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Arbeitslosenzahl in Riesa auf Rekordtief

Noch nie hat die Statistik so gute Zahlen für die Stadt verkündet. Davon hat man früher nur geträumt.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Von Altenpfleger bis Walzwerker: Hunderte freier Stellen bietet die Jobbörse der Arbeitsagentur, wenn man nach dem Arbeitsort Riesa sucht. Gleichzeitig vermeldet die Agentur erstmals weniger als 1 600 Arbeitslose für die Stadt. So wenig waren es seit der Wende noch nie – auch wenn die Statistik erst ab 1998 Zahlen liefert, die sich vergleichen lassen. Zu oft haben sich Gesetzesänderungen oder Gebietsreformen auf die Statistik ausgewirkt.

Ohnehin ist das mit der Statistik so eine Sache. „In den 90ern kamen auf die mehreren Tausend Arbeitslosen in Riesa auch noch Tausende Menschen in ABM-Maßnahmen, Tausende Teilnehmer an Umschulungen und Tausende Kurzarbeiter“, sagt Agentur-Sprecherin Berit Kasten, die seit 1992 in der Behörde arbeitet. Ihre Kollegin Petra Kessinger ist sogar von Anfang an in Riesa dabei. Die heutige Teamleiterin war damals als einfache Arbeitsvermittlerin tätig. „Da musste man schon darauf achten, nicht zu viel Pessimismus auszustrahlen.“ Sie hat es miterlebt, wie nach der Wende von etlichen Tausend Stahlwerkern allein am Standort Riesa fast niemand übrig blieb. Wie zahllose Frauen nach der Schließung der Baumwollspinnerei arbeitslos wurden. Wie die Konsumbetriebe Seifenwerk, Teigwaren, Zündholzfabrik schrumpften oder ganz zumachten.

Stellen in ähnlichen Branchen gab es damals ganz einfach nicht. Den Mitarbeitern im damaligen Arbeitsamt blieb oft nicht viel übrig, als die Betroffenen in Umschulungen und Weiterbildungen unterzubringen. „Sehr gefragt waren seinerzeit Berufe wie Gas-Wasser-Installateur, Heizungsinstallateur, Klempner, Maurer“, erinnert sich Petra Kessinger. Die Branche sollte noch einige Jahre boomen, bevor sie eine Delle traf. Auch Handel und Vertrieb waren als Umschulung gefragt – alles war besser, als Zuhause zu sitzen.

Gleichzeitig kam in Riesa die große Stunde der Fachkräfte-Abwerber: aus der Schweiz, aus Österreich, aus Süddeutschland. „Ob Parkettverleger oder Restaurantfachkräfte: Viele der damaligen Pendler arbeiten auch 25 Jahre später noch dort und sind längst sesshaft geworden“, sagt die Riesaerin. Ein Lohngefälle gibt es schließlich bis heute. Zuschüsse für Bewerbungsgespräche in der Schweiz zahlt die Arbeitsagentur allerdings nicht mehr. „Heute ist ganz klar das Ziel, den Fachkräftebedarf in der Region zu decken“, sagt Agentur-Sprecherin Berit Kasten.

Deshalb berate die Agentur heute schon solche Arbeitssuchende ausführlich, die noch einen Job haben, sich aber umorientieren wollen. Außerdem zahlt sie mittlerweile auch Fördergeld für die berufliche Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen – auch von älteren Mitarbeitern. „Damit die Leute gar nicht erst arbeitslos werden“, sagt Berit Kasten.