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Auf dem Weg zum grünen Industriegebiet

Die Planer des Industrieparks Oberelbe möchten die Pirnaer überzeugen. Sie wagen sich in die offene Diskussion.

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© Daniel Förster

Von Maximilian Helm und Christian Eissner

Ein Raunen geht durch die Menge, gleich als Klaus-Peter Hanke die Veranstaltung eröffnet. Er möchte sein Prestigeprojekt gar nicht mehr Industriepark, sondern viel lieber Technologiepark nennen, sagt Pirnas Oberbürgermeister vor rund 150 Zuhörern in der Aula des Schiller-Gymnasiums am Mittwochabend. Die Stadtverwaltung hatte eingeladen, um mit den Bürgern über das Industrie- und Gewerbegebiet zu diskutieren, das Pirna gemeinsam mit Heidenau und Dohna am A 17-Zubringer nahe des Barockgartens Großsedlitz plant: den Industriepark Oberelbe (IPO).

So könnte der Industriepark Oberelbe nach aktuellem Planungsstand aussehen. Teilfläche A bei Dohna umfasst 17 Hektar Gewerbe, Fläche B bei Großsedlitz 15 Hektar Gewerbe, die Flächen C und D bei Pirna bieten insgesamt 105 Hektar für Industrie-Ansiedlungen
So könnte der Industriepark Oberelbe nach aktuellem Planungsstand aussehen. Teilfläche A bei Dohna umfasst 17 Hektar Gewerbe, Fläche B bei Großsedlitz 15 Hektar Gewerbe, die Flächen C und D bei Pirna bieten insgesamt 105 Hektar für Industrie-Ansiedlungen © Grafik: Zweckverband IPO

Mit dem Format der Veranstaltung betrat Pirna Neuland, denn es beinhaltete nicht nur die übliche Frontal-Unterrichtung der Bürger. Nach diesem obligatorischen Teil schlossen sich diesmal nämlich offene Gespräche an, bei denen Interessierte an Runden Tischen mit den IPO-Planern und Projektleitern diskutieren und Fragen loswerden konnten.

Was gab es Neues zum IPO-Projekt auf der Veranstaltung am Mittwochabend?

Planer haben die Flächen für Industrie und Gewerbe eingegrenzt
Wie weit die Planungen zum IPO inzwischen vorangeschritten sind, machte die Architektin Martina Kasparetz-Kuhlmann vom Ingenieurbüro Kasparetz-Kuhlmann deutlich. Das infrage kommende Gebiet entlang des Pirnaer Autobahnzubringers B 172a ist in vier Teilbereiche aufgeteilt: Fläche A bei Dohna soll mittelständisches Gewerbe und autobahnbezogene Dienstleistungen – wie zum Beispiel einen Autohof – erhalten. Fläche B bei Heidenau produzierendes Gewerbe. Fläche C nördlich der B172a soll mittelständische Industrie erhalten und die größte Fläche D mit rund 50 Hektar südlich der Bundesstraße der Standort sein für einen Großbetrieb. 250 Hektar seien ursprünglich geprüft worden, erläuterte die Architektin. Für die Ansiedlung von Unternehmen seien letztlich 140 Hektar übrig geblieben. Der Rest sei durchgefallen – wegen des Reliefs, Kaltluftentstehung, Denkmalschutz, Archäologie, Gewässern, Eigentumsverhältnissen, Nähe zu Wohngegenden und auch, um Ausgleichsflächen anzulegen – zum Beispiel 28 Hektar mit Streuobstwiesen.

Der IPO soll Modellprojekt in Sachen Umweltfreundlichkeit werden
Radwege, Dach- und Fassadenbegrünung, unvollständige Versiegelung von z.B. Parkplätzen, insektenfreundliche Beleuchtung, Habitate für regionale Arten, blütenreiche Wiesen – in der Darstellung der IPO-Planer hörte es sich teilweise so an, als entwickle man kein Industrie- sondern ein Naherholungsgebiet. Christian Flörke, Chef der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna, betonte mehrfach, dass man die Idee der Umweltverträglichkeit wirklich ernst meine – inklusive Lärm-, Frischluft- und Hochwasserschutz für die Anwohner. Dazu gehört auch ein Mobilitätskonzept für den Park. Dieses sieht ein ÖPNV-Netz mit enger Taktung, ein E-Bike-System, bessere Anbindung angrenzender Ortslagen an den Nahverkehr sowie eine „Bike-and-Ride“-Station für die Firmenbelegschaften vor.

