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft hat jetzt die Müllabfuhr zunächst auf ein halbes Jahr befristet vergeben. Neru und Remondis holen zunächst weiter den Abfall ab.

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© Sven Ellger

Meißen. Der Beschluss fiel einstimmig. Die Versammlung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Oberes Elbtal (ZAOE) hat jetzt die Müllabfuhr im Landkreis Meißen zunächst auf ein halbes Jahr befristet vergeben. Anschließend besteht die Möglichkeit, zweimal um je ein Vierteljahr zu verlängern. Den Zuschlag erhielten die bereits jetzt hier tätigen Unternehmen Neru für den Bereich Meißen-Radebeul sowie Remondis für den Bereich Riesa-Großenhain. Geschäftsführer Raimund Otteni sowie Planer Olaf Müller erläutern in der SZ die Hintergründe.

Weshalb mussten die Leistungen überhaupt neu vergeben werden?

Der Gesetzgeber schreibt vor, dass öffentliche Aufträge in regelmäßigen Abständen neu auszuschreiben sind. Ziel dieser Vorgabe ist es, keine Monopole entstehen zu lassen, die Konkurrenz zu fördern und die Gebühren für die Bürger niedrig zu halten. „Trotzdem ist das für viele unserer Kunden schwer nachzuvollziehen. Aus ihrer Perspektive wäre es am einfachsten, die weitgehend zuverlässigen Entsorger das Geschäft weiter erledigen zu lassen“, sagt ZAOE-Geschäftsführer Otteni. Das sei allerdings nicht gestattet.

Um welche Aufgaben handelt es sich bei der aktuellen Runde?

Gesucht werden Entsorger, die über die nächsten bis zu acht Jahre Restmüll, Bioabfälle, Sperrmüll und Elektroaltgeräte einsammeln sowie befördern. In einem zweiten Los kommen Papier und Pappe hinzu – allerdings zeitlich enger begrenzt. Beide Aufgaben sind getrennt für die Regionen Meißen-Radebeul und Riesa-Großenhain ausgeschrieben.

Welche Probleme sorgten jetzt für eine befristete Vergabe?

Da die Angebote nicht dem finanziellen Rahmen entsprachen, sah sich der Verband genötigt, die ursprüngliche Ausschreibung aufzuheben. Anschließend sei hart verhandelt worden, so Raimund Otteni. Letztlich erhielt der aus Hessen stammende Dienstleister Knettenbrech & Gurdulic für einen Großteil der Aufträge im Landkreis den Zuschlag. Lediglich das Einsammeln und der Transport von Papier, Pappe und Karton in der Region Riesa-Großenhain verblieben bei Remondis. In der Folge gab es Einsprüche gegen die Aufhebung der Ausschreibung durch den Verband. Die Verfahren gingen vor die Sächsische Vergabekammer in Leipzig. Diese hat jetzt nach Angaben des ZAOE die Anträge von Remondis im vollen Umfang zurückgewiesen. Über die Anträge von Neru muss allerdings noch entschieden werden. Hinzu kommt: Beiden Unternehmen steht weiterhin offen, den Streit am Oberlandesgericht weiterzuführen. „Da die alten Verträge im Oktober auslaufen, mussten wir handeln“, sagt Verbandsplaner Olaf Müller.

Wie kam die nun erreichte Zwischenlösung zustande?

Alle Bieter vom ersten Verfahren wurden angeschrieben und zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Anschließen hat sie der Verband eigenen Angaben zufolge nochmals gebeten, ihre Kalkulation zu überdenken. Trotzdem schlagen Raimund Otteni zufolge durch die Interimsvergabe Mehrkosten von rund 850 000 Euro durch Risikoaufschläge der Firmen zu Buche. Diese sind über das auch den Landkreis Sächsische Schweiz und Osterzgebirge umfassenden Verbandsgebiet unterschiedlich verteilt. Hinzu kommen die Kosten für die laufenden Rechtsstreitigkeiten, welche bei weiteren rund 150 000 Euro liegen.

Warum hat der ZAOE die teuren Angebote nicht zurückgewiesen?

