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Auf der Lauer

Der Sicherheitsdienst K9 bewacht das Ufer des Berzdorfer Sees jetzt die ganze Nacht hindurch. Die SZ war mit unterwegs.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Frank Seibel

Friedlich liegt der See in der Morgensonne. Die Möwen kreischen von der Flutungsinsel herüber, die noch immer vor Deutsch Ossig liegt, obwohl es nichts mehr zu fluten gibt. Alles sieht so aus, als hätte es den Abend zuvor nicht gegeben.

Die Polizei musste in der Nacht zu Freitag mehrmals anrücken. Betrunkene haben sich geprügelt, Betrunkene haben randaliert. Alltag für den Sicherheitsdienst K9.
Die Polizei musste in der Nacht zu Freitag mehrmals anrücken. Betrunkene haben sich geprügelt, Betrunkene haben randaliert. Alltag für den Sicherheitsdienst K9. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Der fing für Dariusz Kielbowicz mit Pfefferspray an. Kurz vor 20 Uhr, sein Dienst hatte noch gar nicht offiziell begonnen, da saß ein junger Mann mit blonden Stoppelhaaren auf dem Absatz am Kassenhäuschen, das Kielbowicz gerade abschließen wollte, um in die Nachtschicht zu starten. Die Augen des jungen Mannes waren feuerrot. Dabei lag der kurze Zwischenfall schon eineinhalb Stunden zurück. „Ich habe gleich den Krankenwagen gerufen“, sagt Kielbowicz, den der Aufdruck „K9“ auf dem Polohemd als Mitarbeiter der Firma ausweist, die am Ostufer des Berzdorfer Sees für Sicherheit und Ordnung zuständig ist.

Um fünf nach acht kommt der Krankenwagen. Was passiert sei, fragt eine Sanitäterin und schaut ernst, als sie zu hören bekommt: Pfefferspray, direkt in die Augen aus einem halben Meter Entfernung. Für den jungen Mann mit den feuerroten Augen ist der Himmelfahrtstag gelaufen.

Dariusz Kielbowicz kann sich darum jetzt nicht weiter kümmern. Der 45-Jährige muss seine Runde durch die Nacht starten. Aus dem Kofferraum seines Audi holt er vier je einen Meter lange weiße Streifen: Security steht darauf. Geschickt klebt er sie mit der magnetischen Unterseite an die verschiedenen Flanken des Autos. Geschickt? Ja, ohne Hände ist das nicht so einfach. Bei Dariusz Kielbowicz haben sie nur die Form einer Zange.

Aber der Pole, der im Ruhrgebiet aufgewachsen ist und seit einigen Jahren in Görlitz lebt, hat erstaunliche Fähigkeiten entwickelt. „Manche Leute denken, sie wären mir überlegen, weil sie meine Behinderung sehen“, sagt er und lächelt selbstbewusst. „Aber ich habe Kung-Fu gelernt.“ Bislang, sagt er, ist er noch mit jedem klargekommen.

Mit den Security-Schildern am Auto macht sich Kielbowicz auf den Weg in die Nacht. Um kurz nach acht am Abend ist noch alles ruhig. Langsam rollt das Auto die Fahrstraße entlang. Unterwegs spricht er Leute an: „Alles klar bei Euch?“, ruft er einer Gruppe junger Männer zu, die sich‘s auf einer Wiese gemütlich gemacht haben. Zwei Jungs auf einem Moped hält er an. Freundlich bittet er sie, das Gelände zu verlassen. Auf dem Schild stehe nur, dass Motorräder verboten seien, sagt der jugendliche Fahrer eher schüchtern als frech. „Ja, aber das ist ein Rad und ein Motor – also ein Motorrad“, entgegnet Dariusz Kielbowicz. Ein ganz höfliches kurzes Hin und Her ist das. Der Junge verspricht, gleich vom See zu verschwinden.

