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Aufräumen mit 270 Pferdestärken

Im Klosterbucher Staatsforst „schnurpst“ ein Harvester die von Orkan „Friedericke“ zu Fall gebrachten Bäume klein. Etwa die Hälfte ist geschafft.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Döbeln/Leisnig. Es sieht kinderleicht aus: Eine Art Greifarm packt sich einen Baumstamm. Der wird aus dem Wald gezerrt und baumelnd vermessen. Danach geht alles wieder blitzschnell – und schon liegt der Baum in relativ handliche, aber vor allem gleichmäßige Stücke zerteilt am Wegesrand. Was ein Laie sicher fasziniert beobachtet, ist für Ronald Köllner, den Leiter des Forstreviers Klosterbuch/Thümmlitz, inzwischen nichts Neues mehr. Für Dietmar Dietze aus Lossatal bei Wurzen ist es sogar beinahe Alltag. Der Chef eines Baum- und Forstservices ist mit mehreren Partnerfirmen dabei, die Waldflächen im Klosterbucher Staatsforst von den Bäumen zu befreien, die Orkan „Friederike“ vor fast genau vier Monaten zu Fall gebracht hat. „Nach aktuellen Hochrechnungen sind es 10 000 Festmeter Holz“, sagt Ronald Köllner. Nach einer ersten Übersicht war er „nur“ von 8 000 Festmetern ausgegangen. Ein Festmeter entspreche ungefähr einem mittelstarken Baum.

Der Hochstand, an dem Revierförster Ronald Köllner steht, hat den Orkan im Januar „überlebt“, während ringsherum die Bäume zu Boden krachten.
Der Hochstand, an dem Revierförster Ronald Köllner steht, hat den Orkan im Januar „überlebt“, während ringsherum die Bäume zu Boden krachten. © André Braun

Fürs Pferd zu steil

Seit Mitte Februar wird in dem 650 Hektar großen Staatswaldrevier Klosterbuch aufgeräumt. Mithilfe von Pferden, aber auch von motorbetriebenen Seilschleppern und Holzvollerntern – sogenannten Harvestern. Die werden gewöhnlich bei der Holzernte eingesetzt. Die Technik fällt den Baum, trennt sämtliche Äste ab und schneidet sie auf die von den Sägewerken oder anderen Verarbeitungsbetrieben gern genommene Länge. Die misst niemand mehr umständlich ab. Das alles funktioniert automatisch. Davor und dem großen Gefährt hat Carsten Witscher aus Eibenstock nach wie vor Respekt. Er bedient die Technik und ist damit von einer bis sechs Pferdestärken auf 272 PS umgestiegen. „Das wollte ich nie“, gibt er zu. Doch der Entwicklung und den Erfordernissen wollte er sich nicht verwehren und hat – noch vor dem Orkan – den Harvester für mehrere hunderttausend Euro angeschafft. Ohne diese Technik wäre er im Maylust-Gebiet nicht mit von der Partie gewesen, wäre ihm dieser Auftrag glattweg durch die Lappen gegangen.

In dem Taleinschnitt sind die Hänge viel zu steil. „Mit einem Rückepferd könnten wir hier nicht arbeiten“, erklärt er. Ungefährlich ist die Sache aber auch mit Seilzug- und Harvester-Technik nicht. Vor allem für den ersten Mann, der sich in das Waldgebiet begeben und die ersten Handgriffe mit der Motorsäge erledigen muss. Die umgestürzten Bäume liegen nach wie vor übereinander, sind ineinander verdreht, Wurzelballen stehen zwei Meter und höher in der Luft. Sie müssen wirklich bei der Sache bleiben, sagen die vier Männer, die zurzeit im Klosterbucher Forstrevier in großem Stil aufräumen.

Die Ergebnisse werden Wanderer zu Pfingsten sehen, wenn sie zur Rast auf die Maylust pilgern. Am Hauptweg liegen die akkurat geschnitten Baumstämme zur Abholung bereit. Dieses Bild wird sich wohl noch den gesamten Sommer über halten. „Ich denke, dass wir erst im September mit dem Beräumen fertig sein werden“, schätzt der Revierförster.

Gefahren lauern überall

Waldnutzern legt er nach wie vor ans Herz, mit offenen Augen durch die Waldgebiete zu gehen und mal den Blick nach oben schweifen zu lassen. Auch über Wegen kann nicht jeder Ast, der lose hängt, aus den Bäumen genommen werden. „Selbst wenn die Waldwege inzwischen von umgestürzten Baumen freigeräumt sind, betritt jeder die Wälder auf eigene Gefahr.“ Möglichst keine Gefahr sollen die Wurzelteller umgestürzter Bäume darstellen. Sie bleiben im Wald liegen – genau wie Holz, das wie kleinteiliges Bruchholz nicht mehr verwertet werden kann. „Ich denke mal, 2 000  Festmeter bleiben zurück“, so Ronald Köllner. Das Totholz wird als neuer Lebensraum für Insekten, Pilze und Vögel schnell wieder „lebendig“.

Wettlauf mit dem Borkenkäfer

Weggeräumt werden auf jeden Fall umgestürzte Lärchen und Fichten. Bei den Nadelgehölzen ist sozusagen Gefahr im Verzug. Denn der Borkenkäfer schwärmt inzwischen wieder aus, um Nachwuchs zu produzieren. Um dem Forstschädling in Zukunft weniger Angriffsfläche zu bieten, wird bei den Aufforstungen in den hiesigen Regionen überwiegend auf Nadelbäume verzichtet. „Vielleicht pflanzen wir mal eine Tanne oder eine Lärche, aber keine Fichten, die sind nicht regionaltypisch“, erklärt der Forstfachmann.

Nach seinen Worten wird im Staatsforst wahrscheinlich schon im kommenden Jahr mit der Aufforstung begonnen, das Gros jedoch erst in den Jahren 2020 und 2021 neu bepflanzt. Köllner geht davon aus, dass die Baumschulen erst entsprechendes Material ziehen müssen, den um ein vielfaches höheren Bedarf nicht ohne weiteres decken können. Vor allem mit Rotbuchen, Eichen und Linden werden freie Flächen aufgeforstet. Allerdings müssen die größer als 0,3 Hektar sein. Was kleiner ist, will der Forst der natürlichen Waldverjüngung überlassen. „Das klappt “, ist sich der Revierförster sicher.