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Altweibersommer im Elbland

Ausflügler hatten am Wochenende die große Wahl. Der Altweibersommer bescherte der Hoflößnitz, dem Weingut Matyas und der Traditionsbahn viele Gäste.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul/Coswig. Das Herbstlaub raschelt im Lößnitzgrund. Der achtjährige Johann, Klein-Emil und Papa André spitzen die Ohren. Sie stehen am Sonntagvormittag als erste Besucher bei den Traditionsbahnern Radebeul auf der Matte, die seit Langem mal wieder zum Tag der offenen Tür einladen. Zum ersten Mal präsentieren sie der Öffentlichkeit ihren neuen Vereinssitz an der Lößnitzgrundstraße 46-48, heißt die Geschäftsstelle und die Reparaturhalle gleich nebenan. „Wir wollten uns mal die Werkstatt ansehen“, verrät André Simon mit seinen beiden Jungs. Ein eisenbahninteressierter Rentner aus Dresden stößt zu der kleinen Gruppe hinzu. Sie alle lauschen einem Mann in orangefarbener Warnjacke: Dietmar Hummig, Geschäftsstellenleiter der Traditionsbahn Radebeul. Er stellt das aktuelle Hauptprojekt vor: Einen von sechs Personenwagen des Vereins, der nur noch als Gerippe dasteht. Ein 970-269 aus dem Jahr 1914. „Der geht nach Marienberg in eine Fachwerkstatt, wird dort mit Heizleitung und neuer Bremse versehen“, erzählt Dietmar Hummig. „Ab dem Spätwinter werden wir ihn dann hier originalgetreu aufarbeiten.“ Eine Aufgabe von mehreren Jahren. Ein Pfeifen und Zischen schwebt durch die Luft. Die urigen Wagen des Traditionszugs rollen durch den Lößnitzgrund. Am Schmalspurbahnsteig Radebeul-Ost gestartet, geht es nach Radeburg. Rund 200 Besucher nutzen den Tag der offenen Tür bis zum Nachmittag. „Sehr gut“, sagt Geschäftsstellenleiter Hummig. „Unser Zug hat ja nur 150 Plätze.“ Nur wenige Meter Luftlinie vom Lößnitzgrund entfernt, fallen Salutschüsse. Der Dresdner Hof soll hören, dass der Kurfürst mit seiner Jagdgesellschaft gut aus Moritzburg in der Radebeuler Hoflößnitz eingetroffen ist. Das älteste Weingut Sachsens lässt mit seinem dritten churfürstlichen Weinbergfest das große Jagd- und Weinfest anno 1727 lebendig werden.

Werkstatt-Führung im Lößnitzgrund: Dietmar Hummig von der Traditionsbahn erklärt Gästen, wie Wagen aufgearbeitet werden.
Werkstatt-Führung im Lößnitzgrund: Dietmar Hummig von der Traditionsbahn erklärt Gästen, wie Wagen aufgearbeitet werden. © Norbert Millauer
Andrang im Coswiger Weingut Matyas: Inhaberin Andrea Leder schenkt Hunderte Gläser Federweißer aus.
Andrang im Coswiger Weingut Matyas: Inhaberin Andrea Leder schenkt Hunderte Gläser Federweißer aus. © Norbert Millauer

In diesem Jahr geht der originalgetreue Winzer- und Jagdaufzug in ein zweistündiges Programm über. Das Publikum erlebt Volks- und Winzertänze, nachgestellte Wachaufzüge und Wachablösungen, barocke Folkmusik und Falknervorführungen.

Als Kulisse des Spektakels dient – ebenfalls neu – eine opulente Festtafel, an der die hohen Gäste Platz nehmen, ganz wie anno 1727. Mit historischem Gehrock und Dreispitz mimt Wettiner-Chef Daniel Prinz von Sachsen seinen kurfürstlichen Ahnen. Er ist auch Schirmherr dieses Festes.

„Diesmal wollten wir es noch authentischer machen“, sagt Hoflößnitz-Geschäftsführer Jörg Hahn. Zur Authentizität der Veranstaltung gehört für ihn auch der Bio-Genussmarkt entlang des Knohllwegs. „Wir sind das einzige biozertifizierte Weingut in Mitteldeutschland“, betont er. Diesen Trumpf der Gegenwart kombiniert das Fest mit dem barocken Geschehen im Innenhof. Und dort zelebriert Jörg Hahn wieder die Rolle des königlichen Festorganisators Baron von Löwendahl. Am Sonnabend und Sonntag verfolgen den Programmteil rund 1000 Besucher. Eine Resonanz wie in keinem der zwei Jahre zuvor. „Dabei herrscht kein Gedränge, es ist noch gemütlich“, sagt eine 75-jährige Radebeulerin, die das Geschehen mit einem Glas Müller-Thurgau in der Hand verfolgt. „Das Programm ist eine wirkliche Steigerung zum vergangenen Jahr.“

Eine kleine Völkerwanderung ist am Wochenende auch in Coswig zu beobachten. Die Menschenmassen pilgern Richtung Spitzgrundstraße. Dort veranstaltet das Weingut Matyas sein Federweißerfest. Eine Tradition seit 18 Jahren, so alt wie das Weingut selbst. „Das Federweißerfest ist jedes Jahr der offizielle Abschluss unserer Besenwirtschaft“, erklärt Inhaberin Andrea Leder.

Sie und ihr Team haben am Wochenende alle Hände voll zu tun. In diesem Jahr bringen sie Federweißer von der Scheurebe in die Gläser. Gezapft wird im Akkord. Die Besucher reisen bis aus Frankenberg und Glauchau an. Alle 48 Tische sind über weite Strecken komplett belegt. Die 22-jährige Tabea aus Dresden und ihr Freund Alexander sind mit Geschwistern und Eltern da. Mangels freier Plätze haben sie ein Weilchen auf einer Bank gewartet. Nun ist ein Tisch im Wintergarten frei geworden. „Wir kommen schon zum zweiten Mal, weil der Federweißer so lecker schmeckt“, erzählt Tabea. Andrea Leder freut, dass seit etwa drei Jahren auch die Generation 40plus und jünger bei ihren Veranstaltungen vorbeischaut. Und diesmal übertrifft der Besucherandrang ihre Erwartung. „Es ist unser bestes Federweißerfest in 18 Jahren“, resümiert sie. Dem milden Herbstwetter sei Dank.