Die Möglichkeit hätte bestanden. Alternativ wäre nur übrig geblieben, die Müllabfuhr selbst zu übernehmen. Der Kauf von Spezialfahrzeugen wäre nötig geworden, Betriebshöfe hätten geschaffen und neue Mitarbeiter eingestellt werden müssen. Längerfristig würde die Kommunalisierung dieser Aufgabe den Gebührenzahler wahrscheinlich teuer zu stehen kommen. Die Fahrer wären im Öffentlichen Dienst beschäftigt und würden demnach deutlich besser entlohnt als nach dem aktuell in Privatunternehmen geltenden Tarif.

Führen die derzeitigen Schwierigkeiten zu höheren Gebühren?

Aktuell verfügt der Abfallverband über finanzielle Reserven von rund 25 Millionen Euro. Die jetzt anfallenden höheren Kosten bringen ihn dadurch nicht in unmittelbare Schwierigkeiten. Wie dies nach einem Kassensturz 2021 aussieht, wenn der derzeitig Kalkulationszeitraum ausläuft, lässt sich nur vermuten. Die Müllbranche muss ähnlich wie die Bauwirtschaft mit teils kräftig steigenden Preisen leben. Der Verbandsvorsitzende Michael Geisler (CDU), zugleich Pirnaer Landrat, sagt: „Machen müssen wir etwas. Je früher, desto kleiner ist der Schritt.“ Dem Verbandschef ist jedoch bewusst, dass 2019 die Landtagswahl und Kommunalwahlen anstehen. Letztere bedeuten auch, dass sich in der Verbandsversammlung des ZAOE die Mehrheitsverhältnisse verändern. Sollte es zu einer Erhöhung kommen, würde das eine seit gut 20 Jahren andauernde Phase mit stabilen Gebühren beenden, so der Zweckverband. Die Bürger hätten von stetig verbesserten Leistungen zu einem weitgehend gleichbleibenden Preis profitiert. Damit unterscheidet sich der Abfallverband zum Beispiel vom Verkehrsverbund, der routinemäßig seine Ticketpreise anhebt.

Lässt die kostenlos geleerte Bio-Tonne möglicherweise die Gebühren steigen?

Die flächendeckende Sammlung von Bioabfällen ist gemäß § 11 Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Pflicht der Kommunen. Der ZAOE reagierte darauf mit dem zeitlich befristeten Angebot, die Tonne kostenfrei zu leeren. Die Landkreise Bautzen und Görlitz entschieden sich dagegen für einen mit entsprechenden Kosten verbundenen Anschlusszwang für sämtliche Haushalte. Auch in Meißen wäre ein solcher Schritt durchaus möglich gewesen. Hinzu kam, dass der Verband vor dem Schritt eine Überdeckung von zehn Millionen Euro erwirtschaftet hatte, die er verpflichtend an die Gebührenzahler weitergeben musste.

Warum soll künftig ein Entsorger aus Hessen im Kreis arbeiten?

Knettenbrech und Gurdulic sei daran interessiert, sich im Markt der kommunalen Entsorgung breiter aufzustellen, so der ZAOE. Die Firma geht zurück auf ein 1951 in Wiesbaden gegründetes Fuhrunternehmen. Seitdem kamen immer neue Bereiche hinzu. In den letzten Jahren beschleunigte sich das Wachstum. Seit Ende 2015 ist Knettenbrech und Gurdulic Entsorgungsdienstleister für den Frankfurter Flughafen. Die Gesellschaft erweiterte ihr Portfolio unter anderem um den Bereich Daten- und Aktenvernichtung. Geschäftsführer Steffen Gurdulic ist Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft. „Wir haben es hier also mit einem erfahrenen Unternehmen zu tun“, sagt Raimund Otteni. Nichtsdestotrotz könne es zu Anfangsschwierigkeiten kommen. Die Pläne müssten neu geordnet werden. Inwieweit es durch einen Wechsel zu Arbeitsplatzverlusten bei den angestammten Entsorgern kommen könnte, ist derzeit nicht absehbar. Oft wechseln die Müllfahrer in die neuen Unternehmen. Bei den Lohnkosten hätten sich alle Bieter im Vergabeverfahren marginal unterschieden, so der ZAOE.

Wie reagieren die betroffenen Müllentsorger in der Region?

„Natürlich haben wir uns über den Zuschlag gefreut“, schreibt Nehlsen-Pressesprecherin Marcia Kantoks am Mittwoch auf SZ-Nachfrage. Zu dem laufenden Verfahren wolle sich das Unternehmen nicht äußern. Keine Aussage gab es von Remondis im Lampertswalder Ortsteil Quersa.