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Aufschwung für die Tischler

Mitten im Wohngebiet hat Uwe Hiergesell seine Werkstatt. Er setzt auf Individualität. Trotz Boom in der Baubranche.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Dieses Möbelstück konnte das Rentnerpaar in keinem Einrichtungshaus finden. Ein CD-Regal sollte es sein. Eins, was zur Einrichtung im Wohnzimmer passt. Das genauso aussieht wie die liebgewonnene DDR-Schrankwand. Mit einem Zettel in der Hand standen die beiden in der Werkstatt von Uwe Hiergesell in Coschütz. „So kommen sie immer“, sagt er. Zusammen haben sie über die Wünsche gesprochen. Das CD-Regal steht nun schon lange neben der DDR-Schrankwand. „Die Freude der Kunden ist der größte Lohn“, sagt er.

Uwe Hiergesell ist einer von 134 Tischlern in Dresden. Die Branche boomt. Überall entstehen neue Häuser und Wohnungen. Die Stadt lässt Schulen und Kindergärten sanieren oder neu bauen. Fenster, Türen, Treppen, Dachbalken und Fußböden aus Holz sind gefragt. Davon profitieren die Handwerker. Die Zahl der Betriebe steigt. In den vergangenen Jahren kamen stets ein bis drei Betriebe pro Jahr dazu. Auch die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge steigt stetig. „Die Lage im Tischlerhandwerk ist generell gut“, sagt Carolin Schneider, Sprecherin der Handwerkskammer. Das liege auch an der starken Baubranche.

Für diese Großaufträge ist Uwe Hiergesells Betrieb zu klein. Schlimm sei das nicht, sagt Jan Eckold, Geschäftsführer der Landesinnung Tischler. „Neben den Aufträgen der öffentlichen Hand gibt es derzeit genug Arbeit für die Tischler, mehr als genug.“ Uwe Hiergesell und seine zwei Mitarbeiter kümmern sich hauptsächlich um Privatkunden. Die kommen aus ganz Dresden zu dem Betrieb im Wohngebiet an der Saarstraße 19. Nicht nur mit Aufträgen für neue Möbel. Hier wird auch repariert. Je mehr die Menschen an alten Dingen hängen, desto eher seien sie bereit, damit zum Tischler zu kommen, sagt Uwe Hiergesell. „Viele fragen gar nicht nach dem Preis.“

Schon vor der Wende hat der 54-jährige Freitaler als Tischler gearbeitet. 2006 übernahm er die Werkstatt in Coschütz. Schon über 100 Jahre lang hat es an der Stelle eine Werkstatt gegeben. Eine Schmiede, eine Schlosserei und zuletzt ein Werkzeugmaschinenmacher hatten darin gearbeitet. Der musste aus Altersgründen aufgeben. Das friedliche Miteinander im Wohngebiet hat stets funktioniert. Gegenseitig achten der Tischler und die Coschützer aufeinander. „Wenn wir mal zu laut sind, geben die Nachbarn Bescheid“, sagt Uwe Hiergesell.

So viel Offenheit wünscht er sich auch von potenziellen Kunden. Ihn ärgert, dass die zuerst in die Möbelhäuser gehen. Klar, wer auf das Geld achten muss, zieht die günstigen Sperrholzmöbel vor. Jedoch seien die Preise für hochwertige Möbel im Einrichtungshaus mitunter höher als Individuelles aus der Tischlerei. Und diese Produkte halten kaum länger. So musste der Tischler schon Fertig-Möbel nach zwei Jahren reparieren. Einmal habe sich eine Kundin über ihre neue Schrankwand beschwert. Die CDs passten nicht in die Schieber. „Individuell angefertigt wäre das nicht passiert“, sagt er. „Doch viele wissen nicht, was wir Tischler alles können.“

Dieser Einschätzung schließt sich Jan Eckold an. Die Innung vertritt rund ein Drittel der sächsischen Tischler. Um sich langfristig zu etablieren, müssen sich die Handwerker spezialisieren, sagt er. Entweder Möbel oder Treppen oder Fenster und Türen. Und sie müssen höhere Preise verlangen, einen Stundensatz von 40 Euro ohne Mehrwertsteuer. Derzeit kalkulieren die Tischler mit 25 bis 30 Euro pro Stunde. „Und wir müssen mehr werben“, sagt er. Bewusst habe sich die Innung den Elbepark ausgesucht, um die Kreationen aus Holz der besten Junggesellen zu zeigen – genau zwischen den Ketten Ikea und Höffner.

Auch Uwe Hiergesell setzt auf Werbung. Derzeit arbeitet er an seiner Homepage. Außerdem will er seine Werkstatt interessierten Besuchern zeigen. Für einen Tag der offenen Tür arbeitet er mit der benachbarten Bäckerei und einer Fotografin aus dem Stadtteil zusammen. „Die Leute wollen wieder mit uns ins Gespräch kommen“, sagt er. „Das Vertrauen ist wichtig.“

Tag der offenen Tür bei Tischler, Bäcker und Fotografin, Saarstraße, diesen Sonnabend, 10 bis 17 Uhr.