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Aufräum-Aktion am illegalen Badesee

Eigentlich ist die Kiesgrube bei Nieska ein Gewässer für Angler. Doch die haben mit ungebetenen Gästen zu tun – und deren Müll.

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© Klaus-Dieter Brühl

Klaus-Dieter Brühl

Nieska. Angler sind Frühaufsteher, auch am Sonnabend. Noch liegt leichter Dunst über der Gohrischheide, es ist fast windstill, und die beiden Angelgewässer – zwei ehemalige Kiesgrubenteiche bei Nieska – sind spiegelglatt. Und während sich die Morgensonne durchs leichte Gewölk zwängt, sieht man schon die ersten Angler – wenn auch nicht beim Angeln. Heute ist Müllsammeln angesagt und Rasenmähen. Zur Putzaktion sind die Angelfreunde des Riesaer Sportanglervereins gekommen.

So ist es gedacht: Angler Friedhelm Leuschner zeigt, wie es eigentlich an der Kiesgrube zugehen soll.
So ist es gedacht: Angler Friedhelm Leuschner zeigt, wie es eigentlich an der Kiesgrube zugehen soll. © Klaus-Dieter Brühl
Kurioses Fundstück bei der Müll-Aktion: ein Dildo. Den könnten illegale Badegäste hinterlassen haben.
Kurioses Fundstück bei der Müll-Aktion: ein Dildo. Den könnten illegale Badegäste hinterlassen haben. © Klaus-Dieter Brühl

Der Verein existiert seit 1991 und betreut mit seinen derzeit 177 Mitgliedern aus der gesamten Region zwischen Riesa und Gröditz die beiden Gewässer. Eigentümer der Teiche ist allerdings der Dresdner Angelverein „Elbflorenz“. Am Sonnabend sind 25 Leute zum Arbeitseinsatz da, diesmal alles Angler des Riesaer Vereins.

„Hier gibt es Karpfen, auch Hecht, Zander, Barsch, Rotfeder und etliche andere Fischarten“, erzählt Maik Rühle, seit Januar 2017 Vereinschef. Ursprünglich wurden die Fische von den Angelfreunden in die beiden vom Grundwasser gespeisten und bis 16 Meter tiefen Abbau-Restlöcher eingesetzt. Inzwischen reproduzieren sich die Tiere in dem klaren Wasser selbst, laichen hier, werden groß, fressen je nach Art die Pflanzen im Teich oder die kleineren Fische und bewohnen also ein offenbar intaktes Biotop. Und werden schließlich von den Vereinsmitgliedern oder von Gast-Anglern anderer Vereine geangelt. Kies wird hier schon seit den 90ern nicht mehr gefördert, nur einige Schrott-Teile erinnern noch an den einstigen Abbau.

Also ein Idyll für Naturliebhaber, Ruhesuchende und eben Angler? Nicht immer. Denn sobald die Temperaturen über 25 Grad steigen überschreiten, bevölkern täglich bis zu 150 „Badegäste“ die beiden Angelgewässer. In diesem Sommer besonders oft – ungeachtet der Schilder mit der Aufschrift „Lebensgefahr“ und „Privatgelände“. Betreten verboten? Vereinschef Rühle winkt ab. „Das interessiert doch heute niemanden mehr. Die machen hier, was sie wollen. Der Respekt voreinander ist völlig abhandengekommen. Im Sommer sind die beiden Teiche als Angelgewässer faktisch nicht nutzbar“. Dass es sich um Bergbau-Restlöcher und ein tiefes Gewässer handelt, in dem man ertrinken kann, scheine kaum jemanden zu stören. Familien mit kleinen Kinder bevölkerten besonders gern die flachen Stellen. Ungeachtet möglicher Erdrutschen wie am Senftenberger See, der ja eine Zeit lang komplett gesperrt werden musste.

Hier haben auch die anderen Angler, die inzwischen ihre Sammelaktion beendet und rund 20 blaue Säcke mit Müll zusammengetragen haben, einiges beizusteuern und machen ihrem Ärger Luft. Sobald die illegalen Badegäste da seien, sei an Angeln nicht mehr zu denken. Rücksichtnahme gebe es nicht, es werde direkt neben den Anglern gebadet, Kinder würfen schon auch mal ein paar Steine ins Wasser in Richtung Angler. Jugendliche fällten Bäume, um Unterstände zu bauen. Es werde wild gezeltet, Lagerfeuer gemacht. Woher die Badegäste stammen, zeigten die Kennzeichen der abgestellten Autos: EE, RG, MEI bis KAM, BZ und sogar DD reiche das Einzugsgebiet der Wild-Bader.

Die Stadt Gröditz habe für die am Straßenrand parkenden Autos Knöllchen verteilt. Doch das habe alles nichts geholfen. Für die Teiche selbst und deren Umfeld ist der Eigentümer zuständig. Also die Polizei rufen? Da lächeln die Angler milde. „Versuchen Sie mal, an einem Sonntagnachmittag die Polizei nach Nieska zu holen. Wegen illegalen Badens.“ Die Antwort der Ordnungshüter habe gelautet: Keine Zeit, kein Fahrzeug. Einer der Angelfreunde fasst es zusammen: „Die Leute sollen doch von mir aus hier baden, wenn’s draußen so heiß ist. Dafür hätten wir ja Verständnis. Aber können die nicht ihren Müll so wie wir auch wieder mit nach Hause nehmen?“

Das können die illegal Badenden offenbar nicht, wie das Müll-Sammelsurium dieses Jahres beweist: Viel „Badetypisches“ ist dabei: Teile von Luftmatratzen, Schwimmhilfen, Badehosen, Sonnenöl-Tuben. Dazu Leergut en masse. Besonders eklig und mehr als im Vorjahr: gefüllte Babywindeln, die leider auch nicht verrotten. Alte Campingstühle sind dabei, Reste von Sonnenschirmen. Und der kurioseste Fund des Tages: ein Dildo, das (leere) Fläschchen mit dem Gleitgel im Gebüsch daneben. „Da hat offenbar jemand Spaß gehabt“, bemerkt einer der Angelfreunde lakonisch und grinst.

Bevor es am Grill die versprochene Bratwurst gibt, fasst Vereins-Chef Rühle noch einmal das Ergebnis der Müllsammelaktion zusammen: Es sei etwas weniger Müll als 2017. Und das – zur Ehrenrettung der hier Badenden sei es gesagt – auch deshalb, weil einige von ihnen tatsächlich eine eigene Sammelaktion organisiert und Müll weggeräumt haben. Na, also, geht doch!