Merken

Auferstanden

300 Millionen Euro Umsatz, Investitionen, steigende Mitarbeiterzahlen: Die Textilindustrie in der Region brummt. Dafür sorgen auch Innovationen.

Teilen
Folgen
© Matthias Weber

Von Jan Lange

Oberlausitz. Totgesagte leben länger. Vor 20 Jahren wollte kaum einer auf das Überleben der Oberlausitzer Textilindustrie wetten, doch nun boomt diese Branche. „Die textilverarbeitenden Unternehmen in der Region stehen in der Tat sehr gut da“, bestätigt Thomas Tamme von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden. Momentan seien im Gebiet Löbau-Zittau über 20 produzierende Unternehmen in der Textil- und Bekleidungsindustrie aktiv, fügt der IHK-Mitarbeiter hinzu.

„Natürlich gab es in der Vergangenheit traditionell mehr Textilfirmen in der Region“, so Tamme. Aber von einer sterbenden Branche kann längst nicht mehr die Rede sein, wie auch Jenz Otto, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti), bestätigt. Die Zahl der Textilunternehmen kommt nach Angaben der Agentur für Arbeit aber nicht an frühere Werte heran: Im Jahr 2000 waren 68 Betriebe registriert, im Vorjahr sind es 49 gewesen.

Neben den klassischen Textilunternehmen gibt es heute auch eine Reihe von Firmen, die Nischen gefunden und erfolgreich besetzt haben. So ist die KSO-Textil GmbH aus Olbersdorf deutscher Marktführer auf dem Gebiet der Kettschärerei. „Die Trennung lässt sich nicht in jedem Fall haarscharf vollführen“, sagt Tamme. „Viele Unternehmen, die klassisch unterwegs sind, bedienen mittlerweile auch die Sparte Technische Textilien.“

So geht es einheimischen Textilbetrieben

Die Firma Ploucquet in der Zittauer Weinau konnte laut Geschäftsführer Matthias Maier in den vergangenen Jahren den Umsatz deutlich erhöhen. Vor allem der Bereich Technische Textilien habe zweistellige Wachstumsraten, so Maier. Ein Plus gibt es auch bei den Mitarbeitern: Zählte der Betrieb 2016 noch 124 Beschäftigte, sind es aktuell 137, davon fünf Lehrlinge. Die Firma sucht weitere Mitarbeiter für Vertrieb und Verwaltung sowie die Produktion. Der Erfolg bedingt Investitionen: Ploucquet wird bis 2019 eine Million Euro für neue Maschinen und Anlagen ausgeben.

Die Mitarbeiter der Baumwollweberei Zittau (BWZ) in Zittau hoffen dagegen auf eine bessere Zukunft. Für das Unternehmen an der Herwigsdorfer Straße ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Produktion läuft aber weiter. Die Geschäftsführung arbeitet an einem neuen Konzept. Ziel ist es, sich weitgehend von der Produktion von Heim- und Bekleidungstextilien zu verabschieden und den Betrieb im Bereich der Technischen Textilien zu positionieren.

Die ACS Autocomfort GmbH, die Fußmatten für die Automobilindustrie fertigt, hat laut Geschäftsführer Ralf Stolz ihre Mitarbeiterzahl seit dem Jahr 2000 nicht verändert. Das Unternehmen an der Äußeren Weberstraße in Zittau benötige aber in absehbarer Zeit aufgrund von Renteneintritten personelle Verstärkung, so Stolz. Der Umsatz habe sich über die Jahre leicht erhöht, hauptsächlich aufgrund von Preisanpassungen. „Der Umsatz wird sich die nächsten Jahre auf einem gleichbleibenden Niveau bewegen“, blickt Stolz in die Zukunft.

Die Olbersdorfer KSO-Textil GmbH hat ihren Umsatz seit dem Jahr 2000 von 2,3 Millionen Euro (2000) auf 24,5 Millionen Euro (2017) mehr als verzehnfacht. Auch dieses Jahr soll, so der Plan, der Umsatz nochmal um gut drei Prozent gesteigert werden. Heute exportiert das Olbersdorfer Unternehmen, in dem aktuell 138 Mitarbeiter beschäftigt sind, in 14 europäische Länder, wobei die Exportquote bei knapp 45 Prozent liegt. Die KSO sucht weiterhin qualifizierte Mitarbeiter und will auch die Produktionskapazitäten erweitern, wie Geschäftsführer Frank Grohse mitteilt.

Auch in Großschönau läuft es. So hat sich die Mitarbeiterzahl bei der Damino GmbH seit dem Jahr 2000 (100 Beschäftigte) auf 145 Mitarbeiter derzeit erhöht. Drei Stellen sind aktuell unbesetzt, teilt Geschäftsführer Dirk Ladenberger mit. Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich der Umsatz des Unternehmens um circa 30Prozent gesteigert. Traditionell produziert Damino Bekleidungsdamaste für den afrikanischen Markt sowie, wie schon in früheren Jahrhunderten, Bett- und Tischdamast für die gehobene Hotellerie und Gastronomie. Ladenberger sieht die wirtschaftliche Zukunft von Damino bei gleichbleibenden weltpolitischen Bedingungen positiv.

Beim anderen großen Großschönauer Textilunternehmen, der Frottana-Textil GmbH, arbeiten derzeit knapp 240Beschäftigte, darunter mehrere Lehrlinge. Zurzeit werden auch neue Azubis gesucht. Das Unternehmen mit der Kernmarke Frottana und der Premiummarke Möve fertigt unter anderem Frottierwäsche, Kleintextilien und Badematten sowie Handtücher, Badetücher und Bademäntel an. Zum Umsatz macht das Unternehmen keine Angaben, sieht die Firmenzukunft aber posititv.

