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Auslaufmodell Wochenmarkt?

Klassische Händler haben viele Probleme: Konkurrenz der Einkaufscenter, weniger Kundschaft, keine Nachfolger. Auch in Coswig.

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© Norbert Millauer

Von Uta Büttner

Coswig. Sie gehören zu einer vielleicht aussterbenden Zunft. Klassische Händler, die von Markt zu Markt ziehen. Einer von ihnen ist Ulrich Kornack mit seinem Stahlwaren-Fachgeschäft. Seit 34 Jahren fährt er jeden Morgen zu einem anderen Ort, um seine Waren anzubieten. Einmal im Jahr kommt er auch nach Coswig auf den Wettinplatz. Aber auch Bautzen oder Berlin stehen in seinem Kalender. Dann heißt es ganz früh aufstehen, etwa 3 Uhr. Und nicht immer ist Sonnenschein, wie an diesem Tag. Ulrich Kornack liebt seinen Beruf. „So lange ich kriechen kann, mache ich das noch.“ Er bietet viele Produkte an, die es nirgendwo mehr gibt. Ein Vorteil für ihn. „Ich habe viele Stammkunden.“ Aber auch er findet keinen Nachfolger. Wenn er aufhört, dann gibt es seine Messer, Scheren und Pinzetten nicht mehr.

Fehlender Nachwuchs. Diese Situation kennt auch die bundesweit agierende Deutsche Marktgilde, die Wochenmärkte an 120 Standorten organisiert. „Etliche Händler gehen in Rente und haben Probleme mit der Unternehmensnachfolge. Selbst gut eingeführte Marktgeschäfte finden keinen Nachwuchs, weil es ein ‚Knochenjob‘ ist“, sagt Katrin Schiel, Niederlassungsleiterin der Deutschen Marktgilde in Dresden.

Auch Karin Anders-Klimpel steht regelmäßig mit ihren Textilwaren auf dem Markt in Coswig. Zeitig aufstehen, viele Stunden stehen und wenig Kundschaft. „Die Einkaufcenter und der Online-Handel machen viel kaputt“, sagt sie. Zumeist kommen nur noch Rentner auf den Markt. Aber genau für ältere Menschen ist der Markt sehr wichtig. Ein sozialer Treffpunkt. Das bestätigt Marktleiterin Elvira Winter. Sie ist bei der Stadt angestellt, die den Markt selbst betreibt. Eher eine Seltenheit heutzutage. „Den Kommunen fehlen Personal und Spezialwissen, um Wochenmärkte wirtschaftlich zu organisieren“, nennt Katrin Schiel einen Grund: „Die Stadtverwaltungen wollen ihre Haushalte finanziell entlasten, weil die Einnahmen des Wochenmarktes oft nicht mehr die Veranstaltungskosten decken.“

Coswigs Bürgermeister Thomas Schubert nennt jedoch einen Vorteil: „Wenn die Kommune den Markt selbst betreibt, hat sie größeren Einfluss auf das Geschehen, was auf dem Wochenmarkt passiert.“ Dabei betont er, dass der Wochenmarkt ein Betrieb gewerblicher Art ist, der wie ein Unternehmen arbeiten und rechnen muss. Die Finanzierung erfolgt aus den Standentgelten. Deshalb müssten diese auch regelmäßig an veränderte Kostenentwicklungen angepasst werden.

Verständlich, aber zugleich schwierig für Händler. Denn die haben ohnehin zu kämpfen. Neben fehlender Kundschaft und höherer Standkosten sind auch alle anderen Ausgaben gestiegen, wie beispielsweise die Spritpreise, sagt Karin Anders-Klimpel.

Auch Jürgen Löbus wird seine Haushaltwaren nicht mehr lange anbieten. Seit 1993 betreibt er sein Geschäft. „Ich arbeite vielleicht noch sechs Jahre.“ Dann ist Schluss. Einen Nachfolger gibt es nicht. Er bietet viele alte Ostprodukte an. Aber es kommen immer weniger Besucher. Das bedeutet weniger Umsatz. Und die Bürokratie hat immer mehr zugenommen, klagt der Händler. „Nach acht Stunden haben wir noch lange nicht Feierabend.“ Er bedauert, dass kleine Märkte mehr und mehr verschwinden. Grund: „Die Händler, die noch aktiv sind, suchen sich die Marktstandorte aus, wo sie die meisten Kunden und damit den höchsten Umsatz erwarten. Und das ist nun mal in den größten Städten mit den meisten Einwohnern“, sagt Marktgilde-Mitarbeiterin Katrin Schiel. Mit diesem Problem haben die Organisatoren zu kämpfen. So auch Elvira Winter: „Man muss Händler suchen und direkt ansprechen.“ Wichtig sind auch die Angebote und Präsentation der Waren. So kommt Ulrich Kornack gern auf den Wettinplatz: „Coswig ist ein gut sortierter Markt.“

Werden Wochenmärkte eines Tages verschwinden? Die Marktgilde sagt Nein. „Wir glauben an den Fortbestand. Mit ihrem Alleinstellungsmerkmal ‚Einkaufen unter freiem Himmel‘ werden sie auch in 20 oder 50 Jahren noch ihre Kundschaft haben.“ Aber der Handel ist im Wandel. Darauf müssen sich die Betreiber einstellen. Das könne laut Katrin Schiel veränderte Marktzeiten oder Angebote bedeuten. Als Beispiel nennt sie mehr Imbisse oder Aufenthaltsmöglichkeiten. Auch Ulrich Kornack meint: „Märkte wird es immer geben. Aber sie verändern sich.“