Merken

Anti-Kalk-Formel für die Beine

Durchblutungsstörungen führen zur Schaufensterkrankheit. Oberarzt Andreas Ulbrich vom Freitaler Klinikum hat etwas gegen die Schmerzen.

Teilen
Folgen
© Karl-L. Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Es gibt Krankheiten, die seltsam anmutende Namen haben. Die Schaufensterkrankheit ist so ein Fall. Es geht dabei nicht ums Shoppen. Ihren Namen bekam die Krankheit von schmerzenden Beinen. Von Schmerzen, die so unerträglich sind, dass die Patienten alle paar Meter stehen bleiben müssen – und sich, um ihren Zustand vor den Blicken anderer Passanten zu verbergen, die Auslagen in den Geschäften anschauen. Dabei steckt hinter der Krankheit eine Ursache, die gar nicht so selten ist und durchaus mit einem kleinen Eingriff in den Griff zu bekommen ist. Die Sächsische Zeitung erklärt, wie das funktioniert.

Vortrag: „Wenn die Beine nicht mehr tragen – Ursachen und Therapiemöglichkeiten der Schaufensterkrankheit“ mit Dr. Andreas Ulbrich am Mittwoch, dem 24. Oktober, im Foyer des Klinikums Freital. Zudem spricht Oberarzt Hartmut Paetzold über die Neurostimulation zur Behandlung chronischer Schmerzen und Durchblutungsstörungen.

Eingriff gegen Schaufensterkrankheit

Was steckt hinter der Schaufensterkrankheit?
Es geht dabei um eine Durchblutungsstörung, die sich vor allem in den Beinen bemerkbar macht. Die Ursachen sind starke Verkalkungen der Blutgefäße. „Wenn Kalkablagerungen in den Schlagadern so groß werden, dass nur noch wenig Blut durchfließen kann, sind die Muskeln mit Sauerstoff und Zucker unterversorgt“, erklärt Andreas Ulbrich, Oberarzt an den Helios Weißeritztal-Kliniken in Freital. Diese Unterversorgung führe zu Schmerzen und Muskelkrämpfen in den Beinen. Die Betroffenen brauchen dann Gehpausen, bis sich die Muskeln erholt haben. Je stärker die Durchblutungsstörungen, desto häufiger sind die Schmerzen und die Pausen. Manche Patienten bekommen diese sogar im Sitzen oder Liegen. Ulbrich: „Die nächste Stufe sind dann offene Wunden an Beinen, die schlecht oder gar nicht heilen.“

Welche Menschen gehören zu den Risikogruppen?

Mediziner sprechen bei der Schaufensterkrankheit von einer sogenannten Marker-Erkrankung. Das heißt, dahinter können beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen stecken. Ulbrich: „Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern genauer untersuchen lassen.“ Zu den Risikogruppen der Schaufensterkrankheit gehören starke Raucher, Diabetes-Patienten oder Menschen, die an hohem Blutdruck leiden.

Wie laufen Untersuchung und Diagnose ab?
Ärzte erkennen Durchblutungsstörungen in den Beinen, indem sie den Puls an den Füßen ertasten und den Blutdruck im Unterschenkel messen. Kommt dort weniger Blut als am Arm an, ist das ein Anzeichen für die Erkrankung. Um genau festzustellen, an welcher Stelle in den Schlagadern sich die Verkalkung befindet, wird ein Ultraschall durchgeführt. Die Ergebnisse entscheiden über die weiteren Behandlungsmethoden. Ist die Erkrankung noch nicht so weit fortgeschritten, helfen eventuell Medikamente und Gehtraining.

Wie wird die Krankheit behandelt, wenn Medikamente und Gehtraining nicht helfen?
Es gibt mehrere Verfahren – je nachdem, wie schwer die Erkrankung ist. So können die Engstellen in den Gefäßen gedehnt werden. Bei dem minimalen Eingriff in örtlicher Betäubung wird das betroffene Blutgefäß angestochen und ein Draht eingeführt. Über diesen Draht wird ein sogenannter Ballon eingefädelt. Dieser wird bis in die Engstelle geführt und aufgedehnt. Dabei werden die Ablagerungen zur Seite gedrückt. Zudem können solche Engstellen auch ausgeschält werden. Um sicherzustellen, dass an dieser Stelle nicht abermals Kalkablagerungen die Schlagader zusetzen, können die Mediziner auch einen Stent – also ein Röhrchen – implantieren, welches das Gefäß stützt. In anderen Fällen ist das Ausschälen der Kalkplaques im Rahmen einer Öffnung der Schlagader notwendig. Bei sehr langstreckigen Verschlüssen kann es auch notwendig sein, einen Bypass, das heißt ein künstliches Stück Schlagader, einzusetzen.

Was passiert bei schwerwiegenden Fällen?
Wenn Patienten selbst im Sitzen oder Liegen starke Schmerzen in den Beinen habenhaben und mit Aufdehnen, Ausschaben oder Bypass nicht mehr geholfen werden kann, wird ein winziger Nervenstimulator im Bauchbereich implantiert. Von dort führt unter der Haut ein Kabel zum Rückenmark. Die Sonde gibt kleine Stromimpulse an das Rückenmark ab, wodurch die Schmerzwahrnehmung unterbrochen wird und die Blutgefäße weit gestellt werden. „Die Patienten werden weniger Schmerzen verspüren und werden dadurch aktiver und laufen wieder mehr“, schildert Oberarzt Ulbrich. Mehr Bewegung stimuliert wiederum den Kreislauf.

Ist nach einem Eingriff die Schaufensterkrankheit besiegt?
Kalkablagerungen in Schlagadern sind ein Prozess, der nicht in jedem Falle erfolgreich gestoppt werden kann. Die Ursachen für diese Ablagerungen liegen beispielsweise in der Ernährung, aber auch im Bewegungsmangel. Rauchen befördert diesen Prozess ebenfalls. So entstehen selbst nach einem medizinischen Eingriff oft wieder neue Ablagerungen. Gegensteuern kann man mit Medikamenten, aber auch mit Sport und Ernährungsumstellung. Rauchen sollte dann unbedingt beendet werden, da bereits das in einer Zigarette enthaltene Nikotin die fortschreitende Verkalkung der Schlagadern begünstigt.

1 / 6