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Bausteine ins Glück

Nach einem Brand wurde das Wohnhaus einer Familie in Bannewitz komplett zerstört. Jetzt wird es wieder aufgebaut.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Bannewitz. Sie machten endlich wieder Mut, die ersten vier Ecksteine. Auf dem Grundstück am Ende des Käferberges im Bannewitzer Ortsteil Hänichen, das monatelang unberührt blieb, wächst nun ein Haus in die Höhe. „Jetzt geht’s vorwärts“, sagt Jacqueline Naumann. Als sie das so sagt, legt sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Die dreifache Mutter wirkt gelöst, seit Langem wieder.

Der SZ erzählten sie damals von der schlimmsten Zeit ihres Lebens.
Der SZ erzählten sie damals von der schlimmsten Zeit ihres Lebens. © Andreas Weihs

Hinter Familie Naumann liegen fast zehn turbulente Monate. Am Neujahrstag, kurz vor sechs Uhr morgens, fing das Einfamilienhaus der fünfköpfigen Familie Feuer – ausgelöst von einer brennenden Mülltonne. Das Paar, die damals 14-jährige Tochter und die siebenjährigen Zwillingsmädchen schliefen noch nach der Silvesternacht. Nachbarn bemerkten den Brand. André Richter, der schräg gegenüber wohnt, klingelte bei der Familie Sturm.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Feuer bereits den Giebel des Einfamilienhauses ergriffen und sich an der Fassade entlanggefressen, genau dort, wo die Jüngsten schliefen. Gerade noch rechtzeitig konnte die Familie das Haus verlassen. Jegliches Hab und Gut fiel den Flammen zum Opfer. Die Naumanns aber waren gerettet, dank André Richter, der später sogar für seinen Mut mit der sächsischen Lebensrettermedaille ausgezeichnet wurde. Die Anteilnahme an dem Schicksal der Familie war riesig. Viele Menschen aus Bannewitz und darüber hinaus halfen mit Spenden und boten Unterstützung an, wo sie konnten. Für Familie Naumann hat die Stunde des Brandes dennoch alles verändert. Etliche Anträge mussten ausgefüllt, Behördengänge und Telefonate erledigt werden und nebenbei sollte das eigene Leben irgendwie weitergehen, zwischen den Jobs und dem Schulalltag der Kinder.

Nach dem Brand ihres Hauses kamen die Naumanns kurzzeitig in einer Pension unter, zogen dann in eine kleine Dreiraumwohnung um, wo sie noch immer wohnen. Die Naumanns sind froh über die Bleibe. Dennoch gelangt die Familie auf dem engen Raum allmählich an ihre Grenzen. „Die Zwillinge teilen sich derzeit ein Bett“, erzählt Jacqueline Naumann. Alles, was die Familie zum Leben braucht, sei sporadisch in Steckregalen untergebracht, vom Müsli über Aktenordner bis hin zu Schuhen. Ein wenig neidisch hat Matthias Naumann in diesem Sommer nach den Nachbarn geschaut, die mit Rasenmähern durch ihre Gärten fuhren. „Und das, obwohl er Rasenmähen immer gehasst hat“, sagt Jacqueline Naumann über ihren Mann.

Zum Ende dieses Jahres, dachten sie zunächst, wären sie wieder in ihrem Eigenheim. Dieses Ziel werden die Naumanns jedoch nicht ganz schaffen. Das wissen sie. „Wir sind völlig naiv rangegangen“, reflektiert Matthias Naumann heute. Der ganze Papierkram zwischen Versicherungen, Bauanträgen und Baufirmen habe doch länger gedauert als gedacht. Um ihren Kindern die Zeit bis zum Hausbau zu verkürzen, hat Jacqueline Naumann ihnen einen Zeitstrahl gebastelt. Jeden Tag schnitten sie ein Stück Papier davon ab – bis zum 10. September. Spätestens dann, so waren sich die Naumanns sicher, sei Baustart. Doch der Zeitstrahl war zu Ende ohne jegliche Bauaktivität. „Das war extrem frustrierend, für alle“, sagt die 48-Jährige.

Nun endlich wird gebaut. Spielt das Wetter mit, könnte Ende November der Rohbau stehen. „Vielleicht klappt es Ostern mit dem Einzug“, hofft Matthias Naumann. Aus dieser Hoffnung schöpft die Familie wieder Lebensfreude. Die Situation stimmt sie aber auch nachdenklich. „Vor zwölf Jahren waren wir mit die Ersten, die hier in der Siedlung gebaut haben“, erinnert sich der 44-jährige Familienvater. Nun seien sie beinah die Letzten, die anfangen. Ob sie nun etwas anders machen als zuvor? „Im Grunde nicht“, sagt Matthias Naumann. Ihr neues Haus solle genauso sein, wie es zuvor war, bis auf kleine Änderungen. Während die beiden Jüngsten sich zuvor einen Raum teilten, soll künftig jedes Kind sein eigenes Zimmer haben. „Dafür wird unsere Stube etwas kleiner. Das ist okay“, sagt Jacqueline Naumann.

Noch etwas wollen die Naumanns künftig anders machen: Der Carport, von dem aus das Feuer auf das Wohnhaus übergriff, soll nicht mehr aus Holz sein. Künftig werde es auch keine Styropor-Dämmung an der Fassade geben, erzählen sie. Und es kommen ausreichend Rauch- und Wärmemelder ins Haus. „Klar, einhundert Prozent Sicherheit wird es nie geben“, sagt Jacqueline Naumann. Aber was für die eigene Sicherheit getan werden könne, tun sie.

Wenn es die Naumanns irgendwann in ihr Zuhause geschafft haben, soll auch der Garten wieder hergerichtet werden – und die Spielgeräte der Kinder. Brandlöcher in dem Trampolin auf der Wiese zeugen noch heute von dem Schicksalsschlag vor zehn Monaten. „Hier stand auch eine hübsch gewachsene Eberesche, der Kletterbaum unserer Kinder“, erzählt Jacqueline Naumann. Es war der erste Baum, den sie damals im Garten pflanzte, bevor ihn die Flammen auffraßen. „Natürlich kommt hier wieder einer hin.“