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Arbeitsplätze bei Remondis gefährdet

Wenn der Quersaer Abfallentsorger den Auftrag vom Zweckverband verliert, drohen Entlassungen und ein Müllchaos.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter

Riesa. Müll wird es immer geben. Aber das ist keine Jobgarantie. Jedenfalls nicht für die Müllfahrer der Remondis Elbe-Röder GmbH. Sie müssen um ihre Arbeitsstellen bangen. Denn Remondis ist gerade dabei, den Auftrag für die nächsten bis zu acht Jahre für die Müllentsorgung in der Region Riesa-Großenhain zu verlieren. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Oberes Elbtal (ZAOE) beabsichtigt, den Auftrag an das hessische Unternehmen Knettenbrech und Gurdulic zu vergeben Dessen nachverhandeltes Angebot sei günstiger als das des ortsansässigen Müllentsorgers Remondis.

Das hat Thomas Schiefelbein, Geschäftsführer der Remondis Elbe-Röder GmbH, sehr erstaunt. Zumal die Quersaer im ursprünglichen europaweiten Ausschreibungsverfahren das beste Angebot abgegeben hätten. Doch das war dem Verband immer noch zu teuer. Im Interesse seiner Kunden, die Abfallgebühren zahlen, hob der ZAOE die erste Ausschreibung auf und verhandelte mit den Anbietern neu. Der Grund: Selbst das günstigste Angebot von Remondis entsprach nicht dem finanziellen Rahmen, den sich der Zweckverband vorgestellt hat, um die Müllgebühren stabil zu halten. Schiefelbein bestätigt, dass das Angebot tatsächlich teurer war als beim letzten Mal. Als Grund führt er gestiegene Kosten für den Biomüll an. Dieser hat stark zugenommen. „Vor fünf Jahren hatten wir 70 Behälter im Bestand. Jetzt sind es weit über 10 000“, sagt Schiefelbein. Das seien monatlich mehr als tausend Tonnen Biomüll, der nach Quersa und Riesa gefahren werden muss. Dort wird der Bioabfall gesammelt und von dort aus zu Kompostierungsanlagen transportiert. „Jeden Tag sind wir deshalb mit mindestens fünf Fahrzeugen unterwegs, allein für den Biomüll“, so Schiefelbein. Tendenz steigend. „Wir liefern immer noch über hundert neue Behälter pro Monat aus“, sagt der 48-Jährige. Warum die Ausschreibung im Landkreis Meißen, aber nicht im Landkreis Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge aufgehoben wurde, erschließe sich ihm ebenfalls nicht. „Wo doch das Preisniveau des südlichen Landkreises ähnlich sein dürfte“, so Schiefelbein. „Die Frage stellt sich, ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird.“

Hintergrund der gestiegenen Kosten: Im Sommer 2016 hatte der ZAOE die kostenlose Biotonne eingeführt. Dafür muss lediglich eine geringe Jahresmiete je nach Größe der braunen Tonne gezahlt werden. Die Miete für die größte Biotonne (240 Liter) beträgt 8,40 Euro pro Jahr. Mit diesem Angebot an die Verbraucher wollte der ZAOE einerseits den Anteil organischer Abfälle im Restmüll reduzieren. Andererseits versteht der Verband die Einführung der kostenlosen Biotonne als eine Art Gebührensenkung. Denn im vergangenen Kalkulationszeitraum (2012 bis 2016) hatte der ZAOE rund zehn Millionen Euro Überschuss erzielt. Diesen Gewinn gibt der Abfallverband an seine Kunden zurück, indem er bis 2021 für die Biotonne keine Entleerungsgebühren verlangt.

Remondis habe das gestiegene Interesse an der Biotonne und die damit verbundenen Mehrkosten in die neue Kalkulation eingearbeitet und ein entsprechendes Angebot vorgelegt, so Schiefelbein. „Die Kalkulation steht. Wir wollen keine Verluste einfahren“, sagt er demonstrativ. Das hätte letzten Endes negative Auswirkungen auf alle 120 Remondis-Mitarbeiter in Riesa, Quersa und Dresden. Doch am allermeisten wären die 25 Restmüllfahrer in Quersa betroffen. Dieser Zweig der Müllentsorgung müsste zurückgefahren werden, falls Remondis den Auftrag vom ZAOE verliert.

In der Branche ist es oft üblich, dass die Müllfahrer von einem Arbeitgeber zum nächsten wechseln. „Aber sehr viele unserer Mitarbeiter sind älter als 50. Da wird es schwierig für sie“, sagt Schiefelbein und verspricht: „Wir wollen über Umstrukturierung so viel wie möglich Leute behalten und Entlassungen vermeiden.“ Doch am liebsten wäre es ihm, wenn es nicht so weit kommt.

Remondis hat bei der Vergabekammer in Leipzig gegen die Entscheidung des ZAOE, die ursprüngliche Ausschreibung aufzuheben, Widerspruch eingelegt. Schiefelbein ist optimistisch, dass Remondis im Vergabestreit mit dem Abfallverband Recht erhält. Voraussichtlich Mitte Juli wird die Entscheidung der Vergabekammer erwartet. Bis dahin richtet sich Schiefelbein für den schlimmsten Fall ein. Und das bedeutet, dass der bisherige Vertrag mit dem ZAOE zum 30. September gekündigt ist.

Ab 1. Oktober wäre dann die Firma Knettenbrech und Gurdulic, die im Moment in der Region weder über einen Standort noch Fahrzeuge oder Mitarbeiter verfügt, für die Müllentsorgung zuständig. „Wie sie es realisiert, ist ihr Problem“, sagt ZAOE-Pressesprecherin Ilka Knigge. Eine entsprechende Anfrage der SZ ließ Knettenbrech und Gurdulic unbeantwortet.

Verbandsgeschäftsführer Raimund Otteni wirbt vorsorglich um Verständnis, wenn es beim Übergang ab Anfang Oktober zu Anfangsschwierigkeiten kommen könnte. Niemand müsse befürchten, dass seine Tonnen nicht abgeholt würden. Verschiedene Lösungen stünden zur Debatte. Es könnte sowohl der bisherige Entsorger Remondis als auch das neue Unternehmen Knettenbrech und Gurdulic beauftragt werden. Doch ob Remondis da mitspielt, ist fraglich. Schiefelbein: „Mit uns hat noch niemand darüber gesprochen. Nach jetzigem Stand wird Remondis die Sammlung des Rest- und Biomülls zum 30. September einstellen.“