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Ave Maria mit Gänsehaut

Arien und Pop singt die Schülerin Mandy Sigismund am Sonntag in Klitten. Bei einem Solokonzert in der Kirche.

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© Constanze Knappe

Von Constanze Knappe

Das „Ave Maria“ von Franz Schubert lässt regelmäßig den Zuhörern eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Das wird an diesem Sonntag in der evangelischen Kirche in Klitten zur Abendmusik des Kirchenkreises Schlesische Oberlausitz nicht anders sein. Denn gesungen wird das anspruchsvolle Stück dort von Mandy Sigismund. Das Mädchen aus Kringelsdorf ist gerade mal 15 Jahre jung – und nach den Worten von Regionalkantor Martin Baldenius ein ausgesprochenes Naturtalent.

„Einen Tick für Musik“ habe sie schon immer gehabt, erzählt die Schülerin. Sie mag einfach Musik querbeet durch alle Stilrichtungen. Zu aktuellen Titeln sucht sie sich im Internet die Texte heraus und singt mit, wenn die Lieder im Radio laufen. Einmal die Woche probt sie mit dem Chor der Comenius-Oberschule in Mücka. Die Sänger bereiten ein Weihnachtskonzert vor wie auch die Abschlussfeier der 10. Klasse. Mandy macht das großen Spaß.

Martin Baldenius lernte die Schülerin 2015 bei den Vorbereitungen zu einem Krippenspiel kennen. Mandys Cousine hatte sie da nur mal so zum Singen mitgenommen. Mandy aber gefiel das so gut, dass sie bleiben und weiter mitmachen wollte. Von Anfang an war sie deshalb auch dabei, als im Herbst 2016 der Lausitzer Jugendchor „Praise The Lord“ gegründet wurde. Dem Regionalkantor wurde recht schnell klar, dass Mandy dank ihres Talents als Kindersolistin in Erscheinung treten sollte.

Allein vor 2 000 Leuten gesungen

Irgendwann fragte er sie, ob sie auch klassische Stücke singen würde. Sie wollte. Wie sie sich seither entwickelt, lässt aufhorchen. Mandy selbst ist viel zu bescheiden, um von sich aus darüber zu sprechen. Also erzählt Martin Baldenius von jener Chorreise nach Berlin. Beim Evangelischen Kirchentag im April 2017 war der Lausitzer Jugendchor an zwei Veranstaltungen beteiligt. Zum einen sorgte er für die musikalische Umrahmung zweier Referate und zum anderen trat er in einer Messehalle auf. Dabei sang Mandy Sigismund alleine vor 2 000 Menschen – und die erste Strophe ganz ohne Begleitung. „Welche 13-Jährige kann das schon“, ist Martin Baldenius die Begeisterung noch immer anzumerken.

Seither fördert er Mandy, die einmal die Woche Gesangsunterricht bei ihm nimmt. Es liege ihm am Herzen, wenn er auf besonders klangvolle Stimmen aufmerksam wird, diese auch besonders zu fördern, sagt er. Zwei Klavierschüler hat er bis zum Studium gebracht. Der eine, Alekos Manjatis, spielte sogar in einer Konzerthalle eigene Kompositionen. Das sei in seiner Hamburger Zeit gewesen und damit schon eine ganze Weile her, räumt Martin Baldenius ein. Nicht ganz ohne Stolz denkt er dennoch gern daran zurück. Seit 15 Jahren lebt er inzwischen in der Lausitz. Er ist als Kirchenmusiker überregional tätig und für den Nordbereich von Bad Muskau bis Rietschen zuständig. Auch für den übergemeindlich angelegten Jugendchor.

Eine ehrgeizige Schülerin

„Im Chor sind Mandys Fähigkeiten etwas zurückgenommen, damit auch die anderen eine Chance haben, sich zu entwickeln“, erklärt Martin Baldenius. Die Abendmusik am Sonntag mit Mandy Sigismund als Solistin sei ein Ausgleich dafür. Er wird sie am Klavier begleiten. Die Stücke aus dem „abendfüllenden Repertoire“ sind zumeist Bestandteil des Gesangsunterrichts. Der Kantor lobt, wie zielstrebig Mandy arbeitet – und wie ehrgeizig sie ist. Der Gesangsunterricht dauert üblicherweise eine Stunde. Aber nicht selten auch länger, wenn die Schülerin selbst mit sich nicht zufrieden ist. Da müsse er dann schon mal bremsen, sagt Martin Baldenius.

Seit dem Frühjahr übt Mandy das „Ave Maria“. Nach den Sommerferien nahm sie sich die Sopran-Arie „Er weidet seine Herde aus“ aus dem Oratorium „Der Messias“ von Georg Friedrich Händel vor. Das 1741 komponierte und ein Jahr später in Dublin uraufgeführte Werk gehört zu den populärsten Stücken geistlicher Musik. Zu den sehr anspruchsvollen noch dazu. Am Sonntag stehen neben Schubert und Händel auch Werke von Rathgeber, Rutter, Frey und anderen auf dem Programm. Es erklingt aber keineswegs nur geistliche Musik. Mandy singt ebenso Titel von Sarah Connor und Sunrise Avenue und auch Kompositionen von Martin Baldenius. Dazu willkommen ist jeder. „Musik kann eine Brücke zur Kirche sein“, hat der Regionalkantor öfter festgestellt. Die Hemmschwelle sei niedriger als bei einem Gottesdienst.

Eltern drücken die Daumen

Besonders aufgeregt ist Mandy Sigismund vor einem Auftritt nicht. Wie viele Menschen im Publikum sitzen, davon lässt sie sich nicht beeindrucken. Wenn sie aber Leute entdeckt, die sie kennt, dann merke sie, wie die Aufregung doch langsam in ihr hochsteigt. „Es wird schon klappen“, sagt sie sich dann immer. Der Erfolg bescheinigt ihr das auch.

Das „Ave Maria“ zu singen, war eine Anregung von Mandys Mutti. Die Eltern sind stolz auf ihre Tochter. Wenn ihre Kinder etwas anfangen, sollen sie auch dranbleiben, ist ein Credo in der Familie. Selbstverständlich werden Mandys Eltern ihr auch in der Kirche in Klitten die Daumen drücken.

Pläne für Danach gibt es schon Einige. Ein Höhepunkt wird für die Sängerin und den Jugendchor der Evangelische Kirchentag 2019 in Dortmund sein. Ansonsten folge eins nach dem anderen.

Musik soll Hobby bleiben

Nach einer musikalischen Karriere befragt, winkt Mandy Sigismund ab. Sie würde viel lieber den Beruf ihres Papas ergreifen und Physiotherapeutin werden – und die Musik als Hobby betreiben. Martin Baldenius sieht das durchaus als einen guten Plan. Es gebe viele Berufsstände, die an sich so gar nichts mit Musik zu tun haben, dieser nur als Hobby frönen. Dies aber so professionell, dass man keinen Unterschied bemerkt. Er kenne da zum Beispiel einige Ärzte, sagt er. Mandy Sigismund möchte in einem Praktikum erstmal herausfinden, ob die Physiotherapie etwas für sie sei. Und natürlich wird sie auch weiterhin singen. Denn ohne Musik, so sagt die Schülerin, die auch Tiere und ganz besonders Kaninchen mag, könne sie sich ihr Leben ganz und gar nicht vorstellen.

Festliche Abendmusik am 4. November um 17 Uhr in der Kirche in Klitten, Halbendorfer Straße. Der Eintritt ist frei, eine Spende am Ausgang wird erbeten.