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Sachsens Handwerk digitalisiert sich

Der Wirtschaftszweig tut sich schwerer als andere mit neuen Megatrends. Doch es geht.

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© dpa

Von Kristin Kruthaupt

Im Geschäft des Stempelherstellers Schmorrde in Löbau scheint auf den ersten Blick die Zeit stehen geblieben zu sein. Zum Verkauf steht in dem kleinen Geschäft ein Sammelsurium aus Herrnhuter Sternen, Glückwunschkarten und Stempeln. Ein verschlafener Tante-Emma-Laden, könnte man meinen. Doch der erste Eindruck täuscht. Wer die Produktion in den Etagen über dem Geschäft betritt, sieht einen innovativen Handwerksbetrieb. Der kleine Laden in Löbau ist für den Umsatz längst nicht mehr wichtig. Geschäftsführer Reinhart Keßner von Schmorrde setzt seit Jahren konsequent auf die Digitalisierung und verkauft Stempel europaweit. Die Digitalisierung hat bei Schmorrde nicht nur die Arbeitsprozesse stark verändert, sondern der Firma auch ein Umsatzplus beschert.

Schmorrde hat 1865 als Buch- und Zeitungsdruckerei angefangen. Keßner fertigt Stempel in der fünften Generation – zwei seiner Kinder arbeiten bereits im Betrieb mit. Heute hat er rund 50 Mitarbeiter in Löbau, Dresden und Weimar und machte 2017 einen Umsatz von rund vier Millionen Euro. Viele haben einen Stempel von Schmorrde schon gesehen: Fast alle Stempel bei der Deutschen Post sind von dort. Die Firma beliefert aber auch große Versicherungen.

Vielen Firmen fehlen die Experten

Bereits 1997 hat Keßner einen Online-Shop für Stempel eingerichtet. Ein Programmierer aus Löbau hat den ersten Shop gebaut. Mittlerweile macht Schmorrde 45 Prozent seines Umsatzes digital. Der Kunde kann online Bestellungen durchgeben und Stempel gestalten. „Früher hatten wir 250 Anrufe am Tag“, erzählt Keßner. Heute seien es noch 80. Auch erreicht er über das Netz neue Kunden in ganz Europa.

Die Digitalisierung schreitet in allen Branchen voran – aber so stark wie Schmorrde nutzen im Handwerk wenige die neuen Möglichkeiten. „Grundsätzlich haben die Handwerksbetriebe den Mega-Trend Digitalisierung erkannt und sind aktiv“, sagt Stephan Blank vom Kompetenzzentrum Digitales Handwerk. Im Vergleich mit Handel und Industrie wandelten sie sich aber langsamer. Ein Grund sei die durchschnittlich geringe Mitarbeiterzahl von fünf bis sieben Beschäftigten. Oft gebe es niemanden, der sich um das Thema Digitalisierung kümmern könne, so Blank.

Eine repräsentative Umfrage des Bitkom und des ZdH unter Handwerksbetrieben zeigt, dass sie den neuen Möglichkeiten offen gegenüberstehen. So haben 95 Prozent eine eigene Homepage. Gleichzeitig haben erst 58 Prozent Büro- und Verwaltungsaufgaben digitalisiert. Mehr als jeder Vierte (29 Prozent) gab an, Probleme zu haben, die Digitalisierung zu bewältigen.

Die Fahrradmanufaktur Whitestone Bike in Zittau würde es ohne die Digitalisierung gar nicht geben. „Unser Einzugsgebiet ist die ganze Welt“, sagt Geschäftsführer Jens Jankowski. Er produziert mit einem kleinen Team hochwertige Fahrräder mit einem Verkaufspreis zwischen 5 000 und 10 000 Euro. Nur weil er Kunden in der ganzen Welt erreichen könne, sei der Markt für solch hochpreisige Räder groß genug, erklärt er. Per Online-Shop ist es den Kunden möglich, ihre Räder individuell zu gestalten und zusammenzubauen. Bald will er noch weitergehen: Künftig will er die Fahrradrahmen selbst mit einem 3D-Drucker produzieren. Bislang ist sein Geschäft noch nicht profitabel genug.

Schleppender Breitband-Ausbau

Keßner und Jankowski haben an die Politik ähnliche Wünsche: Keßner kritisiert den zu langsamen Breitbandausbau. Erst seit wenigen Wochen hätten sie in Löbau schnelles Internet. Ähnlich äußert sich der Sächsische Handwerkstag, Dachorganisation der Kammern und Verbände. Die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen hänge auch davon ab, dass flächendeckend leistungsfähige digitale Netze verfügbar seien, hieß es dort. Ende 2017 hatten laut dem Breitbandatlas 65,7 Prozent aller Haushalte in Sachsen eine Datenrate über 50 Mbit/s und damit schnelles Internet. Jankowski wünscht sich auch weniger Bürokratie bei Förderanträgen. „Das ist wie ein Dschungel, damit hat man richtig viel Arbeit“, sagt er. Das Land unterstützt Betriebe laut Wirtschaftsministerium etwa im Rahmen seiner Mittelstandsrichtlinie.

Keßner denkt manchmal verwundert an die Anfänge mit dem Online-Shop Ende der 90er-Jahre zurück. „Ich bin jahrelang wie ein Missionar herumgelaufen“, erinnert er sich. Nur wenige Kunden wollten den Online-Shop am Anfang nutzen. Heute ist er fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Doch Keßner will sich auf seinem Erfolg nicht ausruhen. „Sie müssen immer am Ball bleiben“, sagt er. Durch die Umbrüche durch die Digitalisierung könne man sonst auch schnell von der Konkurrenz überholt werden. (dpa)