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Ausbildung bei 600 Grad

Flammen und Explosionen auf Knopfdruck – mehr als 200 Feuerwehrleute üben in Glaubitz den Ernstfall.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Glaubitz. Als Mirco Heinig und Richard Weiß die Leiter hinaufsteigen, dringen schon dicker Rauch und eine unsagbare Hitze aus den kleinen Fenstern des Containers. Hohe Flammen lodern ihnen entgegen, als die beiden Feuerwehrmänner die Treppe zu den brennenden Räumen betreten. Ein ohrenbetäubendes Knarzen und menschliche Schreie machen jedes Gespräch unmöglich. Das Szenario steht in krassem Widerspruch zu dem freundlichen Drachen, der mit breitem Grinsen und leuchtend oranger Farbe auf den Container gemalt wurde. Und auch die Männer von der Werkfeuerwehr der Wacker Chemie AG wirken nicht annähernd so gestresst, wie man es bei einem Wohnungsbrand annehmen könnte. Nicht nur, weil Mirco Heinig und Richard Weiß ein eingespieltes Team sind. Der vermeintliche Wohnungsbrand ist an jenem Montagnachmittag auch nur eine Übung – im Brandübungscontainer, der eine Woche lang auf dem Gelände des Feuerwehrtechnischen Zentrums (FTZ) in Glaubitz steht.

Das Sofa brennt – in dem Container stehen unzerstörbare Möbel.
Das Sofa brennt – in dem Container stehen unzerstörbare Möbel. © Sebastian Schultz
Ein Knopfdruck reicht – vom Leitstand aus steuert Dominik Zitta das Feuer.
Ein Knopfdruck reicht – vom Leitstand aus steuert Dominik Zitta das Feuer. © Sebastian Schultz

Die mobile Anlage der Firma Dräger wird dem Landkreis Meißen bereits zum achten Mal von der Enso zur Verfügung gestellt, sagt Kreisbrandmeister Ingo Nestler. Mehr als 200 Feuerwehrfrauen und -männer werden dieses Mal geschult, sie kommen aus freiwilligen Wehren aus den Landkreisen Meißen, Nord- und Mittelsachen sowie aus einer Werk- und einer Betriebsfeuerwehr. Das Angebot sei für alle freiwillig, aber sehr sinnvoll, so der Kreisbrandmeister. Denn zwar müssten die sogenannten Atemschutzgeräteträger neben einem regelmäßigen Gesundheitscheck auch einmal im Jahr die Übungsanlage im FTZ bezwingen. „Da wird ein Brand in einer Art Käfig simuliert, in dem man nicht einmal aufrecht stehen kann. Das sind schon erschwerte Bedingungen“, so Ingo Nestler. „Was wir hier aber nicht simulieren können, ist die Hitze.“ Der Brandübungscontainer dagegen könne das.

Mit Gas wird das Feuer im „Fire Dragon 7 000“ entzündet. 300 bis 400 Grad heiß ist es dort während der Übungen, bei dem Flashover – einer explosionsartigen Ausbreitung der Flammen – bis zu 600 Grad. „In der Realität sind es sogar eher um die 1 000 Grad. Da merkt man die Hitze bis in die Lunge“, sagt Dominik Zitta. Er ist Berufsfeuerwehrmann bei Bosch, freiwilliger Feuerwehrmann in seiner Heimatstadt Zella-Mehlis und einer von acht Bedienern des „Fire Dragon 7 000“. Ein Knopfdruck von ihm reicht, um das eiserne Sofa in Brand zu setzen oder den Topf auf dem Herd explodieren zu lassen. „Die Leute kriegen das Feuer nicht aus, wenn ich das nicht will“, sagt er, während er die Übung des Wacker-Trupps von seinem Leitstand aus verfolgt. Durch eine Glasscheibe sieht er genau, ob die Feuerwehrmänner ihren Rückzugsweg ordnungsgemäß sichern, ob sie sich an einer geschlossenen Tür lehrbuchmäßig verhalten und nicht einfach aufreißen und damit einen Flashover riskieren. „Ich regel’ erst ab, wenn ich den taktischen Erfolg sehe“, sagt Dominik Zitta. Und macht keinen Hehl daraus, dass er den Schwierigkeitsgrad bei Berufsfeuerwehren gern ein bisschen nach oben schraubt. Das Feuer macht in der Realität zwar keinen Unterschied, gibt er zu. Aber die meisten freiwilligen Kameraden hätten gerade im ländlichen Raum nur sehr selten mit Wohnungs- oder Industriebränden zu tun. Die Übung im Container sei für sie deshalb eine viel größere Herausforderung als für die Berufsfeuerwehr.

Dennoch ist der Übungseinsatz auch für die Kameraden der Werkfeuerwehr sinnvoll, findet Mirco Heinig zehn Minuten später, als er die Leiter vom Containerdach hinabklettert und wieder tief durchatmen kann. Zwar halte sich die körperliche Belastung in Grenzen, aber nur durch solche Übungen erhalte man die Routine beim Löschangriff. Man trainiere so nicht nur die Handgriffe, sondern auch die Kommunikation. „Das war hier vielleicht das Schwierigste“, ergänzt Richard Weiß. Bei dem Lärm und Rauch geht das im Container nämlich nur noch über Sichtzeichen oder Schulterklopfen.