Aber Ärger bleibt nicht aus. Am Nachmittag hat ein Autofahrer das Kassenhäuschen bewusst ignoriert und ist auf den Parkplatz am Nordoststrand gefahren, ohne zu bezahlen. Auf dem Rückweg hat Dariusz Kielbowicz ihn angehalten. Die vier Euro Parkgebühr hat der Fahrer bezahlt. Doch dabei bleibt es nicht. „Ich zeige Sie an, weil Sie sich eine Dienstleistung erschlichen haben“, hat der Sicherheitsmann ihm gesagt. Eine Strafanzeige droht auch den jungen Männern, die ohne Lizenz am Strand Bier verkauft haben. „Das trinken wir selbst“, sagten sie und der K9-Mann beließ es bei der Ermahnung. Abends dann stellte sich heraus, dass die Leute ihr Bier weiter verkauft haben. Das ist ein Problem für die regulär angemeldeten Händler.

Das Toilettenhäuschen am Nordoststrand ist ein fester Anlaufpunkt für Dariusz Kielbowicz. Er steigt aus, zieht an jeder Tür; die mittlere öffnet sich, obwohl er keine Münze eingeworfen hat. Er bückt sich, hebt ein Steinchen auf, das die Tür offen gehalten hat. Das passiert oft, sagt Kielbowicz. „Die Leute wollen nicht bezahlen.“ Vor der linken Tür liegt eine Packung mit Einweg-Handschuhen. Der Sicherheitsmann ahnt etwas und öffnet die Tür. Ein Blechschrank steht offen, Papiertücher, Seifenbehälter und Handschuhe fehlen. Alltag am See.

Weiter geht’s. Es dämmert. Am Nordstrand eine größere Gruppe junger Leute. Eher unauffällig an einem Himmelfahrtstag. Als Dariusz Kielbowicz wieder in der Nähe des Kassenhäuschens ist, kommt eine ganze Blaulichtparade herbei. Erst acht Einsatzfahrzeuge, dann noch zwei. Mehr als zwanzig sportliche Beamte in schwarzen Overalls verlassen die Autos und gehen ruhig, aber entschlossen auf die Menschenmenge zu; teilen die Gruppe auf in jeweils ein, zwei Leute. Eine Passantin hatte die Polizei alarmiert, weil sie eine Massenschlägerei befürchtete. Es stellt sich heraus, dass zwei Männer sich geprügelt haben und ein dritter schlichten wollte. Das massive Polizeiaufgebot wirkt schnell. Nach wenigen Minuten hat sich die Szene beruhigt. Aber die Kriminalpolizei wird zu dem handfesten Streit noch ermitteln. Nach zwanzig Minuten zieht die Polizeikolonne ab. Im Gegenzug kommen neue Autos mit Menschen, die sich einen schönen Abend am See machen wollen.

Unter den 40 jungen Leuten am Nordstrand steigt der Alkoholpegel weiter. „Es wird noch einiges geben heute“, sagt Dariusz Kielbowicz. Als er zum Kassenhäuschen kommt, ist schon ein Parkverbotsschild umgestoßen. EinVorgeschmack.

Es ist halb elf, als er zwei junge Männer dabei erwischt, wie sie das Kassenhäuschen zerlegen. 17 und 18 Jahre sind sie alt; 1,6 und 1,7 Promille Alkohol haben sie intus. So steht es später im Polizeibericht.

Der Tag endet noch mit einem weiteren Aufreger, der dem Sicherheitsmann nun selbst Ärger einbringen könnte. Kurz vor Mitternacht stellt er zwei andere junge Männer, die er dabei erwischt hat, wie sie Verkehrsschilder umgestoßen haben. Dabei hält er die beiden mit einer Schreckschusspistole in Schach; so steht es später im Protokoll der Polizei. Die ermittelt jetzt nicht nur gegen die jungen Männer wegen Sachbeschädigung, sondern auch gegen den Sicherheitsmann wegen Bedrohung. Aber wie hatte sein Vorgesetzter wenige Stunden zuvor am Telefon gesagt: „Wir lassen uns nicht länger auf der Nase herumtanzen.“ Deshalb hat K9 die Nachtschicht ausgeweitet. Bis fünf Uhr früh sind Dariusz Kielbowicz und seine Kollegen nun am See unterwegs. Die Saison hat gerade erst begonnen.