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Arbeit für alle

Die Possendorfer Firma IWB hat lange gekämpft, einen Behinderten anstellen zu dürfen. Nun wurde sie dafür geehrt.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Bannewitz. Freitag ist Massagetag. Alle zwei Wochen haben Mitarbeiter des Ingenieurbüros für Wasser und Boden GmbH (IWB) die Möglichkeit, sich in dem Unternehmen im Bannewitzer Ortsteil Possendorf massieren zu lassen. Auch Volleyball und Tischtennis spielen viele der 47 Beschäftigten regelmäßig miteinander – in ihrer Betriebsportgemeinschaft oder bei Turnieren. Gemeinsame Ausflüge, Laufgruppen und ein Gymnastikangebot gibt es dort ebenso. „Das ist wichtig“, betont Wolfram Kritzner, Geschäftsführender Gesellschafter der IWB, die vor Kurzem ihr 25-jähriges Bestehen gefeiert hat. Angebote wie diese würden das Miteinander stärken, halten fit und bieten einen guten Ausgleich zum Büroalltag.

Der Unternehmer und seine Kollegen haben sich in den vergangenen Jahren aber auch ganz besonders für einen ihrer Mitarbeiter eingesetzt. „Mein Sohn erzählte mir vor über zwölf Jahren, dass es einem ehemaligen Mitschüler von ihm nicht gut geht, er dringend Hilfe braucht“, erklärt der 58-jährige IWB-Chef. „Er hat dann bei uns Praktika gemacht, und wir sind froh, dass wir ihm jetzt einen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten konnten.“

Seit September ist er angestellt in dem familiengeführten Unternehmen, das unter anderem wasserwirtschaftliche Gutachten erstellt, Wasserversorgungssysteme überwacht sowie auch im Bereich Gas- und Fernwärme aktiv ist. „Dass ich hier arbeiten kann, ist nicht selbstverständlich, ich bin glücklich über die Festanstellung“, sagt der Ex-Student aus Dippoldiswalde, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen mag.

Der 32-Jährige fand Halt und Unterstützung bei der IWB. Er sortiert Post, scannt, kopiert, wird mit Archivarbeiten und wichtigen Botengängen beauftragt. Zwischendurch hat er eine Facharbeiterausbildung in Dresden absolviert, kehrte 2015 zur IWB zurück. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, sagt er. Auch dank seiner Kollegen.

Aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung zählt der 32-Jährige auf dem Arbeitsmarkt als Mensch mit Behinderung. Da er Leistungen von der Arbeitsagentur erhielt, musste ein Amtsarzt entscheiden, inwiefern er überhaupt arbeiten kann.

„Wir haben zwei Jahre lang immer wieder darum gekämpft, dass er trotz des Gutachtens für uns als Angestellter arbeiten kann“, sagt Kritzner. „Er ist stets engagiert, und es ist wichtig, dass er die Wertschätzung bekommt, selbst für sich sorgen und sich zum Beispiel Wohnung oder Urlaub selber leisten kann.“ Schließlich hatte die IWB Erfolg. Der Dippoldiswalder arbeitet nun sechs Stunden pro Tag dort.

Das erste Inklusionszertifikat im Landkreis

Für ihren Einsatz erhielt das Possendorfer Unternehmen am Freitag das erste im Landkreis vergebene „Inklusionszertifikat“ von der Agentur für Arbeit. Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Seit mehreren Jahren organisiert die Bundesagentur für Arbeit dazu eine Aktionswoche. Und die Arbeitsagentur Pirna verlieh aus diesem Anlass erstmals jene Auszeichnung. „Das Engagement der IWB ist vorbildlich und ein Beispiel für andere Unternehmen“, betonte Karl-Heinz Puy, operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur, bei der Ehrung.

Im Zuge der auch vom Freistaat geförderten Inklusionsidee sollen Behinderte mehr in gesellschaftliche Strukturen eingebunden werden. Auf dem Arbeitsmarkt klappe das laut Puy immer besser. Die Zahl arbeitsloser Behinderter sei im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zurückgegangen. 2015 waren im Schnitt 1 691 Menschen mit Behinderung im Landkreis beschäftigt. Jeder Dritte arbeite in der öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung. Ein Viertel ist im verarbeitenden Gewerbe tätig, 20 Prozent im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Beschäftigungsrate von Schwerbehinderten sei im Vergleich zum Jahr davor um 3,2 Prozent gestiegen.

Doch es gebe es noch Luft nach oben. Und darauf will die Arbeitsagentur, deren speziell geschulte Vermittler Firmen im Landkreis dazu beraten, aufmerksam machen. In diesem November sind 374 Behinderte arbeitslos registriert. Über die Hälfte ist 50 Jahre und älter, 75 Prozent verfügen über eine Ausbildung. Betriebe, die keine Behinderten beschäftigen, zahlen eine Abgabe. Damit werden dann Firmen, die diese Pflicht erfüllen, unterstützt und Beschäftigungschancen von Behinderten sowie ihre Arbeitsplatzbedingungen verbessert.