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(Außer-)Gewöhnliche Familien

18 Familien erzählen in einer interessanten Ausstellung aus ihrem Leben. Manche passen nicht ins vorherrschende Schema.

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© Krüger-Mlaouhia

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Dass Familie mehr sein kann als Mutter-Vater-Kind(er) hat die evangelische Kirche in Sachsen schon nach der Wende wahrgenommen. Damals kam bereits eine Broschüre zu vielfältigen Lebensgemeinschaften heraus. Doch Pfarrer hatten es lange nicht einfach, nach einer Scheidung weiter in ihrer Gemeinde arbeiten zu können. Auch die Katholiken taten sich schwer damit bzw. tun es noch heute. Paul aus der Ausstellung bekam zu hören, als er sich – damals noch als Frau – zum Mannsein bekannte: „Solche Menschen haben in der Kirche nichts zu suchen.“

Weil das Leben aber längst sehr vielfältig ist, hat die Evangelische Aktionsgemeinschaft Sachsen e. V. – der familienpolitische Dachverband der Landeskirche – die Wanderausstellung „So leben wir“ zusammengestellt. 18 ganz unterschiedliche Familienkonstellationen werden darin vorgestellt. Mit zum Teil großem Mut erzählen die Menschen, wie sie leben, und warum sie (außer-)gewöhnliche Gemeinschaften sind. Die Ehe von Paul und Markus gehört dazu, aber auch die Partnerschaft von Gerda und Anna, die mit Tochter Johanna zusammenleben. Diese wurde mit einer Samenspende von Gerdas Bruder gezeugt.

Gemeinsam auf dem Hof in Tauscha

Simone und Markus erzählen, warum sie sich beide schon auf ein Singledasein eingerichtet hatten und wie sie sich in später Liebe fanden. Silvia und Matthias sind kinderlos geblieben, Matthias wollte lange Zeit Priester werden und deshalb gar nicht heiraten. Familie Fenchel mit fünf Kindern ist eine binationale Familie.

Auch die Dittrichs, Köhns und Förster/Köhns sind dabei. Sie wohnen alle in Tauscha unter einem Dach. Auf dem Hof gibt es Betten für Pilger auf dem Jacobsweg. Drei Generationen leben hier zusammen. Sie erzählen, wie sich der Alltag für sie im Laufe der Jahrzehnte veränderte. Andere Porträts der Ausstellung beinhalten sogar Angaben zum Familienbudget, zur Zeit, die für die Familienarbeit aufgewendet wird, und zu den Kraftquellen der Mitglieder.

Vieles liest sich spannend und sehr individuell. Damit kann man die persönliche Situation und Entscheidung Einzelner gut nachvollziehen. „Familie lässt sich in kein Schema pressen“, sagt Sozialministerin Barbara Klepsch im Vorwort. Eine gute Gemeinschaft ist überall da, wo man gegenseitig und auf Dauer Verantwortung füreinander übernimmt.

Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, Verantwortlichkeit – diese drei Eckpfeiler ziehen sich durch alle Ausstellungstafeln. Wo sie erfüllt sind, kann man von gelingendem Familienleben sprechen – auch wenn die Personen-Konstellation ungewöhnlich ist. Schließlich gibt es für alle ähnliche Rahmenbedingungen wie Einkommen, Freizeit, Unterstützung, damit der Alltag mit Freude und Erfolg gemeistert werden kann.

Schon zur Ausstellungseröffnung in der Marienkirche vorigen Sonntag soll es lebhafte Diskussionen gegeben haben. Immerhin ist Großenhain erst die zweite Station dieser Wanderausstellung, die von Mai bis Juni im sächsischen Sozialministerium in Dresden zu sehen war. Bis Ende August bleibt sie in Großenhain, dann gehen die 20 frei stehenden Rollups weiter in die evangelische Fachhochschule Moritzburg.

Nur Momentaufnahmen

Zu den Daten und Fakten der Statistik gehört auch, dass in Sachsen derzeit weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Familien lebt. Der Anteil der Einpersonenhaushalte ist seit 1991 um über 14 Prozent gestiegen. Der Landkreis Meißen hat prozentual etwa gleich viele alternative Lebensformen wie die Stadt Dresden, zum Beispiel Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende.

Damit das Nachdenken über Familie auch zu Hause weitergehen kann, liegt die Ausstellung auch als Broschüre zum Mitnehmen bereit.