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Aufsichtsrat wird Ehrenamt

SZ-Redakteurin Birgit Ulbricht über eine kleine, feine Änderung.

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© Kristin Richter

Zugegeben, „Aufsichtsrat wird Ehrenamt“ klingt übertrieben, aber am Ende läuft es genau darauf hinaus. In der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause wird im letzten Tagesordnungspunkt der Passus behandelt: „Festsetzung der Aufwandsentschädigung der Aufsichtsratsmitglieder der städtischen Wohnungsgesellschaft.“ – Die soll steigen.

Nun was sonst heutzutage, werden Sie denken. Allerdings steigt der Obolus von 92,96 Euro im Monat auf 95 Euro. Da wiederum lacht die freie Wirtschaft nur. Seit 23 Jahren ist das zudem die erste Anhebung überhaupt. Doch es kommt noch drastischer: Mit der marginalen Aufrundung soll gleichzeitig das Sitzungsgeld wegfallen, ebenfalls 92,96 Euro. Macht bei regulär vier Sitzungen im Monat fast 400 Euro Minus. Ein schlechtes Geschäft für die Stadträte.

Aber man will, so die Begründung des Oberbürgermeisters, die kommunale Wohnungsgesellschaft entlasten. Denn im Aufsichtsrat sitzen mit OB und Beigeordnetem (die mehr bekommen), neun Personen, entsprechend Wahlergebnis. Und sind dabei immer noch besser dran, als im Aufsichtsrat der Kulturzentrum Großenhain GmbH zu sitzen – dort gibt es keinen Cent. Selige Zustände in Großenhain, möchte man ausrufen! Wenn doch alle so bescheiden handelten, die Welt wäre gleich ein Stück besser. Wirklich?

Aufsichtsrat ist eben kein Ehrenamt. Wer diesen wichtigen Posten zur notwendigen Begleiterscheinung eines Stadtrates macht, muss damit rechnen, dass das Engagement schwindet oder sich die Großenhainer künftig genau überlegen, ob sie überhaupt Stadtrat sein wollen. Denn wer seinen Ehren-Job als Stadtrat und darüber hinaus den als gewählter Aufsichtsrat ernst nimmt, investiert viel Zeit und Mühe in anstehende Probleme. Fachkräfte ohne Lohn halten – das funktioniert auf Dauer nicht einmal bei Stadträten.

E-Mail an Birgit Ulbricht