Merken

Auferstanden aus Schrott

Jürgen Bruntsch hat einen alten Lkw Garant aufgehübscht. Seine Frau hielt ihn dafür für verrückt: Ungeheuer viel Zeit verging dabei.

Teilen
Folgen
© Kristin Richter

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Rödern. Jürgen Bruntsch war früher Schlosser in der LPG. Deshalb schraubte er schon zu DDR-Zeiten viel an alten Autos. Der Röderner hat noch heute sein erstes Auto funktionstüchtig im Schuppen, einen Trabant 500. Im Februar vor 12 Jahren sah Bruntsch in Dresden-Löbtau einen kleinen Lkw, ganz rostig unter einer Plane. „Als Fahrer einer Coswiger Tiefbaufirma komme ich eben auch in abgelegene Straßen“, erzählt er. Zuerst konnte er nicht erkennen, welcher Typ sich darunter verbirgt. Die Seitenscheibe war eingeschlagen, die Sitze aufgeschlitzt, das Dach undicht, weil aus Kunstleder. Ein Blick durch die Schlitze der Motorhauben-Seitenteile verriet: Der Motor ist vorhanden, aber die Ladefläche ... Die Bordwände lagen nur noch drauf, die konnten sich nicht mehr halten am verfaulten Holz. Dieser Garant, Baujahr 1958, stand damals schon etwa zehn Jahre nutzlos draußen.

Auch Vater Gottfried baute mit.
Auch Vater Gottfried baute mit. © Steffen Roesler
Der Garant 2005 verrostet in Dresden.
Der Garant 2005 verrostet in Dresden. © Steffen Roesler

„Je öfter ich vorbeifuhr, umso mehr steigerte sich die Liebe zu dem Fahrzeug“, erzählt der 54-Jährige. Also erkundigte er sich beim Eigentümer und erfuhr, dass schon viele den Wagen haben wollten. Aber abgeholt hat ihn keiner. Für 50 Euro inclusive „allen Mülls“ durfte ihn Jürgen Bruntsch kaufen. Den originalen DDR-Kfz-Brief gab es dazu. Der ist nicht unbedingt erforderlich, bei der Wiederzulassung, „aber es ist einfacher, und vor allem stehen die Vorbesitzer drin und Angaben über Rahmenwechsel und Motornummern.“

Jetzt musste der Röderner nur noch seine Frau überzeugen. Und einen trockenen Stellplatz für das sechs Meter lange Fahrzeug organisieren. Schon nach einer Woche holte er das gute Stück ab, verlud den Lkw mit Ladekran. Doch zu Hause gab`s Mecker. „Du bist verrückt“, sagte Kerstin Bruntsch, als sie den Zustand des Garant sah. „Das muss man wohl auch sein, denn alles neben der regulären Arbeit zu machen, da musst Du eisern durchziehen, sonst wird der nie fertig“, sagt Bruntsch.

Insgesamt sieben Jahre dauerte der Spaß: Ein Jahr wurde der Schuppen umgebaut zur Garage, dann werkelte Jürgen Bruntsch sechs Jahre mithilfe seines Vaters. Er besorgte sich Teile bei Ebay, holte sich einen Lkw zum Ausschlachten aus Hameln, einen aus Dresden, Teile aus der Nähe von Passau, Rudolstadt, Zwönitz. Ein Oldtimerfan aus Annaberg-Buchholz brachte dem Röderner sogar einige Neuteile zum fairen Preis nach Hause. Das kunstlederne Fahrerhaus eines ehemaligen Feuerwehrfahrzeuges konnte er ersteigern.

Den gesamten Umbau dokumentierte Jürgen Bruntsch mit Fotos, „auch, damit beim Zusammenbau nicht so viele Teile übrigbleiben.“ Alles wurde zerlegt, gesäubert, einiges sandgestrahlt, grundiert, geschliffen, lackiert. Besondere Sorgfalt erforderte die Abdichtung von Motor, Getriebe und Hinterachse, außer der Kurbelwelle war auch hier alles in Einzelteile zerlegt.

Dann nach all den Basteljahren der erste Startversuch. „Mir war bange, ob ich vielleicht einen Fehler eingebaut hatte, denn das gute Stück wollte nicht anspringen“, weiß Jürgen Bruntsch noch bis heute. Erst nach mehrtägiger Fehlersuche fand er heraus, dass er die Zündkabel nicht richtig zugeordnet hatte.

Die erste Probefahrt, die für heutige Verhältnisse schwergängige mechanische Lenkung und das unsynchronisierte Getriebe erforderten eine besonders vorausschauende Fahrweise. „Aber jede Fahrt mit dem Garant 30 K ist ein Genuss und die vielen positiven Reaktionen anderer Autofahrer und Passanten verstärkten meine Freude noch“, sagt Jürgen Bruntsch heute. Er kann eben auch was zeigen: neu bezogene Sitze und den Himmel, das von einem Sattler erneuerte Kunstlederdach ohne Falten. Als letzter großer Abschnitt war auch die Pritsche komplett neu aufgebaut worden. „Auch mein Vater, der inzwischen verstorben ist, werkelte besonders gern mit Holz“, so der Röderner. Die Querträger und der Pritschenrahmen sind aus Esche gefertigt. Zur 750-Jahrfeier in Rödern 2012 und zum Tag der Sachsen war der Garant in den Festumzügen dabei. Schon gibt`s aber ein neues Projekt: einen Einachs-Anhänger, der als Wohnwagen dienen soll, „wenn`s mal zum Oldtimertreffen geht“, sagt Jürgen Bruntsch. Bis zum nächsten Frühjahr will der Röderner ihn startklar kriegen.