Gerade den Punkt Umwelt verfolgten viele Bürger mit großem Interesse – und gewisser Skepsis. „Sollen doch die Pirnaer Stadtentwickler beweisen, dass sie das wirklich können und wollen“, sagte einer der Zuhörer, „und das beispielhaft schon mal beim Gewerbegebiet Copitz Nord umsetzen, das gerade entwickelt wird.“ Zuletzt fragt ein Zuhörer nach erneuerbaren Energien. Man habe das auf dem Schirm, heißt es.

Die nackten Zahlen zeigen, dass ein langer Atem nötig ist
Etwa 140 Millionen Euro soll das Erschließen des Industrieparks nach jetzigem Stand kosten. Der IPO-Zweckverband hofft auf 70 Millionen Euro Förderung. Nicht förderfähig ist zum Beispiel das Verlegen von Gas, Wasser und Strom. Die übrigen 70 Millionen Euro müssen die drei IPO-Kommunen selbst aufbringen. Sie wollen sich dieses Geld von 2021-2030 durch den Verkauf der Flächen wieder hereinholen. Christian Flörke: „Wir rechnen 2028 bis 2030 mit der schwarzen Null.“ Am Ende soll Gewerbesteuer fließen, von der nach jetziger Kalkulation reichlich 700 000 Euro im Jahr bei den Kommunen hängen bleiben. So konkret war das bisher noch nie dargelegt worden. Immer wieder betonten die IPO-Verantwortlichen, dass sie mit einer sehr hohen Nachfrage nach den Grundstücken rechnen. „Die Nachfrage ist da, das wird uns auch von der Landesregierung signalisiert“, sagte Projektsteuerer Manfred Elsner. Auch Dresden schiele neidisch herüber, denn dessen freie Industrieflächen seien unzureichend. Elsner fügte hinzu, dass Pirna starke Konkurrenz aus Görlitz und Bautzen habe und dass man schnell handeln müsse.

Konkrete Interessenten für die Flächen sind bisher nicht gebunden
Auf die Frage, welche Unternehmen denn im Industriepark eine Heimat finden, können und wollen die IPO-Planer noch nicht konkret antworten. Bevor man Unternehmen binden könne, müsse klar sein, wann die Grundstücke zur Verfügung stehen und zu welchem Preis. Der Frage nach einem Kriterienkatalog, welche Industrie sich ansiedeln dürfte und welche nicht, wird ebenfalls eine Absage erteilt. „Wir wollen keine Logistikunternehmen, da sind wir uns einig.“, sagt Manfred Elsner lediglich. Darüber hinaus sei alles drin, auch Militärtechnik schließe man nicht aus. In Sachen Mikroelektronik könne man Dresden aber keine Konkurrenz machen.

Diskussionsrunden auch in Heidenau und Dohna geplant
Projektchef Christian Flörke lobte die konstruktive Diskussion am Mittwochabend. Die Planer notierten die Bürgerfragen und Anregungen, die nun ausgewertet und beantwortet werden sollen. Zudem, so Flörke, werde man ähnliche Veranstaltungen zeitnah in Dohna und Heidenau anbieten.

Die Vertreter der Bürgerinitiative Oberelbe sehen die Informationsveranstaltung kritischer. Es habe zwar einige neue Erkenntnisse gegeben, sagte André Liebscher von der Bürgerinitiative, gleichzeitig seien aber viele neue Fragen aufgeworfen worden. Daniel Szenes von der Initiative kündigte an, weiter Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln mit dem Ziel, die Einwohner über den Industriepark entscheiden zu lassen. Man habe schon knapp 1 000 Unterschriften beisammen. Insgesamt 2 500 sind in Pirna nötig, um ein Bürgerbegehren zu starten.