In Neusalza-Spremberg ist die Firma Spreetextil GmbH zu finden. Spreetextil fertigt Haus- und Heimtextilien. Neben den „normalen“ Zielgruppen hat das Unternehmen den Kinder- und Babybereich für sich erschlossen und beliefert Kindereinrichtungen, sagt Geschäftsführer Winfried Haase. Damit macht das Unternehmen einen Jahresumsatz von 400000 bis 500000 Euro. Das gelingt durch die Einhaltung strikter Standards der verwendeten Stoffe, Garne, Farben und Verfahren, so Haase.

Die beiden zwei Seifhennersdorfer Unternehmen Olutex GmbH und Spekon GmbH konnten leider keine Angaben zu den SZ-Fragen machen. Olutex ist europäischer Marktführer für die Konstruktion und Fertigung thermischer Schallisolierungen, Spekon fertigt Fallschirmsysteme und Textilerzeugnisse für die Luftfahrt.

Arbeitskräfte zu finden, ist immer ein Thema. So sucht die Firma C. F. Weber aus Spitzkunnersdorf aktuell einen Leiter für die Färberei und Mitarbeiter für die Produktion. Dabei hat C. F. Weber durchaus auch schwierige Zeiten hinter sich. Im Jahr 2000 verdienten hier noch 72 Mitarbeiter ihren Lohn, heute sind es noch 55. Der Umsatz konnte in dieser Zeit allerdings um 45 Prozent gesteigert werden. Die Chancen für wirtschaftliches Wachstum sieht Geschäftsführer Klaus Friedrich vor allem in der hohen Fertigungstiefe, der eigenen Entwicklungsabteilung und kontinuierlichen Investitionen. Risiken sind für Friedrich die sich verschlechternde Fachkräfte- und Lehrlingsgewinnung.

1 / 9

Gerade im Bereich der Technischen Textilien ist der Unternehmensanteil in der Region besonders hoch. „Hier arbeiten die Firmen gerade im Forschungsbereich sehr intensiv an der Entwicklung neuer Anwendungsgebiete und können den sonst in der Branche üblichen Verdrängungskampf mit den asiatischen Ländern erfolgreich bestehen“, weiß Tamme. Daneben sei die hohe Bandbreite der Einsatzgebiete der hergestellten Garne, Gewebe und Stoffe Garant für weiteres Wachstum.

Auf den Märkten gefragt sind laut Otto Textilien, die mit möglichst mehreren Zusatzfunktionen ausgestattet sind – oft auch in kleineren Mengen und kurzfristig lieferbar. „Diese Ansprüche können Massenproduzenten aus Asien in der Regel nicht bedienen“, steht für Otto fest. Im Freistaat erwirtschaften nach Angaben des vti die Textilunternehmen mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit der Herstellung innovativer Technischer Textilien.

Die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie erreichte 2017 einen Umsatz von 1,87 Milliarden Euro. Das bedeutet eine Steigerung um über drei Prozent gegenüber 2016. In der Lausitz, also im Dreieck zwischen Zittau, Guben und Pulsnitz, lag der Gesamtumsatz 2017 bei rund 300 Millionen Euro, was einen Zuwachs von mehr als fünf Prozent bedeutet.

Ein Indiz für die aktuell gute Situation der Branche in der Oberlausitz sind auch die zuletzt erfolgten Investitionen in moderne Produktionsinfrastruktur. Rund 2,5 Millionen Euro investiert die KSO-Textil GmbH in eine 1 300 Quadratmeter große Lagerhalle. Andere Betriebe investieren laut Tamme ebenfalls – so C. F. Weber aus Spitzkunnersdorf und Heytex Neugersdorf.

Das Image der Textilindustrie als Ausbilder und Arbeitgeber hat sich enorm verbessert, findet IHK-Mitarbeiter Thomas Tamme. Die Branche sei nicht mehr laut, dreckig und schlecht bezahlt, sondern innovativ, sauber und lukrativ. Das wird auch deutlich durch die Steigerung der Mitarbeiterzahlen. Allein die großen Betriebe der Textilindustrie in der Region Löbau-Zittau beschäftigten über 1 200 Menschen. Das sind gut ein Drittel der Textilarbeiter in der gesamten Lausitz. Vor einem Jahr zählten die großen Textilbetriebe etwa 150 Mitarbeiter weniger. Innerhalb von fünf Jahren ist die Beschäftigtenzahl hier sogar um gut 300 gestiegen.

Neben Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen gehört die Textilregion Sachsen-Thüringen zu den vier großen deutschen Textilstandorten, so Jenz Otto. Die hohe Innovationskraft der heimischen Firmen liegt vor allem in der engen Zusammenarbeit mit den textilen Forschungseinrichtungen in Chemnitz, Dresden, Freiberg, Greiz, Reichenbach und Rudolstadt begründet. In Mitteldeutschland gibt es einen im Vergleich zu Gesamtdeutschland überdurchschnittlich hohen Anteil an Forschungsinstituten, die sich mit Textilien, textilen Verbundmaterialien und Textilmaschinenbau beschäftigen.

Es werden weiterhin Arbeitskräfte und Auszubildende in der hiesigen Textilindustrie gesucht. Davon konnte man sich jüngst beim Insider-Treff in Löbau überzeugen.