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Aufregung um ein Video

„Ich bleibe in Deutschland“, rappt der Flüchtling, der in Bautzen als „King Abode“ bekannt wurde. Das provoziert viele.

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© Youtube

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Es ist eigentlich nur eines von Hunderten wackeligen Smartphone-Videos, die jeden Tag im Internet hochgeladen werden. Und es wäre wohl auch fast unbemerkt geblieben, würde es nicht von Mohamed Youssef T. stammen. Der junge Libyer, Anfang 20, der sich selbst gern „King Abode“ nennt, war zum ersten Mal vor gut zwei Jahren während der Ausschreitungen auf der sogenannten Platte im Bautzener Stadtzentrum aufgefallen.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen rechtsgerichteten deutschen Jugendlichen und jungen Flüchtlingen im September 2016 war er einer, der sich ganz besonders hervortat. Für viele gilt er gar als Anführer der jugendlichen Asylbewerber. Bei einer Demonstration war T. von der Polizei in Gewahrsam genommen worden; wogegen er sich massiv wehrte …

Weil er auch in der Folgezeit immer wieder für Aufregung sorgte, wurde er im August 2017 mit einem dreimonatigen Aufenthaltsverbot für Bautzen belegt, um für eine Entspannung der Lage zu sorgen. Er musste sein Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft „Green Park“ an der Bautzener Flinzstraße räumen und in die kleinere Unterkunft in der Siedlung Rossendorf bei Radeberg umziehen. Was tatsächlich – zumindest oberflächlich – für Ruhe sorgte.

Und nun also das verwackelte Handy-Video: Sprechgesang mit Techno-Rhythmen unterlegt. Vieles, was der junge Libyer da „rappt“, ist zwar kaum wirklich zu verstehen, ziemlich deutlich allerdings ist zu hören: „Polizei, ich habe keinen Respekt vor euch …“ Und es folgt die selbstbewusste Aussage: „Ich bleibe hier in Deutschland!“ Womit er auf seinen laufenden Widerspruch gegen den bereits mehrfach abgelehnten Asylantrag anspielt.

Der Zeitpunkt für das am 27. August auf der Internetplattform „Youtube“ veröffentlichte Video hätte jedenfalls kaum schlechter gewählt sein können. Mitten in der aufgeheizten Stimmung rund um die Tötung eines 35-jährigen Deutschen in Chemnitz durch jugendliche Asylbewerber und dem Versuch rechter Kreise, aus diesem Fall politisches Kapital zu schlagen. Und so wird das wackelige Filmchen dankbar aufgenommen, um politisch Stimmung zu machen. Alice Weidel – die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag – setzte das Video auf ihre Kanäle in den sozialen Netzwerken, mit der Aufforderung, es zu teilen. Das funktionierte, in Kürze schnellte die Zugriffszahl in die Zehntausende.

Seit Montagabend lässt sich das Video auf Youtube allerdings nicht mehr öffnen. Schon zuvor hatte sich der Chef der Bautzener CDU-Stadtratsfraktion, Karsten Vogt, zu Wort gemeldet und erklärt, wie der Film aus seiner Sicht zu bewerten sei: „Er hat eine klare Antwort gegeben, dass er sich nicht in unsere Gesellschaft integrieren will“, kommentiert Vogt. Stattdessen verhöhne der Libyer öffentlich den Staat und seine Repräsentanten. „King Abode“ beeinträchtige die innere Ruhe und Ordnung der Stadt, ist Vogt überzeugt. „Jeder Mensch soll in Deutschland leben können, der hier arbeiten will, die Gesetze akzeptiert und sich in die Gesellschaft integriert – auf King Abode trifft dies jedoch nicht zu.“ Und so wünscht sich der CDU-Mann eine möglichst schnelle Behandlung der gegen den Libyer anhängigen Strafsachen.

Und das sind einige. Weshalb der junge Libyer von der Polizei als Intensivtäter eingestuft wird. Die Vorwürfe lauten: Diebstahl, Drogenbesitz, Körperverletzung, Sachbeschädigungen und auch Beleidigungen. Allein am Jugendgericht in Bautzen sind es fünf Anklagen, die jeweils mehrere einzelne Tatvorwürfe zusammenfassen. Und am Jugend-Schöffengericht geht es um die Vorfälle auf der „Platte“ vom 14. September 2016 – hier wird Mohamed Youssef T. gemeinsam mit neun weiteren Angeklagten Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Wann die Verfahren laufen, ist noch offen. Doch der Plan der Gerichte ist es, die „kleinen“ Einzelfälle diesmal zu einer Hauptverhandlung zusammenzufassen. Das könnte dann erstmals zu einer spürbaren Strafe führen.

Also dürfte Mohamed Youssef T. mit seinem Video nicht nur für politischen Wirbel gesorgt haben, den niemand wirklich braucht, schon gar nicht die hier lebenden Flüchtlinge. Sondern auch sich selbst hat er wohl keinen Gefallen getan. Das sieht auch der Bautzener Linken-Stadtrat Steffen Grundmann so, der den Libyer regelmäßig im Jugend- und Kulturzentrum Steinhaus getroffen hat, „ohne wirklich engen Kontakt zu haben“. Grundmann, der als Sozialarbeiter Flüchtlinge unterstützt, reagiert dennoch eher zurückhaltend. Er wolle in die Angelegenheit nichts hineininterpretieren, sagt er auf die Frage, was „King Abode“ mit dem Video bezwecken wolle. „Es haben schon viel zu viele viel zu viel hineininterpretiert.“ Das Video sei in jedem Fall unnötig, ist er zumindest skeptisch, welche Auswirkungen das Ganze auf die anstehenden Gerichtsverhandlungen haben könnte. „Aber das ist Sache der Zuständigen, ich habe da vollstes Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden“, unterstreicht der Bautzener.

Zuvor wird allerdings das Verfahren zum Widerspruch gegen die Ablehnung des Asylantrags laufen. In den kommenden Wochen wird sich das zuständige Oberverwaltungsgericht in Bautzen damit befassen, wie Sprecherin Norma Schmidt-Rottmann erklärt: „Die Berufung ist mit Beschluss vom 24. Juli 2018 zugelassen worden, die mündliche Verhandlung wird voraussichtlich im Oktober stattfinden.“

Bis dahin dürfte sich die Aufregung um das Video wahrscheinlich wieder gelegt haben. Was auch im Interesse des Bautzener Landratsamtes sein dürfte, das für die Unterbringung von Mohamed Youssef T. verantwortlich ist. Das Video wolle man nicht kommentieren, heißt es. Man sei vielmehr froh gewesen, dass um den Libyer Ruhe eingekehrt gewesen sei. Der Flüchtling lebe noch immer in einer Unterkunft des Landkreises, so Kreissprecherin Dunja Reichelt. Wo genau, dazu sagt die Behörde aus Sicherheitsgründen nichts.