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Amtlich: Hier leben glückliche Hühner

Freilauf, Beschäftigung und Bio-Futter für Hennen: Riedels sind als ausgezeichnete Tierhalter prämiert worden.

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© privat

Von Birgit Ulbricht

Neu-Medessen. Großenhainer Bio-Eier gibt`s jetzt auch bei Amazon. Aber nur für Berliner und Hamburger. Über Amazonfresh sind die Eier von den Neu-Medessener Bioställen im Angebot. Und die Großstädter kaufen. Auch große Handelsketten wie Edeka, Kaufland, Rewe oder der Konsum punkten mit Bio-Eiern vor allem in den Städten, auch Dresden. Hier ist „Bio“ ein Versprechen, das den Stadtmenschen ein gutes Gefühl macht. Wer Bio kauft, tut sozusagen etwas für die Umwelt und das ist doch beruhigend. Auf Produzentenseite bei Alexander und Fabian Riedel braucht es da vor allem einen guten Ruf.

Denn nichts ist tödlicher fürs Image, als ein leiser Zweifel an der Tierhaltung. Das ist heute fast die eigentliche, die mediale Herausforderung für den Landwirt. Wer da positive Akzente setzen kann, es schafft, offen mit schwierigen Fragen umzugehen, und seinen Stall auch vorzeigen kann – der spielt am Markt zunehmend vorn mit. Entsprechend wertvoll ist Riedel ein etwa 20 mal 15 Zentimeter großes Schild, das seit gestern am Medessener Stall hängt: „Betrieb mit ausgezeichneter Tierhaltung. Tiergerechte und umweltverträgliche Haltung.“ Riedels hatten sich im gleichnamigen Landeswettbewerb in einem aufwendigen Auswahlverfahren mit beworben – und wurden am Montag prämiert.

Ausgezeichnete Tierhalter

Diesen guten Ruf müssen sich die beiden Söhne von Christian Riedel hart erarbeiten, denn mit Naturromantik hat das Signe „Bio“ eben nichts zu tun. Die gut 18000 Hennen in den sechs Medessener Ställen bekommen nicht nur mehr Platz als ihre Kolleginnen in der Freilaufhaltung – sechs Hennen statt neun auf den Quadratmeter – das gesamte Haltungskonzept dahinter muss „Bio“ sein.

Dazu gehört zum Beispiel, dass der Hühnerkot „Bio“ verarbeitet wird. „Wir sind Hennenhalter, also haben wir uns einen Partner gesucht, die Wülknitzer Agrargenossenschaft“, so Alexander Riedel. Die ackert „Bio“ und bewirtschaftet so kontrolliert 30 Hektar Fläche nur für den Medessener Stall. Auch das wird streng kontrolliert, wie jeder Handgriff, sei es nun, dass die Landwirte nur Bio-Weizen oder Bio-Mais füttern, egal, ob wie in diesem Jahr das Wetter die Erträge in den Keller drückt. „Bio“ ist ein hartes Geschäft für die Städter und ein fragiles dazu. Regelmäßig am ersten Ferientag, wenn die Städter in den Urlaub düsen, bricht der Markt zusammen, erzählt Alexander Riedel unumwunden. Riedels haben sich darauf eingestellt.

Dann wird im Sommer, wenn der Markt schwächelt, eben ausgestallt für die neue Generation Legehennen. In der Zeit liefert die Wildenhainer Agrargenossenschaft bei Leipzig dann Bio-Eier zu. Und da so ein Huhn nicht nur abwechslungsreich Bio versorgt sein will, sondern sich auch mal langweilen könnte, wird es trotz Freigang bespaßt. Genauer beschäftigt, denn eines soll es auf keinen Fall – die Nachbarin hacken. Eine natürliche Reaktion, vor der sich Legehennenhalter seit eh und je fürchten, denn Bio-Hühner haben natürlich keine kopierten Schnäbel. Doch wie dem Hacktrieb beikommen? Mit Pickblöcken, gepressten Luzerne-Ballen, Muschelkalk im Sandbad oder Stroh-Pellets. Klingt ein bisschen nach Schönheitsfarm, hat aber einzig den Zweck, dass die Tiere auch im Stall interessiert und beschäftigt sind. Das verhindert den gefürchteten Kanibalismus.

Ein Effekt, der auch durch weniger Licht im Stall zu erreichen wäre, doch das wäre schließlich nicht „Bio“. Wie schwierig solche Fachfragen in der Praxis zu handhaben sind, würdigte am Montag auch Amtstierarzt Hans-Jörg Klaue, mit dem die Großenhainer ebenso einen guten Fachaustausch pflegen wie zum Landwirtschaftsministerium. Referentin Annett Bugner freute sich über den „Vorzeigebetrieb“ und sprach frisch und ohne Zettel. Was wiederum Landrat Arndt Steinbach freute, der das beherzte Auftreten des Ministeriums zu schätzen wusste.

Käfig-Ei versteckt am Markt

Für alle rundweg ein erfreulicher Termin mit Reden, Stallrundgang und Spiegeleiern, zubereitet von Arndt Steinbach und Christian Riedel. Politik und Behörden schätzen solche Termine angesichts fast täglicher Schreckensbilder über moderne Tierhaltung. Auch sie wollen Wege finden, Tierwohl und Markt gütlich zusammenzubringen. Und da wird ganz genau geschaut: Rund 20 Kontrollen führt das Veterinäramt des Landkreises bei Riedels jedes Jahr durch. Der Forderungskatalog hinter dem kurzen Wort „Bio“ ist lang.

Ungetrübt ist die Freude trotz aller Anstrengungen bei den Bio-Legehennenhaltern dennoch nicht. Denn wie in anderen Tiersparten machen den Eierproduzenten die unterschiedlichen Maßstäbe am Markt arg zu schaffen. Obwohl seit 2009 verboten und 2012 endgültig verfristet, gibt es heute noch Käfighalter in Südeuropa. Stört das die Eierproduzenten hier in Deutschland?

„Durchaus, weil die Käfigeier als Eipulver für Nudeln, Eierlikör oder Shampoo wieder zu uns zurückkommen und das nicht auf den Produkten gekennzeichnet ist“, antwortet Alexander Riedel. Gerade aus der Ukraine, in die die deutschen Legehennenhalter ihre Käfige weiterverkauft hatten, drängen vermehrt Käfigeier in den deutschen Markt. Als Eipulver machen sie etwa die Hälfte des Marktanteils aus. Eine Größe, die niemand ignorieren kann und die hiesigen Eierproduzenten veranlasst, auch für Eipulver vehement die Kennzeichnungspflicht zu fordern. „Unsere Nudeln werden natürlich mit Eiern von glücklichen Hühnern hergestellt – jetzt auch amtlich“, lacht Alexander Riedel.

Die Sorgen am heimischen Markt bleiben. Gerade bringt Vater Christian Riedel – er ist zugleich Chef des sächsischen Geflügelwirtschaftverbandes – die Nachricht mit, dass Aldi für nächstes Jahr die Eierpreise wieder mal gedrückt hat. Aus Sicht des Tierwohls ist das keine gute Nachricht.